Rugendorfer Ökolandwirt ist enttäuscht von Berufskollegen und Politik
Autor: Jochen Nützel
Rugendorf, Sonntag, 10. Februar 2019
Martin Weiß äußert großes Unverständnis über die Kritik, die Abgeordnete von CSU und FW sowie der Bauernverband am Volksbegehren äußern.
Ein Exot ist er längst nicht mehr. Das war Martin Weiß vor 29 Jahren: Damals, 1990, hat der Rugendorfer seinen landwirtschaftlichen Betrieb, den er 1970 von den Eltern übernahm, auf Bio umgestellt. Nach 20 Jahren konventioneller Bewirtschaftung: mit Kunstdünger und Pflanzenschutz. Das ganze Besteck sozusagen.
Das Unbehagen gegen diese Art der Lebensmittelerzeugung wuchs wie das Getreide auf seinen Feldern, räumt der heute 66-Jährige ein. Er habe miterlebt, was die Mittel aus der Chemiefabrik unter den Insekten anrichteten - und zieht einen martialischen Vergleich: "Das war wie ein Flächenbombardement im Krieg. Selbst wenn wir heute, um im Bild zu bleiben, Waffen mit angeblich chirurgischer Präzision einsetzen - so besteht doch die Gefahr eines Kollateralschadens."
Das Ergebnis: Das viel zitierte Artensterben, selbst bei Insekten, sei Fakt. Mit all den Auswirkungen auf Fauna und Flora. "Das ist so gewaltig, das lässt sich nicht leugnen", sagt der Rugendorfer, fügt aber hinzu: "Wobei die Landwirtschaft sicher nicht die alleinige Schuld daran trägt." Dennoch unterstützt er das Volksbegehren "Artenvielfalt - Rettet die Bienen". Unterschrieben hat er bereits.
Unrühmliches Bild
Ein unrühmliches Bild in der Debatte gebe seine eigene Standesvertretung ab. Dem Bauernverband stellt Weiß ein schlechtes Zeugnis aus. Er, einst selbst BBV-Vertreter, bekundet: "Ich finde es falsch, wie man hier gegen alles argumentiert. Die Landwirtschaft ist nun mal ein großer Spieler in der Natur. Und das bedeutet: Die Landwirtschaft ist in nicht geringem Maße daran beteiligt, dass die Situation so ist, wie sie ist." Man deute zwar an, dass die Bauern ihrerseits mit Blühstreifen und anderen freiwilligen Leistungen ihren Beitrag zum Artenschutz leisteten. Doch Weiß findet: "Das reicht halt nicht."
Das Volksbegehren bezeichnet der Landwirt als "Hilfeschrei von Menschen, die stellvertretend für Tiere und Pflanzen, die sich nicht selber artikulieren können, die Stimme erheben". Es sei richtig, so vorzugehen. "Man sieht ja auch jetzt wieder an Markus Söders Gedanken für ein eigenes Artenschutzgesetz: Politik bewegt sich nur, wenn eine große öffentliche Mehrheit hinter einem solchen Vorstoß steht - und damit der nötige Druck da ist."
Druck auf Gymnasium
Damit meint Weiß aber explizit nicht den "Druck", den Landtagsabgeordnete von CSU und Freien Wählern jüngst, wie berichtet, auf das Kulmbacher Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasium ausgeübt haben sollen. Zum Hintergrund: Weil Elternbeirat und Biologielehrer des als Umweltschule ausgezeichneten MGF dazu aufriefen, beim Volksbegehren zu unterschreiben, gab es "Redebedarf" vonseiten einzelner Mandatsträger. "Es ist unser gutes Recht, in aller Sachlichkeit mit dem Direktor zu reden, weil die politische Neutralität nicht gewahrt wurde", betonte Rainer Ludwig (FW). Martin Schöffel (CSU) stellte klar, er habe lediglich um Aufklärung gebeten, was hinter der Schulaktion steckt. "Wie sollen sich Kinder von Landwirten fühlen, wenn eine Schule die Bauern als Alleinschuldige abstempelt?" Zudem hatte der Bauernverband seinerseits sein Veto angemeldet.
Der Elternbeirat sprach von "verdeckter Einflussnahme von außen" und sah eine Grenze überschritten. Dem pflichtet Martin Weiß ausdrücklich bei. "Man sollte nicht von den Bürgern demokratisches Verhalten einfordern, um ihnen im Umkehrschluss genau dann den Mund zu verbieten, wenn die geäußerte Meinung nicht passt."