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Preissprünge im Minutentakt: Jetzt Heizöl bunkern?


Autor: Jürgen Gärtner, Tobias Kindermann

Kulmbach, Dienstag, 08. März 2022

Der Krieg in der Ukraine macht das Öl teuer, seit einer Woche klettern die Preise auf Rekordhöhen. Wie sollen sich Verbraucher verhalten? Das sagen Experten und Händler.
Der Ukraine-Krieg treibt die Ölpreise steil nach oben. Wie sollen die Kunden nun reagieren?  Symbolbild: Patrick Pleul, dpa


Der Markt für Heizöl steht Kopf: Zwischen dem 1. und dem 8. März stieg der Preis für 100 Liter von 110,2 auf 170,3 Euro brutto (Stand Dienstag 12.19 Uhr). Der Krieg in der Ukraine hat Energie zum Spekulationsobjekt werden lassen. Diese Preise hat die Firma Tecson ermittelt. Dazu werden unterschiedliche Quellen unabhängig ausgewertet.

Leute, die mit Heizöl ihre Wohnungen warm halten, haben Sorgen: Wie hoch werden die Preise noch steigen? Kann ich mir die nächste Tankfüllung noch leisten? Wie viele Tausend Euro werden fällig, damit ich im nächsten Winter nicht frieren muss?

Hier ist guter Rat teuer. Viele Heizölhändler wollen sich nicht öffentlich äußern, wagen keine Prognosen, haben Angst, von Kunden auf ihre Aussagen festgenagelt zu werden, wenn sie in der Zeitung stehen.

Manche kaufen, manche zocken

Einer, der Auskunft gibt, ist Günter Schmiedel von Petrol Franken in Bayreuth. Lieferengpässe, so sagt er, seien derzeit nicht erkennbar. Eine klare Tendenz beim Kaufverhalten der Kunden ebenfalls nicht. "Manche kaufen. Anderen ist es zu teuer, die warten ab und setzen auf ,Hop oder Top'. Die Lage ist etwa 50/50." Im Klartext bedeutet das: Ein Teil der Kunden riskiere, später noch höhere Preise zu zahlen - oder im Vergleich zum derzeitigen Niveau zu sparen.

Wohin sich das entwickeln wird, da wagt auch Schmiedel keine Prognose. "Dazu bräuchte man eine Glaskugel." Realistisch einschätzen könne das ohnehin niemand, denn: "So eine Situation wie jetzt gab es noch nie", sagt Schmiedel, der schon über zwei Jahrzehnte in der Branche tätig ist. Lange Lieferzeiten seien zum derzeitigen Stand nicht zu verzeichnen. Ab Bestellung müssten die Kunden etwa zwei bis drei Wochen auf ihr Heizöl warten.

Oft nur kleinere Mengen geordert

"Trotz der Preissituation erleben wir aktuell eine rege Nachfrage nach Heizöl", heißt es aus der Firmenzentrale der Baywa in München. Dabei würden eher kleinere Mengen geordert: "Verbraucher, deren Tanks nur teilweise gefüllt sind, warten nicht ab und decken jetzt ihren Bedarf bis zum Ende der Heizperiode im Mai. Die zurzeit kalten Temperaturen fördern diesen Trend zusätzlich. Wir schätzen, dass die Tanks der Verbraucher etwa zu 40 bis 60 Prozent gefüllt sind."

Lieferengpässe gibt es auch bei der Baywa derzeit nicht. "Als BayWa sind wir im Einkauf sehr breit aufgestellt, zudem können wir auf Ware aus unserem eigenen Tanklager in Aschaffenburg zugreifen. Die Lieferzeiten liegen standardmäßig bei drei bis vier Wochen. Leersteher zu versorgen, ist auch schnell und kurzfristig möglich", so Pressereferentin Birgit Sigl.

"Die Preise ändern sich im 10-Minuten-Takt", sagt Claudia Deuerling von der Firma Schrepfer aus Lichtenfels. Das, was sie erlebt, bestätigen viele: Man bekommt Anrufe, ob noch Öl da ist, wie lange die Lieferzeit beträgt. Für die Bezahlung gilt der Tagespreis zum Zeitpunkt des Anrufs. Wer also mehrere Angebote abfragt und vergleichen will, zahlt am Ende vielleicht mehr, weil der Preis schon wieder gestiegen ist.

Markus Ruckdeschel von der Energieagentur Nordbayern aus Kulmbach wagt im Gegensatz zu den meisten Händlern eine Prognose: "Ich würde jedem, der nicht unbedingt Öl braucht, momentan nicht dazu raten zu kaufen. Wer über den Winter kommt, sollte diese Eskalation aussitzen." Und wenn, solle man sich nur geringe Mengen liefern. "500 bis 1000 Liter sind noch im Bereich des Alltäglichen." Trotzdem: Auch hier ist der Mehrpreis erheblich: Gegenüber dem Vorjahr zahlt man nun rund 1000 Euro mehr.

Es wäre sowieso teurer geworden

Man hätte auch ohne den Krieg in der Ukraine Probleme in diesem Jahr bekommen mit den Preisen fossiler Brennstoffe. Den ersten deutlichen Preisausschlag nach oben habe es im September vergangenen Jahres gegeben. "Da hat man das auf das Anlaufen der weltweiten Industrie nach der Corona-Krise zurückgeführt. Solche Nachfrageschübe gab es vorher aber noch nie."

Danach sei der psychologische Effekt hinzugekommen, dass die Gasspeicher leer gewesen seien. "Das erinnert ein wenig an die Toilettenpapierkrise." Der Verbraucher habe durchaus selber Einfluss, wie es laufe. Die Nähe des Krieges hätte die Entwicklung dann eskalieren lassen.

Vor allem müsse man nun den Umstieg auf regenerative Energie entschlossen angehen. "Das Diskutieren muss aufhören, es müssen Fakten geschaffen werden." Er erlebe es immer wieder, dass nur diskutiert werde: "Wir verschieben das auf den St. Nimmerleinstag." Man dürfe sich nun nicht von der Angst treiben lassen. "Wir sind dem Ganzen nicht schutzlos ausgeliefert."

"Die Sonne ist nicht teurer geworden"

Technik für Solaranlagen sei lieferbar, mittlerweile würden auch wieder Module in Deutschland gefertigt. Es gäbe eher das Problem, Handwerker für eine Montage zu finden. "Aber das ist ja nicht nur in dieser Branche so. Nur wenn ich nie etwas bestelle, ist die Wartezeit unendlich."

Zudem besitze eine Solaranlage einen großen Vorteil: "Die Sonne ist nicht teurer geworden."