Rückflug wird für Familie aus Stadtsteinach zum Albtraum
Autor: Sonny Adam
Stadtsteinach, Freitag, 02. Sept. 2016
Den Türkei-Urlaub 2016 wird die Familie Aulbach aus Stadtsteinach so schnell nicht vergessen. Der Rückflug war ein Albtraum.
Was genau passiert, können Michael Aulbach (49), Pia Aulbach (39) und Neven (6) bis heute nicht sagen. Doch eins steht fest: Der Türkei-Urlaub endete mit einem gehörigen Schrecken, den die Familie aus dem Landkreis Kulmbach sicherlich so schnell nicht vergessen wird.
Denn kaum hatte der Urlaubsflieger von Onur Air abgehoben, vernahmen die Fluggäste Geräusche wie von einer Bohrmaschine. "Der Kapitän hat dann etwas von einem kleinen technischen Problem gesprochen und dass wir wieder umkehren müssten und wieder zurück nach Antalya müssen", erzählt Michael Aulbach. "Man hat gesagt, dass das ungefähr zehn Minuten dauern würde, doch diese Durchsage kam einige Male. Wir sind zweieinhalb Stunden über dem Meer gekreist", erinnert sich Aulbach. Wegen des sechsjährigen Sohnes haben sich die Aulbachs zusammengerissen, haben ihr Entsetzen nicht gezeigt. Doch im Flugzeug herrschte Panik. Manche Leute haben geweint, haben gebetet. Kinder schrien.
Nach Informationen des Westdeutschen Rundfunks soll Flugbenzin über eine Tragfläche gelaufen sein. Andere Quellen behaupten, dass ein Feuer ausgebrochen sein soll. Tatsächlich haben die Aulbachs Qualm gesehen. "Dass der Kapitän nicht konkret gesagt hat, was passiert, das verstehe ich ja noch - sonst wäre wahrscheinlich Panik ausgebrochen. Aber wir sind um halb elf Uhr morgens wieder aus dem Flieger ausgestiegen und waren dann bis 15.30 Uhr am Flughafen", klagt Michael Aulbach. "Über 200 Leute saßen da rum und keiner hat uns gesagt, wann es weiter geht, was Sache ist. Keiner hat mehr deutsch oder englisch gesprochen oder hat uns verstanden", bemängelt Pia Aulbach die Informationspolitik der Airline.
Dann plötzlich wurden alle Fluggäste in vier Bussen in ein Hotel befördert. "Wir waren da schon nervlich und seelisch am Ende. Ich hätte einfach erwartet, dass man informiert wird", sagt Pia Aulbach.
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Erst am nächsten Morgen um 9 Uhr konnten die Fluggäste, die zurück nach Deutschland wollten, abgeholt werden. "Der Flug sollte dann um 12.20 Uhr starten, aber wieder verzögerte sich alles. Der Abflug war um 14.25 Uhr", erinnern sich die Aulbachs noch. Mit einem Zwischenstopp in Paderborn ist die Familie aus Stadtsteinach dann schließlich mit 31 Stunden Verspätung in Erfurt angekommen.
Der Schrecken sitzt den Aulbachs noch immer in den Gliedern. Die Erholung der einwöchigen Türkeireise war schon am Tag nach dem Urlaub wieder dahin.
Da die Familie in Kulmbach über ein Reisebüro in Kulmbach gebucht hat, wandte sie sich an den Reiseveranstalter. "Bei uns war von dieser Verzögerung nur eine Familie betroffen", zieht Tourismuskauffrau Jacqueline Berg eine Bilanz. Die Familie Aulbach hat sich inzwischen offiziell bei der Fluggesellschaft über die Verzögerung beschwert, hat den Reiseveranstalter - TUI - in Kenntnis gesetzt.
Laut EU-Verordnung über Fluggastrechte steht Passagieren bei einer Verspätung von mehr als drei Stunden, bei Flugannullierung und Nichtbeförderung eine Ausgleichszahlung vor.
