Sie bäckt das Brot der Oma
Autor: Christian Schuberth
Döllnitz, Dienstag, 29. Sept. 2020
Heike Lauterbach wollte das Brot ihrer Kindheit zurück - und hat den alten Backofen der historischen Pulvermühle reaktiviert. Ihr Sauerteigbrot findet immer mehr Liebhaber.
Die kernige Kruste kracht beim Reinbeißen, der saftige Brotteig entfaltet eine milde Säure, Koriander und Kümmel geben eine pikante Note - ein Traum von einem Sauerteigbrot. Gebacken ganz traditionell im Holzofen, so wie es die Bauern auf den fränkischen Dörfern über Generationen hinweg getan haben. Es ist das Handwerk von Heike Lauterbach aus Döllnitz. Sie hat vor elf Jahren den uralten Holzbackofen der elterlichen Pulvermühle bei Döllnitz reaktiviert. "Ich wollte einfach wieder das Brot zurück, das meine Oma gebacken hat", sagt die 49-Jährige.
In ihren Kindheitserinnerungen bückt sich die Großmutter über dem Holztrog und knetet Brotteig. Als die Oma nicht mehr konnte, haben Heike Lauterbachs Brüder noch eine Zeitlang weitergemacht. Dann blieb das wohl über 100 Jahre alte Backhäuschen - ein genaues Baudatum ist nicht bekannt - für viele Jahre kalt.
Heike Lauterbach ist nach der Geburt ihres vierten Kindes - Sohn Jakob ist inzwischen zwölf - in Erziehungszeit. Da reift die Idee, wieder Brot zu backen. Doch für eine Familie ist der über drei Meter tiefe Ofen viel zu groß. Er fasst fast 30 Vierpfünder und verschlingt - wenn man ihn richtig anschüren will - einen viertel Ster Holz. Heike Lauterbach schöpft dennoch die ganze Kapazität aus und bietet die übrigen Laiber einfach Freunden an. Das kommt so gut an, dass sie ein Gewerbe anmeldet, 2009 einen Hofladen eröffnet und den Ofen inzwischen drei Mal die Woche befeuert. Zwei Mal im Monat gibt es auch Küchla und Schmalzgebäck. Von den fränkischen Spezialitäten, traditionell im heißen Fett herausgebacken, rührt auch der Name "Fettnäpfchen" her.
Drei Mal wird gebacken
An den drei Backtagen pro Woche (Dienstag, Mittwoch, Donnerstag) ist die Nacht von Heike Lauterbach um 4 Uhr beendet. Sie schürt den Ofen an, den ihr Mann Bernd schon am Vorabend mit Holz aus dem eigenen Wald bestückt hat. Dann geht's in die Backstube, der ehemaligen Milchkammer des Wirtschaftsgebäudes. Heike Lauterbachs Bauernbrot besteht zu 80 Prozent aus Roggen- und zu 20 Prozent aus Weizenmehl, beides Bio, gemahlen in der Schlottermühle bei Weißenbrunn. Qualität ist ihr genauso wichtig wie Regionalität. Schließlich hat sie in ihrem Beruf als Diätassistentin gelernt, wie wichtig hochwertige Lebensmittel für die Gesundheit sind.
Doch auch die Umwelt liegt ihr am Herzen: "Ich verwende Bio-Produkte aus Überzeugung, gespritztes Getreide mag ich nicht", sagt Heike Lauterbach, während sie den in der Maschine vorgekneteten Teig noch einmal per Hand bearbeitet und in einen Teil Gewürze wie Anis und Kümmel hineingibt. Für das Kasten-Vollkornbrot schrotet sie das Getreide sogar selbst und stets frisch. Eine Bio-Zertifizierung wäre also kein Problem, ist ihr aber nicht so wichtig. "Das Geld für die jährliche Kontrolle spar' ich mir, das müsste ich sonst auf die Produkte draufschlagen. Die Kundschaft schätzt die Qualität auch so."
