Scharfe Töne im Kulmbacher Stadtrat und ein Friedensbier
Autor: Stephan Tiroch
Kulmbach, Donnerstag, 10. Dezember 2020
Bei der Haushaltsdebatte am Donnerstag wurde hart debattiert - mit einem versöhnlichen Ende.
Keine Haushaltsverabschiedung wie jede andere am Donnerstag in der Stadthalle: Nicht nur, dass jeder Stadtrat und Besucher im großen Saal Maske tragen musste. Erstmals kamen auch sechs Parteien zur Wort, und es kam eine ungewohnte Schärfe in die Debatte. Dafür sorgte, wie vielleicht zu erwarten gewesen wäre, nicht die AfD - sondern die CSU und WGK, die ziemlich angriffslustig waren - fast schon im Wahlkampfmodus. Ziel ihrer Kritik: Oberbürgermeister Ingo Lehmann (SPD).
"Optimismus weggeblasen"
Der vom neuen OB vorgelegte Haushaltsentwurf sei "enttäuschend" gewesen, stellte Fraktionssprecher Michael Pfitzner von der CSU fest, "keine kreative Handschrift" und "keine neuen Gestaltungsmerkmale". Auch WGK-Fraktionsvorsitzender Ralf Hartnack spöttelte: "Das kleine Virus hat auch auf den Kulmbacher Haushalt Einfluss genommen und den Optimismus weggeblasen."
Für die SPD gab deren Fraktionsvorsitzender Matthias Meußgeyer Kontra. Er sprach von einem realistischen Zahlenwerk. Diesmal sei die Gewerbesteuer niedriger angesetzt. Nicht so wie in den vergangenen zwei Jahren, als der Ansatz jeweils um sechs Millionen Euro unterschritten wurde: "Wir wollten es besser machen als in der Vergangenheit, und das ist der richtige Weg."
Miteinander reden
Versöhnliche Töne schlug dann Zweiter Bürgermeister Frank Wilzok (CSU) an. Dem neuen OB stehe eine Eingewöhnungszeit zu. In schwerer Zeit sei es notwendig, miteinander zu reden, "dann kommt etwas dabei raus". Und Dagmar Keis-Lechner von den Grünen schlug vor: "Trinken wir doch mal ein Friedensbier."
Hier die Stellungnahmen der Fraktionen und Gruppierungen zum Haushalt für 2021.
CSU: Sparsamer wirtschaften
Fast kein gutes Haar am Haushaltsentwurf des neuen OB ließ CSU-Fraktionsvorsitzender Michael Pfitzner. Neuverschuldung, Erhöhung der Grundsteuer und gestiegene Personalkosten - all dies wären Gründe gewesen, um den Haushalt abzulehnen. Dass es nicht so gekommen ist, schrieb Pfitzner der CSU und der WGK zu, die vehement widersprochen hätten. "Ein schaler Beigeschmack" bleibe zum Beispiel bei der Finanzierung der Projekte für den Hochwasserschutz. Man habe hier nicht nach Fördermöglichkeiten gesucht. Trotzdem werde die CSU zustimmen. Denn, so Pfitzner zu OB Lehmann: "Wir hoffen, dass Sie künftig sparsamer wirtschaften werden und dass die heimische Wirtschaft den Ansatz von 18 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen übertreffen wird."
SPD: Können viel bewegen
Von einem "guten und tragfähigen Haushalt" sprach SPD-Fraktionsvorsitzender Matthias Meußgeyer. "Wir haben die Grundlage geschaffen, um 2021 viele bewegen zu können", sagte er und wies Vorwürfe zurück, dass man im Rathaus keine Zuschussmöglichkeiten erkundet habe. Aber zum Beispiel beim Hochwasserschutz sei man es den Bürger schuldig, auch dort tätig zu werden, wo es keine Förderung gibt - zum Beispiel im Bereich Stadtpark/Pestalozzistraße. "Das wurde zu lange vernachlässigt." Positiv bewertete er es unter anderem, dass die Fortentwicklung des Kaufplatzareals gesichert ist, dass die Busfahrzeiten abends ausgeweitet werden, dass die Freiflächen-Photovoltaikanlage Grafendobrach auf den Weg gebracht wurde und dass 2020 ein Wohngebäude der Städtebau in der Tilsiter Straße errichet wird.
