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PV-Anlage Grafendobrach: Wie nachhaltig war der Bau?


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Freitag, 04. Februar 2022

Kaputte Wege, fragwürdige Arbeitsbedingungen: Ein Grafendobracher Bürger kritisiert, wie die Freiflächenanlage für Sonnenstrom entstanden ist. Die Verheißungen der Betreiber nennt er "Marketing-Lüge".
Die Firma Münch Energie aus Rugendorf und die Stadt Kulmbach mit den Stadtwerken gründeten die Neue Energie Kulmbach GmbH & Co. KG. Sie ist zugleich Eigentümer und Betreiber der Freiflächenanlage in Grafendobrach. Die komplette Investitionssumme beläuft sich auf rund 15 Millionen Euro, die Anlage hat eine Ausdehnung von zwölf Hektar.


Wenn die Sonne über Grafendobrach aufgeht, spiegelt sie sich mittlerweile vielfach. Der Grund sind Hunderte Solarmodule, die sich über eine Fläche von zwölf Hektar spannen. Anfang April soll mittels der Kraft des Zentralgestirns hier Strom gemacht werden - für die Bürger und die Region. Prognostiziert als Jahresleistung sind etwa 20 Millionen Kilowattstunden - umgerechnet mehr als zehn Prozent der Gesamtstromverbrauchsmenge im Stadtgebiet, wobei dies alle Haushaltskunden plus Gewerbe und Industrie einschließt, heißt es unter anderem im Prospekt der Stadtwerke.

"Fakten statt Werbung"

Nicht bei allen herrscht beim Anblick der Anlage eitel Sonnenschein. Ein Grafendobracher Bürger - nennen wir ihn Hans-Peter Schafmeister (Name geändert) - hat sich aufgrund der jüngsten Berichterstattung über die Anlage und des Grundsatzbeschlusses im Stadtrat, solche Projekte angesichts einer dezentralen Versorgung prinzipiell zu ermöglichen und zu forcieren, an die BR gewandt und dabei aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht. "Ich bin wahrlich kein Gegner von erneuerbaren Energien, und mir geht es auch nicht darum, Stimmung gegen Photovoltaik zu machen, weil ich diese Art der Energieerzeugung selber durchaus befürworte", sagt er und fügt hinzu: "Aber ich will den Werbebehauptungen der Beteiligten einige Fakten entgegenstellen und damit nicht zuletzt erreichen, dass für andere Projekte eine Verbesserung in der realen Umsetzung erreicht wird."

Was diese Fakten sind aus seiner Sicht? Eine angebliche Unwahrheit seitens der Betreiber, der "Neue Energie Kulmbach GmbH & Co. KG.", betreffe die avisierte Leistung: Hier spricht Schafmeister von einer simplen Marketing-Lüge. "In der Realität kann die Anlage weder in der Nacht noch bei Schneebedeckung und trübem Herbstwinterwetter wie behauptet 20 000 Bürger und schon gar nicht 20 000 Haushalte - dafür rechnen Statistiker drei Personen, also 60 000 Menschen - versorgen. Es fehlt schlicht an der nötigen Lichteinstrahlung und noch dazu an Speicherleistung, um den ,Sommerstrom' für den Nacht- sowie den Winterverbrauch zu konservieren."

Keine Rücksicht auf die Natur?

Was den Einheimischen außerdem stört: Es werde mit Umweltschutzaspekten argumentiert - doch auf der Baustelle sei davon nichts zu sehen. Die Behauptung der Stadtwerke und der Firma Münch, es werde Rücksicht auf die Natur und die Anwohner genommen, sei Augenwischerei. "Sechs Tage die Woche, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, wurde bis kurz vor Weihnachten auf dem Areal gearbeitet. Monatelang war das Klopfen weithin zu hören, wenn die Stahlprofile in den Boden gerammt wurden." Aber das sei nicht alles. Müll und sogar Exkremente hätten sich auf den angrenzenden Flächen befunden, Wege seien zerstört worden und bestünden nur noch aus einer 20 Zentimeter hohen Schlammschicht. Es seien immer wieder Straßen und Zufahrten blockiert und gesperrt worden, weil die ausführenden Firmen und Subunternehmen diese Wege als Parkplatz, Ladefläche, Lagerplatz und ähnliches benutzten. "All das ohne vorherige Info und Absprache mit den Anliegern", moniert Schafmeister. Dabei sei trotz der nassen Witterung keinerlei Rücksicht auf den Boden genommen worden, was Verdichtung oder Erosion angeht.

Keine Rücksicht sei auch auf die ausführenden Arbeiter genommen worden, sagt der Anwohner. "Den Großteil der Arbeit auf der Grafendobracher wie auch schon bei den weiteren, in der Nähe befindlichen Baustellen Gössersdorf, Feldbuch und Poppenholz haben viele osteuropäische Arbeiter geleistet. Die sind früh vor Sonnenaufgang in Bussen angereist und nach Sonnenuntergang wieder abgefahren worden. Sollten sich Politiker wirklich damit schmücken, diese Menschen so auszubeuten?" Der Grafendobracher bekundet, er sei nicht allein mit seiner Kritik. "Ich habe unter anderem einen treuen SPD-Anhänger getroffen. Nachdem ich ihm gezeigt habe, welches Bild die Baustelle und die Umgebung abgeben und was mit den osteuropäischen Arbeitern geschieht, war er wütend auf seine Parteigenossen, die für dieses Projekt gestimmt haben."

