Raus aus der Linken? Paul Lehmann hat es getan
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Montag, 09. Mai 2022
Paul Lehmann kennen Arbeitnehmer als streitbaren Gewerkschaftssekretär, der verkaufsoffene Sonntage kritisch hinterfragt. Politisch engagierte sich der 35-Jährige bis dato bei den Linken. Das ist vorbei.
Im Oktober 2020 wurde Paul Lehmann beim Landesparteitag in Erlangen noch in den Landesvorstand der Linken gewählt. Das alles ist Geschichte: Der Bayreuther ist aus der Linken ausgetreten. Was den 35-Jährigen, der hauptberuflich Gewerkschaftssekretär für Oberfranken ist und sich unter anderem gegen verkaufsoffene Sonntage im Handel engagiert, zu diesem radikalen Schritt und Schnitt bewogen hat, erzählt er im Interview.
Auf Ihrer Facebook-Seite haben Sie es nun offiziell gemacht: Sie und die Linke gehen getrennte Wege. Wie kam es?
Paul Lehmann: Es sind drei Punkte. Es geht um die inhaltliche Schwerpunktsetzung der Partei, die aus meiner Sicht verkehrt läuft. Punkt 2 sind die innerparteilichen Auseinandersetzungen. Punkt 3 ist die fortschreitende Akademisierung der Partei, die nach meiner Meinung den eigentlichen Zielen zuwiderläuft.
Können Sie das genauer ausführen?
Inhaltlich kommen mir die Themen, weswegen ich in die Partei eingetreten bin, viel zu kurz. Man versucht, den Grünen hinterherzulaufen bei der Ökologie. Das mag dem geschuldet sein, dass vor allem jüngere Menschen zur Partei finden. Aber unsere Kernklientel, also Arbeitende und Rentner, werden nicht mehr in der Art und Weise vertreten, wie ich mir das vorstelle und wünsche. Das Kernthema war immer Arbeit und Soziales - darauf gründet die Linke ursprünglich, dazu gehört auch das Vorgehen gegen die ungerechten Hartz-Gesetze. Und wenn wir uns aktuell die Energiepreise ansehen: Wen trifft es denn besonders hart? Jene Menschen, die vorher nicht viel Geld hatten und jetzt noch weniger. Mir kommt zu kurz, wie man die aktuellen Anforderungen sozial in eine Balance bringen kann. Denn das muss man nach meinem Dafürhalten. Stattdessen hechelt die Linke verschiedenen Bündnissen hinterher, um grüner zu sein als die Grünen. Das hat keinen Erfolg. Schuster, bleib' bei deinem Leisten.
Sie sprachen von Auseinandersetzungen.
Richtig, ich meinte damit die anhaltenden Flügelkämpfe, die viel an der Energie ziehen, die für wichtigere Debatten nötig ist, um die Grundlagen der Menschen im Land zu verbessern.