Rechnen ohne Ersatzhirn
Autor: Katrin Geyer
Kulmbach, Mittwoch, 08. Juni 2016
Rechnen müsste man können. Ganz ohne Zettel - und vor allem ohne elektronisches Ersatzhirn.
Drei Stangen Lauch, ein Bund Radieschen, ein kleiner Blumenkohl. Dazu noch Erdbeeren, grüner Spargel - und die Aprikosen sehen auch lecker aus. Das Angebot auf dem Wochenmarkt ist wieder einmal verlockend; meine Einkaufstasche füllt sich zügig.
"Darf's noch was sein?" fragt der Gemüsehändler meines Vertrauens. "Danke nein", sage ich, "das ist dann alles." - "Macht 27 Euro 90", kommt es wie aus der Pistole geschossen.
Ich wundere mich nicht mehr. Ich weiß, dass der Mann rechnen kann. Schneller als jeder Taschenrechner und ganz ohne Zettel und Stift.
So etwas ist selten geworden. Oder kennen Sie jemanden, der in der Gaststätte nach einem kurzen Blick in die Speisekarte auf den Cent genau weiß, was Sauerbraten, Salat, Wasser und der Kaffee danach kosten? Oder die Frage beantworten kann, wie viel 20 Prozent Rabatt auf einen Preis von 17,60 Euro sind? Sehen Sie!
Die meisten Menschen müssen sich, wenn sie mehrere Posten addieren oder gar Prozente ausrechnen sollen, mit Zettel und Stift behelfen - oder ganz auf elektronische Ersatzhirne in Form von Taschenrechner oder Smartphone ausweichen.
Das ist schade und gefährlich! Denn wer nicht selber rechnet und wenigstens ungefähr eine Ahnung hat, ob das, was ein anderer für ihn ausrechnet, plausibel ist, läuft Gefahr, übers Ohr gehauen zu werden.Davor habe ich keine Angst.Ab und zu rechne ich nämlich mit, wenn Lauch, Radieschen und Spargel in meine Einkaufstasche wandern - im Kopf.