Onur Air gilt als "schwarzes Schaf"
Die Familie Aulbach hat sich schlau gemacht - in ihrem Fall wären dies 400 Euro pro Person. Doch im Internet finden sich massenweise Beschwerden, dass Onur Air als "schwarzes Schaf" gilt. "Wir raten allen Fluggästen inzwischen davon ab, überhaupt mit Onur Air zu fliegen", erklärt Rechtsanwalt Moritz Diekmann. Die Rechtsanwälte Diekmann aus Hamburg monieren, dass Onur Air in der Vergangenheit in keiner Weise auf Mahnschreiben reagiert hat. Auch auf die Anfrage reagierte Onur Air nicht. Nur auf Urteile reagiert die Fluggesellschaft. Doch um eine Klage anzustrengen, müsse ein amtlicher Übersetzer eingeschaltet werden. "Wir raten Fluggästen ohne eine Rechtsschutzversicherung derzeit von der gerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche ab", sagt Diekmann.
Die Kanzlei bietet sogar einen Mahnschreibengenerator an (https://www.diekmann-rechtsanwaelte.de/taetigkeitsgebiete/fluggastrecht/musterschreiben-ausgleichsansprueche/). Kostenlos. "Uns liegt gegen Onur Air - nur von verspäteten Flügen in diesem Jahr - eine geforderte Entschädigungssumme von 580.000 Euro vorliegen", sagt Diekmann. "Onur Air ist die Never-come-back-Airline. Sie ist immer zu spät, da passiert immer etwas.
Und das, obwohl die Onur Air gerade einmal fünf Maschinen hat, davon sind nur drei Maschinen im Einsatz. "Natürlich ist Onur Air in einer schlechten Phase, denn in der Türkei bricht der Reisemarkt zusammen. Aber die Flugzeuge sind eigentlich immer kaputt oder haben immense Verspätungen", kennt Diekmann das Dilemma.
Auf Platz zwei bei den Ausgleichsforderungen rangiert übrigens Condor mit einer Summe von 578.000 Euro, dann kommt Eurowings mit einer Summe von 574.000 Euro, zieht der Rechtsanwalt Bilanz. Insgesamt vertritt die Kanzlei aus Hamburg gegen Onur Air Forderungen von 10 Millionen Euro. "Allein in diesem Monat sind 2000 Mahnschreiben rausgegangen mit einem Forderungswert von 1,7 Millionen Euro", verrät Diekmann.
Die Hamburger Kanzlei führt dutzendweise Verfahren gegen den türkischen Billigflieger, hat unzählige Klagen eingereicht. Tatsächlich waren von der Panne nicht nur Fluggäste, die nach Hause reisen wollten, betroffen, sondern auch viele, die in den Urlaub starten wollten. Doch die Krux liegt im Detail.
Nur diejenigen Fluggäste, die von Deutschland in die Türkei reisen, haben eine geringe Chance, überhaupt Geld zu bekommen, wenn sie denn klagen. Die anderen nicht. Denn von der Türkei aus gilt das EU-Recht nicht. Zwar gibt es in der Türkei ein sogenanntes Sky-Abkommen, das den Fluggästen dieselben Rechte gewähren würde. Doch dieses Abkommen müsste gesondert geschlossen werden. Im Klartext bedeutet dies: Die Stadtsteinacher Familie kann die Verspätung unter negative Erfahrungen abhaken. Mehr nicht, erklärt Rechtsanwalt Diekmann.
Seitens des Kulmbacher Reisebüros, das den Fluggästen seine Unterstützung zugesagt hat, ist wegen der politischen Lage in der Türkei - keine Beeinträchtigung der Reiselust in Kulmbach zu beobachten. "Die Leute, die gebucht haben, fahren auch. Und sie berichten alle von einem Super-Urlaub", zieht Jacqueline Berg ein Resümee. Allerdings weichen Kurzentschlossene wegen der Unsicherheiten liebe auf Italien oder Spanien aus.
Auch die Stadtsteinacher Familie ist nach den Vorfällen nicht sicher, ob der nächste Urlaub sie wieder in die Türkei führen wird.