Prozess in Kulmbach mit der Frage: Döner oder Drehspieß?
Autor: Stephan-Herbert Fuchs
Kulmbach, Donnerstag, 01. Oktober 2015
Ein Imbissbetreiber verkaufte Produkte unter einer irreführenden Bezeichnung. Das brachte den Mann vor das Kulmbacher Amtsgericht. Er wurde zu einer Geldstrafe verurteilt.
Döner ist nicht gleich Drehspieß und Drehspieß ist nicht gleich Döner. Wer das bisher gedacht hatte, der musste sich in einer Verhandlung vor dem Amtsgericht eines Besseren belehren lassen. Angeklagt war ein 36-jähriger Imbissbetreiber. Er hatte immer wieder mit dem Begriff Döner für seine Drehspieße geworben, obwohl das Produkt laut Lebensmittelgesetz eine Hackfleischzubereitung mit Sojaeiweiß, Geschmacksverstärkern und allerhand anderen Zutaten war, die so nicht hineingehörten.
Schon Anfang 2014 hatte der Imbissbesitzer deshalb Ärger mit der Lebensmittelüberwachung des Landratsamts. Ein Verfahren wurde damals gegen eine Geldauflage eingestellt, der Mann gelobte Besserung. Doch eine erneute Kontrolle im Oktober 2014 ergab, dass der Mann immer noch den gleichen Drehspieß unter der Bezeichnung Döner verkauft. Dafür gab es jetzt eine Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen zu jeweils 30 Euro (2100 Euro) wegen des "in den Verkehr Bringens von Lebensmitteln unter irreführender Bezeichnung", wie es im Strafgesetzbuch umständlich heißt.
Keine Frage des Geschmacks
Sojamehl, Semmelbrösel, Paniermehl, Trinkwasser, Geschmacksverstärker, das alles war in den Fleischspießen, die der Kulmbacher verkaufte, und zwar unter der Bezeichnung Döner. Laut Lebensmittelrecht ist das unzulässig. "Das Wort Döner darf nicht auftauchen, weil es kein Döner ist", stellte Richterin Sieglinde Tettmann gleich von Anfang an klar. Richtig wäre "Hackfleisch-Drehspieß". Mehrfach betonte die Richterin, dass dies nicht zwangsläufig etwas mit dem Geschmack zu tun haben müsse.
Viel billiger im Einkauf
Er verstehe jedenfalls nicht, warum er auf der Anklagebank sitze, sagte der Imbissbetreiber. Sein Verteidiger, Peter Reinel aus Kulmbach, sprach von einem reinen Deklarationsproblem. Das sah der Beamte von der Lebensmittelüberwachung des Landratsamtes ganz anders. Eine schlechte Qualität wurde als etwas Besseres ausgegeben.Während die Hackfleischzubereitung mit Sojaeiweiß und Geschmacksverstärker 3,20 bis 3,60 Euro pro Kilogramm im Einkauf kostet, komme ein "echter" Döner ohne Soja, Geschmacksverstärker, Paniermehl und Trinkwasser auf rund sieben Euro pro Kilogramm. Im Falle des Imbissbetreibers sei die Abweichung so gravierend gewesen, dass rein rechtlich ein ganz anderes Produkt verkauft wurde. Hintergrund sei beispielsweise, dass ein mit Wasser und Sojaeiweiß gestreckter Döner nicht so schnell am Spieß abtrocknet. Damit ergebe sich für den Imbissbesitzer ein erheblicher wirtschaftlicher Vorteil.
Auch ein eigens angefertigtes Gutachten der Bayerischen Landesanstalt für Lebensmittelsicherheit ergab, dass speziell diese Zusammensetzung unter anderem auch mit Phosphat, Calciumsulfat und Geschmacksverstärkern nicht für die Fleischverarbeitung zugelassen ist.
Angeklagter schimpfte
Es gehe den Beamten doch gar nichts an, was die Einkaufspreise sind, schimpfte der Imbissbesitzer vor Gericht. Seine Familie esse seit 30 Jahren die Produkte und lebe immer noch gesund. "Der Beamte ist nicht mit gutem Willen hierhergekommen, er hat mich und meine Familie beleidigt und unsere Qualität schlecht gemacht", sagte der Imbissbetreiber.Eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu jeweils 30 Euro forderte Staatsanwalt Hendryk List. Der Angeklagte habe trotz eines ersten Verfahrens den Verkauf des Drehspießes als Döner beharrlich fortgesetzt, er habe aus reinem Gewinnstreben rücksichtslos gehandelt und lasse jede Schuldeinsicht vermissen. Verteidiger Reinel sah dagegen keine bewusste Irreführung seines Mandanten, allenfalls einen fahrlässigen Deklarationsverstoß, der als Ordnungswidrigkeit zu bewerten sei. Deshalb plädierte der Rechtsanwalt auf Freispruch.
Richterin Tettmann entschied schließlich auf 70 mal 30 Euro Geldstrafe. Der Angeklagte habe ganz klar das Fleisch vom Drehspieß als Döner bezeichnet, obwohl er das nicht durfte. Das habe der Angeklagte auch ganz genau gewusst, weshalb das Gericht keinen Zweifel am Vorsatz habe. In der Urteilsbegründung sagte Tettmann noch einmal: "Wir gehen davon aus, dass das Produkt deshalb nicht schlecht ist. Es sei halt eben kein Döner."
Richtlinie: Döner ist nicht gleich Drehspieß
Fladenbrot aufschneiden, Salat rein, wahlweise Blaukraut und/oder Zwiebeln, drüber, Soße(n) dazu - und natürlich dünn geschnittenes oder geschabtes Fleisch: So sieht der normale Döner aus. Aber mit dem Fleisch hat es seine besondere Bewandtnis. Wann darf der Dönermann Döner schreiben? Und wann muss es "Drehspieß" auf der Speisekarte heißen?
Das Bundesamt für Ernährung legt in seinen Richtlinien für Fleisch und Fleischerzeugnissen fest: Bis zu 60 Prozent im verarbeiteten Rinder- oder Schweinefleisch dürfen Hackfleisch sein! (Ausnahmen sind Hühnchen- oder Putendöner, da darf nichts Gehacktes vermengt werden.) Was noch rein darf, sind höchstens Salz und Pfeffer, Eier, Öl, Milch und Joghurt.
An diese Maßgaben halten sich offenbar nicht alle Döner-Buden-Betreiber, wie auch das Verfahren gestern vor dem Kulmbacher Amtsgericht zeigt. Sie mixen Hackfleisch darunter, das mit Mehl gestreckt ist. Vermutlich aus Kostengründen, denn so halten die Verkäufer die preisliche "Schmerzgrenze" des Verbrauchers von maximal 3,50 Euro pro Portion ein. Wer aber eine solche Mischung anbietet, der muss die Ware für den Kunden klar ersichtlich als "Drehspieß" kennzeichnen und nicht fälschlicher Weise als Döner. Sonst droht eine Anzeige.
Im ursprünglichen türkischen Gericht wurde ohnehin nie Hack verwendet, sondern ausschließlich Schaf- oder Hammelfleisch. Die Beigabe von Hackfleisch sieht das Ministerium quasi als Zugeständnis an den deutschen Geschmack, ebenso wie die Vielzahl an Soßen. Auch Döner mit Geflügelfleisch ist in der anatolischen Küche unbekannt.
Nach Angaben des Bundesamts für Ernährung werden in Deutschland um die 320 Tonnen Döner pro Tag in fast 16 000 Buden verkauft.