Rätselhafte Pfefferspray-Attacke in Kulmbach
Autor: Stephan-Herbert Fuchs
Kulmbach, Freitag, 09. Oktober 2015
Er soll einen Bekannten mit Pfefferspray angegriffen haben. Vor Gericht sah sich der Angeklagte aus Kulmbach selbst als Opfer. Weil beide Zeuge der Verhandlung einfach fernblieben, wurde das Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung eingestellt.
Widersprüchliche Zeugenaussagen, kein Strafverfolgungsinteresse seitens des vermeintlichen Opfers, Skepsis, ob weitere Ermittlungen noch zu einem Ergebnis führen, und vor allem die Tatsache, dass Aussage gegen Aussage stand - da stellte das Amtsgericht das Verfahren gegen einen 37-jährigen Minijobber aus Kulmbach wegen gefährlicher Körperverletzung kurzerhand ein. Und zwar ohne Auflagen, die Verfahrenskosten trägt die Staatskasse.
Ursprünglich war dem Mann vorgeworfen worden, im Mai einem Bekannten aus nächster Nähe Pfefferspray ins Gesicht gesprüht zu haben. Besagter Bekannte soll Reizungen, gerötete Augen und "nicht unerhebliche Schmerzen" erlitten haben, so stand es jedenfalls in der Anklageschrift. "Kein Wort davon ist wahr", schimpfte der Angeklagte vor Gericht. Die ganze Sache sei vielmehr andersherum gewesen. Der Bekannte habe ihn besprüht.
Sofort mit Streit begonnen
Er erzählte, wie er am 7. Mai abends an der Wohnung seines Bekannten und dessen Lebensgefährtin vorbeigekommen sei, nichtsahnend geklingelt habe, das vermeintliche Opfer nach draußen getreten sei und sofort einen Streit vom Zaun gebrochen habe. Da habe der Mann plötzlich das Pfefferspray gezogen und auf ihn gehalten, allerdings aus einer Entfernung von gut fünf Metern, so dass er nur ganz wenig davon abbekam.
Tatsächlich existierte eine Whats-App-Nachricht vom selben Tag, in der wortwörtlich stand: "Du willst Krieg haben, den kannst Du bekommen, koste es, was es wolle." Auch diese Nachricht aus den Händen des Bekannten spreche nicht gerade dafür, dass er tatsächlich das Opfer des Angriffs gewesen sei.
Auf Abgleich der Fingerabdrücke wurde verzichtet
Eine Aufklärung sollte sich schwierig gestalten, weil weder der Bekannte, noch seine Freundin, die einzige nicht beteiligte Augenzeugin, erschienen waren. Einzige Möglichkeit wäre folglich ein Sachverständigengutachten über mögliche Fingerabdrücke auf dem Pfefferspraybehälter gewesen. Doch auch hier zeigten sich alle Beteiligten skeptisch, ob dabei wirklich etwas herauskommen würde.
Auch der Polizist, der am 7. Mai vor Ort war, konnte nur berichten, dass sich die beiden Kontrahenten gegenseitig beschuldigten. Das angebliche Opfer soll erheblich aufgebracht gewesen sein, weil der Angeklagte zuvor auch noch eine Fensterscheibe eingeschlagen habe. Die Scheibe war bereits kaputt, er habe sie nur eingedrückt, sagte dagegen der Angeklagte.
Unter Bewährung
Sein Problem war, dass er unter Bewährung stand. Wegen einer Drogengeschichte war er erst im Juni 2011 zu acht Monaten verurteilt worden. Obwohl der Angeklagte beteuerte, keine Drogen mehr zu nehmen, seien entsprechende Tests zuletzt positiv ausgefallen. Glück für den Angeklagten: Nachdem auch eine telefonische Rückfrage beim zuständigen Sachbearbeiter der Polizei zu keinem Ergebnis führte, einigten sich alle Beteiligten, das Verfahren ohne Auflagen einzustellen.
Worum es bei dem Streit eigentlich ging, war auch im Gerichtssaal nicht zu erfahren.