Pärchen noch im Gerichtssaal festgenommen
Autor: Karl Heinz Weber
Kulmbach, Dienstag, 19. Februar 2013
Kleiner Anlass - große Wirkung. So lässt sich der Ausgang einer Gerichtsverhandlung auf den Punkt bringen, bei der ein Pärchen - der Angeklagte und seine als Zeugin aussagende Freundin - noch im Gerichtssaal verhaftet wurden, nachdem sie standhaft bei einer Falschaussage geblieben waren.
Der nicht sehr spektakuläre Grund für die Verhandlung vor dem Amtsgericht Kulmbach war der Vorwurf von Staatsanwältin Sandra Staade, der 32-jährige Angeklagte habe im September vergangenen Jahres seine 19-jährige Freundin geschlagen. Eigentlich ein Fall für die Akten, zumal die Freundin keinen Strafantrag gestellt hatte. Doch die Staatsanwaltschaft drängte aufgrund der Vorstrafen des Mannes auf ein "beschleunigtes Verfahren". Außerdem hat er inzwischen ein weiteres Strafverfahren in Hof am Hals.
Der Angeklagte, der von Rechtsanwalt Alexander Schmidtgall als Pflichtverteidiger vertreten wurde, beteuerte, dass er seine Freundin nie geschlagen habe. Sie sei wegen eines Streits ausgeflippt, er sei in Wut geraten und habe auf den Fernseher eingeschlagen. Als sie die Polizei rief, habe er die gemeinsame Wohnung in Kulmbach verlassen. Vielleicht habe er sie auch leicht geschubst, mehr sei aber nicht gewesen.
Gesicht war gerötet
Richterin Sieglinde Tettmann konfrontierte die Zeugin mit dem Ermittlungsergebnis der Polizei. Die Beamten hatten nach dem Notruf festgestellt, dass die linke Gesichtshälfte der Frau gerötet war. Außerdem war ihre Oberbekleidung zerrissen. Damals gab sie an, von ihrem Freund geschlagen worden zu sein.
Für die Richterin war klar, dass die Zeugin die Aussage mit ihrem Freund abgesprochen hatte. Er stand nämlich unter Bewährung. Die junge Frau wurde nach allen Regeln der Kunst belehrt, die Wahrheit zu sagen. Doch sie blieb bei ihrer Aussage.
Als Zeuge wurde auch der damalige Sachbearbeiter der Polizei vernommen. Ihm gegenüber hatte die Frau geäußert, mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen worden zu sein. Die Aufzeichnungen des Notrufs wurden gesichert und dürften dies bestätigen.
Die Verhandlung wurde nochmals unterbrochen, und Staatsanwältin Sandra Staade machte ihre Androhung wahr, eine Polizeistreife zur Festnahme der Zeugin anzufordern. Als die Beamten in den Sitzungssaal kamen, schien es der jungen Frau langsam zu dämmern, was auf sie zukommt. In einer erneuten Vernehmung änderte sie ihre Angaben dahin gehend ab, dass sie sich nicht mehr erinnern könne, was sie zur Polizei gesagt habe. Auf jeden Fall sei sie nicht von ihrem Freund geschlagen worden. Es war Punkt 12 Uhr, als die Staatsanwältin die Festnahme der Zeugin wegen "falscher uneidlicher Aussage" anordnete. Sie wurde von der Polizei abgeführt.
Ein heiliger Schwur
Trotz erneuter Beratung mit seinem Verteidiger blieb der Angeklagte bei seiner Fassung, nicht geschlagen zu haben, dies schwor er bei seinem letzten Wort sogar "hoch und heilig".
Es nützte ihm allerdings nicht viel, denn Richterin Tettmann schenkte seiner Aussage keinen Glauben und verurteilte ihn zu sechs Monaten Freiheitsstrafe wegen Körperverletzung ohne Bewährung. Und so führte eine zweite Streifenbesatzung der Kulmbacher Polizei den 32-Jährigen nicht lange nach seiner Freundin in Handschellen aus dem Gerichtssaal ab.