Nun wird der homogene Teig rund- bzw. längsgewirkt und in die Bastschalen gegeben. Dann läuft Heike Lautebrach über den Hof zum Holzofen. Die Glut muss raus. Jetzt wischt sie mit einem nassen Lappen den Brennraum von der Asche frei und erzählt, wie sehr es sie freut, wenn die Kunden ihre Produkte schätzen. "Neulich hatte ich eine Kundin, die klagte, dass sie kein Brot mehr verträgt, weil da so viele Zusatzstoffe drin wären. Jetzt ist sie ganz glücklich, dass ihr meine Schrotkante gut bekommt."
Der Kontakt zur Kundschaft ist der zweite große Antrieb für die 49-Jährige. "Beim Backen früh kann ich vor mich hinsinnieren, aber am Nachmittag freue ich mich auf die Leute, ich brauche das."
In ihrem "Fettnäpfchen" durfte Heike Lauterbach trotz Corona weiter Brot und Schmalzgebäck verkaufen, doch Absatzmärkte wie der Lenzrosenmarkt in Thurnau, Konfirmationen oder Hochzeiten brachen weg. Auch die beliebten Pizza-Abende im Sommer im Hof der Pulvermühle fielen zum Bedauern der Familie Lauterbach und ihrer Stammgäste ins Wasser. Derweil prüft die Bäckerin die Temperatur ihres Ofens. Am Boden des Kuppelgewölbes herrschen rund 250 Grad Celcius, jetzt ist die rechte Zeit zum Einschießen. Heike Lauterbach stürzt die Laiber aus ihren Formen auf den Holz-Schießer und schiebt die Brote in den Backraum. Jetzt kann sie erst mal durschnaufen.
Nun widmet sich Heike Lauterbach ihrem selbst gezogenen Sauerteig für den nächsten Backtag, vermehrt den Mutterteig mit Wasser und Mehl. Diese Prozedur wiederholt sie am Abend. "Einem Teig muss man Zeit geben, nur ein langsam geführter Sauerteig ist bekömmlich", weiß die Bäckerin, ehe sie wieder über den Hof flitzt. "Ich muss die Brote umsetzen", erklärt sie. Denn im Ofen herrschen nicht überall gleiche Temperaturen.
Ihr Brotrezept musste sich Heike Lauterbach erst selbst erarbeiten. "Die Oma hat ja kein genaues Rezept hinterlassen", bedauert sie. Und ohne Weiteres durfte sie ihr Holzofenbrot auch nicht verkaufen. Schließlich herrscht im Bäckerhandwerk Zunftzwang. "Also musste ich bei der Handwerkskammer eine Prüfung übers Brotbacken ablegen", erzählt Lauterbach.
Neuer Backraum
Inzwischen sind eineinhalb Stunden vergangen, die Laiber müssten fertig sein. Als wir abermals über den Hof laufen, duftet es schon verführerisch. Ein Blick auf die Brote genügt der Bäckerin -"die sind fertig". Dies bestätigt sich beim Mehlabklopfen. Es ist der typische dumpfe Ton. Nun kühlen die Laiber aus, in ein paar Stunden kommen die ersten Kunden. Wer schlau ist, reserviert, denn die Liebhaber des Holzofen-Bauernbrotes werden immer mehr.
Expandieren möchte Heike Lauterbach derzeit aber trotzdem nicht. Sie sagt: "Öfter als drei Mal die Woche kann ich kein Brot backen, weil ich ja noch Zeit für Küchla und die Familie brauche." Zwar wird demnächst ein neuer Backraum im ehemaligen Stall - hauptsächlich fürs Küchla-Backen - in Betrieb genommen. Doch sie sagt: "Beim Küchlabacken habe ich schon Helferinnen, aber fürs Brotbacken macht es keinen Sinn. Da gibt es halt nur das Sortiment, dass ich mit meinen beiden Händen schaffe."
Die Oma wäre sicher stolz auf ihre Enkelin gewesen, doch die gibt sich nachdenklich: "Ob es die Oma verstehen würde, dass ihr Bauernbrot heute eine Spezialität und Rarität ist? Für sie war es etwas ganz Alltägliches."