Paukenschlag im Biker-Prozess: Freispruch für die Angeklagten?
Autor: Stephan-Herbert Fuchs
Bayreuth, Dienstag, 21. Juli 2015
Faustdicke Überraschung im Biker-Prozess vor dem Bayreuther Landgericht: Oberstaatsanwältin Juliane Krause hat für alle sechs Angeklagten des Motorradclubs "Grave Diggers" einen Freispruch gefordert.
Ursprünglich waren die Männer im Alter zwischen 26 und 53 Jahren aus Bayreuth, Erbendorf, Kirchenlamitz, Röslau und Thierstein wegen versuchten Totschlags angeklagt.
Opfer ist ein 51-jähriger Wunsiedler. Er wurde am Abend des 10. September 2010 derart zusammengeschlagen, dass er heute beinahe ein Krüppel ist. So jedenfalls drückte es der Nebenklägervertreter, Rechtsanwalt Wolfgang Schwemmer aus Bayreuth, aus.
An der Täterschaft der Angeklagten bestünden Zweifel, deshalb beantrage sie den Freispruch nach dem Grundsatz "In dubio pro reo" ("Im Zweifel für den Angeklagten"), sagte die Oberstaatsanwältin. Noch in der Anklageschrift war sie davon ausgegangen, dass die Männer ihr Opfer unter einem Vorwand aus dem Goldkronacher Clubheim gelockt, es mit Pfefferspray kampfunfähig gemacht und dann geschlagen und getreten hätten, auch gegen den Kopf. Der Mann hatte unter anderem einen Bruch des Halswirbels, mehrere Rippenfrakturen, viele Prellungen und Wunden erlitten. Allein wegen der Wirbelverletzung sollen mehrere schwere Operationen nötig gewesen sein.
Sie sei nach wie vor der festen Überzeugung, dass der Angriff von Mitgliedern der "Grave Diggers" durchgeführt wurde, sagte Krause. Es sei aber kein sicherer Nachweis möglich, wer von den Angeklagten genau was getan habe. Ursache dafür sei unter anderem die Tatsache, dass sämtliche Angeklagten von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatten.
Viele widersprüchliche Ausagen
Als einen weiteren Grund nannte die Oberstaatsanwältin die vielen widersprüchlichen Zeugenaussagen. Keiner der Angeklagten sei mit absoluter Sicherheit erkannt worden, und wenn, dann habe es wiederum Widersprüche gegeben. So habe beispielsweise der Sohn des Opfers einen der Angeklagten an seiner Tätowierung im Nacken wiedererkannt. Das Tattoo sei aber nachweislich erst später gestochen worden. Das Gericht hatte sogar den Tätowierer deshalb ausfindig gemacht.
Nicht nachvollziehbar sei das Motiv des Übergriffs. Angeblich soll es um einen Aufnäher gegangen sein, den das Opfer als Mitglied der "Free Easy Riders Gold City" nicht hätte tragen dürfen. "Man kann es nicht verstehen. Wie können sich erwachsene Männer nur so benehmen?", fragte die Oberstaatsanwältin. "Mutmaßlich waren die Angeklagten dabei, aber Mutmaßungen reichen vor Gericht eben nicht", so Krause.
Zu den Mutmaßungen gehört es auch, dass es nur vordergründig um den Aufnäher, hintergründig aber um Macht und um eine Frau gegangen sein soll.
Rechtsanwalt Wolfgang Schwemmer, der das Opfer als Anwalt der Nebenklage vertrat, war damit nicht einverstanden. Der Überfall habe einem Rollkommando geglichen, sagte er und räumte ein, dass die Identifizierung von Personen und deren Zuordnung zum Tatgeschehen noch so langer Zeit naturgemäß schwierig sei. Für den Anwalt stand allerdings eines fest: "Die Angeklagten waren dabei und haben sich somit schuldig gemacht." Deshalb sei sehr wohl eine Verurteilung möglich, wenn auch nicht wegen versuchten Totschlags, wohl aber wegen Beihilfehandlungen und vorsätzlichen Landfriedensbruchs. "Auch wenn nicht nachzuweisen ist, wer welchen Schlag und welchen Tritt ausgeführt hat, so wäre ein Freispruch dennoch völlig falsch", sagte Schwemmer.
Die Verteidiger bedauerten, dass der 51-jährige Wunsiedler Opfer eines Überfalls wurde, waren sich aber einig, dass ein Tatnachweis gegen ihre Mandanten nicht geführt werden könne und sie deshalb freigesprochen werden müssten. Zuvor war noch bekannt geworden, dass fünf der sechs Angeklagten nicht vorbestraft waren. Lediglich der 39-jährige Angeklagte aus Kirchenlamitz ist bereits zwei Mal wegen Drogendelikten zu Bewährungsstrafen verurteilt worden.
Urteil am Freitag
Die Verhandlung findet knapp fünf Jahre nach der Tat statt, weil es bereits einen Prozess gegen einen Teil der Angeklagten vor dem Amtsgericht gegebem hatte. Damals wurde der Prozess aber wieder ausgesetzt und an das Landgericht verwiesen. Dann fanden neue polizeiliche Ermittlungen statt und so wurden die sechs Männer angeklagt.
Das Urteil wird das Landgericht am Freitag verkünden.