Orkan "Niklas" wütete in den Wäldern um Kulmbach
Autor: Jochen Nützel
Stadtsteinach, Donnerstag, 02. April 2015
Der Orkan warf nach ersten Schätzungen 15.000 Festmeter Holz in den Kommunal- und Privatforsten um. Gerhard Lutz von der Außenstelle Stadtsteinach des Amts für Landwirtschaft und Forsten rät im Interview, zügig aufzuarbeiten - auch des Borkenkäfers wegen.
"Niklas" gehört zu den stärksten Stürmen der vergangenen 30 Jahre - mit Toten und Schäden in Millionenhöhe. Inzwischen hat sich der Orkan verzogen. Für die Waldbesitzer heißt es jetzt: aufräumen, und das zügig. Sonst ist dem Borkenkäfer der Tisch gedeckt, warnt Gerhard Lutz. Was zu tun ist, darüber informiert der Abteilungsleiter Forst der Außenstelle Stadtsteinach des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Interview.
Herr Lutz, wie lautet die erste Schadensbilanz im Landkreis?
Nach den ersten Einschätzungen unserer Revierleiter kristallisiert sich heraus: Es dürften in unserem Zuständigkeitsgebiet rund 15 000 Festmeter am Boden liegen. Das klingt zunächst nach einer Menge Holz. Aber man muss bedenken, dass es in den Landkreisen Kulmbach und Kronach, die wir betreuen, zusammen 64 000 Hektar Wald gibt, davon allein im Kreis Kulmbach 24 000 Hektar.
Hat der Orkan großflächig gewütet?
Nein, "Niklas" hat nicht, wie "Lothar" oder zuletzt "Kyrill", Schneisen der Verwüstung geschlagen, sondern es sind eher Einzelwürfe. Der Sturm hat schrotschussartig Löcher in die Bestände gesetzt. Die Bäume sind überwiegend im Ganzen umgefallen, also samt Wurzelwerk. Manche sind auch gebrochen, da sind die Giebel abgeknickt. Unser Glück war noch, dass der Orkan nicht aus west-südwestlicher Richtung gekommen ist, sondern aus Nord und Nordost - und da stehen vor allem die Waldränder noch dichter. Das hat wahrscheinlich eine Bremswirkung entfaltet. Die Windgeschwindigkeit lag bei rund 120 Stundenkilometern.
Welche Bestände sind betroffen?
Es traf insbesondere ältere Bestände mit Bäumen ab einem Alter von etwa 50 Jahren, und da vor allem Fichten. Die sind wegen ihres Flachwurzelsystems gefährdeter als andere Arten. Es hat aber überwiegend gesunde Bäume umgeworfen. Das ist bei diesen Windgeschwindigkeiten nichts Ungewöhnliches. Es kommt auch darauf an, wo die Böen den Baum packen können. Wenn Luftverwirbelungen dazu kommen, geht es dem gesündesten Stamm an den Kragen.
Was passiert mit dem Holz?
Wenn der Stamm als Ganzes ohne Schäden daliegt, kann er ganz normal in die Verwertung gehen. So eine Fichte, die ihre 30 Meter hat, kann gut als Nutzholz verkauft werden. Die Preise sind momentan sehr gut. Und selbst bei gebrochenen Bäumen bekommt man noch einen verwertbaren Anteil raus. Alles andere an Bruch- und Schwachholz lässt sich nach der entsprechenden Trocknungszeit noch als Brennholz gebrauchen.
Wie schnell sollte das Sturmholz raus aus dem Wald?
Alle Waldbesitzer sind dringend angehalten, dieses Holz zeitnah aufzuarbeiten. Wir haben jetzt Anfang April: Sobald die Temperaturen steigen, steigt auch die Gefahr des Borkenkäfer flugs. Wir haben uns von den Kalamitäten der vergangenen drei Jahre gut erholt, die Waldbesitzer haben gut gearbeitet und die Borkenkäfergefahr ist damit merklich zurückgegangen. Da sollten wir jetzt kein Risiko eingehen und das Gewonnene aufs Spiel setzen. Hier ist jeder angesprochen, denn wenn der eine aufräumt und sein Nachbar nicht, können gefährliche Brutstätten entstehen.
Hier kommt der Begriff Waldhygiene ins Spiel: Die Waldbesitzer müssen ihre Bestände kontrollieren. Man sollte aber bei der Arbeit äußerste Vorsicht walten lassen, zumal es noch windig ist. Und: Nicht alle betroffenen Bäume liegen am Boden, manche hängen schräg in anderen drin oder sind schon angeschoben. Auch diese Stämme sollten möglichst alle entfernt werden. Zudem ist es wichtig, gerade im Privatwald, die Zäune um Jungpflanzungen zu kontrollieren. Sonst ist dem Rehwild Tür und Tor geöffnet, das sich dann ungehindert an den frischen Trieben junger Laubgehölze zu schaffen macht.
Wem die Aufarbeitung als Privatwaldbesitzer zu heikel ist: Wo kann er sich Hilfe holen?
Wir vom Amt beraten jeden kostenlos. Ferner stehen die privaten Waldbesitzervereinigungen mit Rat und Tat zur Seite. Für den Kreis Kulmbach ist es die WBV Kulmbach-Stadtsteinach sowie die WBV Hollfeld für den Raum Thurnau/Wonsees/Kasendorf. Die Vereinigungen haben die Möglichkeiten, den Einsatz von Maschinen zu bewerkstelligen. Sie können auch ausgebildete Kräfte vermitteln, wenn es darum geht, das Holz händisch aufzuarbeiten.
Ist ein solches Sturmereignis eine Gelegenheit zum Waldumbau?
Auch das. Wir müssen die Wälder betriebssicherer machen, denn die Stürme werden künftig häufiger stattfinden und heftiger ausfallen. Vor allem Monostrukturen wie eben reine Fichtenbestände sind da besonders gefährdet. Die Fichte müssen wir nicht prinzipiell verbannen, aber es ist auf eine stabile Mischung zu achten. Beim Klavier spielt man ja auch nicht nur auf den schwarzen Tasten. Wir empfehlen Laubgehölze wie Buche, Esche oder Kirsche, natürlich abgestimmt auf den Standort. Bei den Nadelgehölzen hat sich die Kiefer als sturmstabiler erwiesen, aber eben auch nicht in Monobeständen gesetzt. Als Nadelbaum zu empfehlen ist die Tanne, auch wenn sie waldbaulich anspruchsvoll ist. Sie braucht durchforstete Flächen, die viel Licht auf den Boden lassen.
Was sollten Spaziergänger derzeit im Wald beachten?
Spaziergänger sollten in den nächsten Tagen sehr, sehr vorsichtig sein und insbesondere auf hängende Bäume Obacht geben. Und sie sollten Sperrungen auf jeden Fall beachten.
Das Gespräch führte Jochen Nützel