WGK: Nach Fördermitteln suchen
"Wir verschließen nicht die Augen vor der Realität", betonte Fraktionssprecher Ralf Hartnack von der WGK. Aber beim Haushaltsentwurf des neuen Oberbürgermeisters seien kritische Anmerkungen notwendig. Der Ansatz von fast vier Millionen Euro bei der Nettoneuverschuldung "hat uns getroffen", sagte er. Ebenso die geplante Erhöhung der Grundsteuer. Was dagegen fehlt, seien klare Ziele, um Zukunftsperspektiven zu schaffen. Der Intervention von WGK und CSU sei es zu verdanken, dass die Verschuldung um 400.000 Euro reduziert wurde, die Grundsteuer nicht erhöht wurde ("ein Standortvorteil für Kulmbach") und trotzdem 600.000 Euro mehr für Investitionen zur Verfügung stehen. Hartnack forderte den OB auf, sich bei städtischen Projekten intensiver um Fördermittel zu kümmern.
Grüne: Keiner kann hexen
Dass auch die Stadt Kulmbach in Corona-Zeiten kein Geld aus dem Hut zaubern können, betonte Fraktionssprecherin Dagmar Keis-Lechner von den Grünen. Der OB und der Kämmerer könnten nicht hexen. Sie war nicht begeistert, dass für die Vorschläge der Konservativen städtische Grundstücke verkauft werden. "Für uns ist das keine Option", sagte sie und sprach das Grundstück in der Hannes-Strehly-Straße an, das der bekannte Investor bekommen soll. Damit seien Proteste der Anwohner programmiert, aber damit müsse sich "die selbsternannte Gestaltungsmehrheit alleine auseinandersetzen". Keis-Lechner bedauerte es, dass 2021 das Radwegekonzept voraussichtlich noch nicht umgesetzt wird. Man warte immer noch auf die Vorschläge der Experten und wolle dann noch die Bürger beteiligen.
AfD: Tragfähiger Haushalt
Ziemlich staatstragend war die Haushaltserklärung des AfD-Sprechers Georg Hock. OB und Stadtkämmerer hätten einen tragfähigen Entwurf vorgelegt. "Haushaltsaufstellung ist kein Wunschkonzert", sagte er. Lobbyinteressen und Lieblingsprojekte von Partei dürften nicht zur Zielschnur des Handelns gemacht werden, so Hock mit Blick auf die "sogenannten bürgerlichen Parteien". CSU und WGK hätten einen umfangreichen Forderungskatalog vorgelegt, "der Gott sei Dank weitgehend zusammengestrichen wurde". Auf das Geld fürs Radwegekonzept und für die Kaufplatz-Planung hätte man verzichten können, dann wäre die Verschuldung noch mal um 150 000 Euro niedriger. Die Beibehaltung der Grundsteuer, die Einsparung bei den Personalkosten seien positiv, die Neuverschuldung akzeptabel.
FDP: Mehr Ideen notwendig
Bei einer Neuverschuldung von vier Millionen Euro, acht Prozent mehr Personalausgaben und einer Grundsteuererhöhung hätte die FDP den Haushalt nicht mitgetragen, sagte Thomas Nagel. Dies alles sei nicht gekommen, deswegen könne er zustimmen. Er vermisse allerdings die Perspektive, "wo sich Kulmbach in den nächsten Jahren hin entwickeln soll". Der FDP-Stadtrat weiter: "Ein Ausbau der B 85 macht nur Sinn, wenn Kulmbach pulsiert, und hier brauchen wir mehr Ideen aus dem Rathaus." Nagel mahnte, dass der städtische Schlachthof am Scheideweg stehe. Die Technik sei veraltet, es bestehe Handlungsbedarf. Ein Möglichkeit wäre es, mit Kronach, Lichtenfels und Coburg gemeinsame Sache zu machen. Kulmbach solle zu einem Runden Tisch einladen.