Das sagen die Stadtwerke und die Firma Münch Energie

Überrascht von den oben genannten Vorwürfen zeigen sich die Beteiligten der "Neue Energie Kulmbach GmbH & Co. KG". Diese setzt sich zusammen aus der Firma Münch Energie aus Rugendorf und der Stadt Kulmbach mit den Stadtwerken, vertreten durch Mario Münch sowie Werkleiter Stephan Pröschold. Die Gesellschaft ist zugleich Eigentümer und Betreiber der Freiflächenanlage in Grafendobrach. Die Münch Kraftwerke GmbH halten 49 Prozent, die Stadtwerke 51 Prozent.

Die Gesellschaft nimmt wie folgt Stellung zur Kritik:

Punkt 1: die Berechnung der Einspeiseleistung

"Für eine solche Rechnung werden allgemeingültige Standardlastprofile herangezogen, die eine gute Abschätzung des Durchschnittsverbrauchs von Haushalten und Personen ermöglichen. Die Anlage ist real in der Lage, mit der jährlich produzierten Energiemenge von etwa 20 Gigawatt Stunden rund 6450 Haushalte und somit etwa 20000 Bürger verlässlich mit Strom zu versorgen. Weiter eröffnet unsere Anlage neue Chancen zum Ausbau von Speichertechnologien wie Wasserstoff oder Batterien. Diese werden in den kommen Jahrzehnten zunehmend zum Einsatz kommen, um Zeiträume mit geringerer Einstrahlung direkt lokal auszugleichen. Auf diesem Weg kann dann die Region dauerhaft von dem grünen und günstigen Strom profitieren."

Punkt 2: die angeblichen Missstände beim Bau

"Wir bedauern sehr, dass entlang der Bautätigkeit ein solcher Eindruck entstanden ist. Es liegt natürlich in der Natur eines solchen Projekts, dass dessen Entstehung mit Geräusch und Baustellenverkehr einher geht. Uns war es wichtig, vor Baubeginn alle Anwohner transparent bei einer Bürgerversammlung zu informieren. Des Weiteren treffen wir viele Vorkehrungen, um die Auswirkungen auf Menschen und Umwelt so gering wie möglich zu halten. Wenn dies hier punktuell anders wahrgenommen wurde, möchten wir uns dafür entschuldigen. Wir hatten für derartige Anliegen immer ein offenes Ohr und uns bemüht, sofort zu reagieren und die Belästigungen so gering wie möglich zu halten. Es sind aber tatsächlich kaum Beschwerden an uns heran getragen worden.

Dass sich nach anhaltenden Regenfällen Schlamm bildet, ist unvermeidlich und stellt auch bei allen Bautätigkeiten dieser Art eine Herausforderung für Menschen und Maschinen dar. Deswegen werden alle Handlungen auf diesem Untergrund allein schon aus Sicherheitsaspekten mit äußerster Umsicht vollzogen. Hier wird darauf geachtet, nach Abschluss der Arbeiten den Ausgangszustand wiederherzustellen. Eine Belastung durch Müll wurde uns nicht gemeldet und bei regelmäßigen Kontrollgängen auch nicht festgestellt.

Zudem ist, anders als bei allen anderen herkömmlichen Kraftwerken, die Bauzeit einer PV-Anlage mit Abstand am kürzesten und man kann sich nach Inbetriebnahme auf einen nahezu geräusch- und emissionslosen Betrieb freuen. Weiter wird die Fläche unter der Anlage für viele Jahre zu einem biologisch hochwertigen Rückzugsort für Pflanzen und Tiere. Der Boden wird sich kurzfristig nicht nur erholen, sondern zu einem ökologisch und landwirtschaftlich wertvollen Habitat heranreifen."

•Punkt 3: die angeblich fragwürdige Vergabe der Arbeiten

"Diese Behauptung können wir nicht nachvollziehen. Ein Bauprojekt dieser Größenordnung verschafft vielen Menschen solide Arbeit, seien es Fachkräfte oder Helfer. Ohne die Mitarbeitenden aus vielen anderen Ländern wären Bauprojekte dieser Art in Deutschland kaum mehr zu realisieren. Unsere Gesellschaft arbeitet ausschließlich mit bewährten Partnerfirmen unter Beachtung aller Sozialstandards zusammen. Die Entlohnung ist durchgängig fair und orientiert sich an den vorliegenden Tätigkeiten und Qualifikationen, aber niemals an der Herkunft. Eine Tätigkeit im Bau von Solaranlagen qualifiziert langfristig alle daran Mitwirkenden für weitere Arbeitseinsätze in einer Zukunftsbranche. Zudem wird der günstige und regional produzierte Strom den Unternehmen und Bewohnern zugutekommen und eine höhere Preissicherheit geben. Dies steigert kurzfristig die Attraktivität der Region und sorgt für Standortsicherheit sowie mittelfristig sogar für Neuansiedlungen, was ebenfalls einen erhöhten Bedarf für Arbeitskräfte mit sich zieht."

Abschließend betonen die Vertreter, dass sich bisher kein Anwohner mit entsprechenden Hinweisen gemeldet habe. "Alles in allem möchten wir die Bürger ermuntern, bei baubedingten Vorkommnissen zu uns Kontakt aufzunehmen. Wir werden uns dann des Themas direkt annehmen."red