Sexueller Übergriff auf dem Parkplatz: Gericht sucht stundenlang nach der Wahrheit
Autor: Katrin Geyer
Kulmbach, Mittwoch, 14. November 2018
Gab es den sexuellen Übergriff auf einem Parkplatz - oder lügt das Opfer? Die Wahrheitssuche war für das Gericht in Kulmbach zeitraubend.
Der Fall ist, das muss man leider sagen, nicht ungewöhnlich: Es geht um sexuelle Nötigung, begangen an einem 16-Jährigen. Es geht um einen Beschuldigten, der die Tat leugnet, und um die Frage, wer wann was beobachtet haben könnte. Die Beteiligten stammen ausnahmslos aus dem Raum Bamberg, aber weil der Tatort ein Parkplatz in Himmelkron war, muss sich mit der Sache das Kulmbacher Schöffengericht befassen.
Die Verhandlung wird dann freilich ungewöhnlich: Annähernd sieben Stunden lang tagt das Gericht, und früh schon wird die Strategie des Verteidigers klar: Er will die Glaubwürdigkeit des Opfers, das auch als Nebenkläger auftritt, demontieren.
Aber von Anfang an: Im März 2017 übernimmt der Patientenfahrdienst eines Bamberger Wohlfahrtsverbandes den Transport eines Patienten von der Uniklinik Erlangen ins sächsische Radebeul. Im VW-Bus sitzen zwei hauptamtliche Mitarbeiter, die sich als Fahrer abwechseln, einer davon, damals 28 Jahre alt, der spätere Angeklagte. Außerdem der Patient und ein seinerzeit 16 Jahre alter Praktikant. Auf der Fahrt sei geblödelt worden, berichten die Fahrer und der Jugendliche: "Wie wenn Bekannte miteinander wegfahren." Der spätere Angeklagte hat den Kollegen gegenüber nie einen Hehl daraus gemacht, dass er schwul ist. Auch darüber sei gelegentlich gewitzelt worden.
Die Stimmung kippt bei einer kurzen Pause auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants in Himmelkron. Während der ältere der beiden Fahrer zur Toilette geht, beugt sich - so steht es in der Anklageschrift - der 28-Jährige von der Rückbank des Autos aus nach vorne, nimmt den 16-Jährigen in den Schwitzkasten und greift ihm von hinten in die Hose.
So erzählt es der Jugendliche vor Gericht. So erzählt er es später zwei Betreuerinnen in der Jugendhilfe-Einrichtung, in der er damals lebt. Und so erzählt er es auch seinem Vorgesetzten und der Polizei. Er habe Angst gehabt sagt er, habe tagelang nicht schlafen können.
Der Angeklagte schildert die Geschehnisse anders. Man habe, sobald man den Patienten in Radebeul übergeben habe, im Auto geblödelt, sich gegenseitig angefrotzelt, sich dabei auch mal neckend die Wange getätschelt oder einander angerempelt. "Alles nur spaßeshalber", sagt der mittlerweile 29-Jährige. Gewaltanwendung? Ein sexuell motivierter Übergriff? Da war nichts, beteuert er. Und überhaupt: Er sei oft mit dem Praktikanten unterwegs gewesen, habe ihn nach Feierabend auch heimgefahren. "Wenn ich solche Absichten gehabt hätte, hätte es genug Gelegenheiten gegeben - nicht gerade auf einem beleuchteten Parkplatz."
Als der ältere Kollege von der Toilette zurückkommt, sieht er, dass im VW-Bus gerangelt wird, dass der Ältere den Jüngeren im Schwitzkasten hat. Wo seine Hand war? Der Zeuge meint, im Schritt des Praktikanten, sagt aber auch, dass ihm nach der langen Zeit nicht mehr jedes Detail in Erinnerung sei. Auf der Heimfahrt sei der Praktikant dann auffallend still gewesen. "Auf jeden Fall war es eine seltsame Situation." Das habe ihn letztlich dazu veranlasst, das alles seinem Vorgesetzten zu melden.