Ohne Haftpflichtversicherung unterwegs - zum dritten Mal
Autor: Lisa Kieslinger
Kulmbach, Freitag, 02. Dezember 2016
Ein Berliner lieferte sich im April bei Marktschorgast eine Verfolgungsjagd mit der Polizei und krachte in einen Baum. Nun stand er vor dem Amtsgericht.
Für die Polizeibeamten, die am 4. April 2016 auf der A9 unterwegs waren, sollte es eigentlich eine harmlose Kontrolle werden. Doch das änderte sich schlagartig. "Vor uns ist ein Auto aus Berlin gefahren. Die gelbe Plakette hat uns angestrahlt", erzählt der Polizeibeamte aus Hof, der vor dem Amtsgericht in Kulmbach als Zeuge geladen war. Die gelbe Plakette zeigte den Beamten, dass der Tüv abgelaufen war.
Der Pkw-Fahrer sollte dem Polizeibus auf einen Parkplatz folgen. Doch das tat er nicht. Der Berliner fuhr an den Polizisten vorbei und nahm die nächste Ausfahrt auf die Staatsstraße in Richtung Marktschorgast. "Wir sind hinterhergefahren, um das Kennzeichen zu erkennen", so der Polizeibeamte. Mit 80 km/h ging es für den Flüchtenden durch Marktschorgast. Die Kurve am Ende des Marktplatzes bekam er nicht mehr. Er prallte mit seinem Auto gegen einen Baum. Schwerverletzt kam der 46-Jährige ins Krankenhaus.
Bei der Überprüfung stellte sich heraus, dass der Berliner bereits mit Haftbefehl gesucht wurde. Der Grund: Für seinen roten Renault hatte er keine Haftpflichtversicherung. Auf den vorangegangenen Strafbefehl reagierte der 46-Jährige nicht. 1000 Euro sollte er zahlen, tat dies aber nie. Insgesamt zwei Mal - 2013 und 2015 - bekam er wegen des Versicherungsverstoßes Geldstrafen auferlegt. Das verriet ein Blick in das Bundeszentralregister.
"Ich wollte einfach weg!"
Zu Beginn der Verhandlung gibt der 46-Jährige die Flucht vor der Polizei und den Versicherungsverstoß zu. Am 4. April wollte er von Berlin nach Spanien fahren. "Ich musste einfach weg", erklärt er. Wegen privater, finanzieller und beruflicher Probleme habe er keinen anderen Ausweg mehr gesehen. "Haben Sie gewusst, dass die Polizei bereits nach Ihnen sucht?", fragt Richterin Sieglinde Tettmann. Der Angeklagte nickt. Mit den Folgen des Unfalls hat der Berliner noch heute zu kämpfen. Seine Beckenfraktur heilt nur langsam. "Wenn ich mit Krücken laufe, kann ich das kompensieren. Ohne geht es nicht", sagt der Angeklagte mit gesenktem Blick. "Bei der Polizei haben Sie damals ausgesagt, dass Sie sich umbringen wollten? Nehmen Sie psychiatrische Hilfe in Anspruch?", will Staatsanwältin Verena Scragg wissen. Im Krankenhaus und kurz nach dem Unfall sei der Angeklagte bei Psychologen gewesen. Er blicke jetzt positiver ins Leben, so der 46-Jährige.
Als zweiter Zeuge sagt ein Polizeibeamter aus Stadtsteinach aus, der damals der zuständige Sachbearbeiter war. Er erzählt, dass im Auto des Angeklagten 2000 Euro in bar sichergestellt wurden. "Zur Abwendung des Haftbefehls wurden die 1000 Euro gleich einbehalten", sagt er. Das restliche Geld wurde dem 46-Jährigen abends übergeben.
Nach dem Unfall startete der Sachbearbeiter direkt einen Zeugenaufruf, ob ein Passant bei der Verfolgungsjagd durch Marktschorgast gefährdet worden war. Doch da habe sich niemand gemeldet. "Sie hatten wahnsinniges Glück. Sie hätten tot sein oder andere umfahren können", sagt Sieglinde Tettmann.
Er hat unter den Folgen zu leiden
Staatsanwältin Verena Scragg sieht den Sachverhalt der Anklage bestätigt. Negativ legt sie dem Angeklagten zur Last, dass seine Fahrtstrecke enorm lang war und er bereits zwei Mal einschlägig vorbestraft ist. Sie fordert eine Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen zu je 20 Euro. Viel Geld für den Angeklagten, der momentan mit einem Krankengeld von 24 Euro pro Tag auskommen muss.Mit dem Urteil bleibt Sieglinde Tettmann unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Sie verhängt 70 Tagessätze zu je 20 Euro. "Der Angeklagte muss jetzt noch schwer unter den Folgen des Unfalls leiden", begründet sie ihre Entscheidung. Innerhalb einer Woche könne er Berufung oder Revision einlegen. "Melden Sie sich, wenn die Staatsanwaltschaft Ihnen schreibt, sonst endet es wieder in einem Haftbefehl", warnt Tettmann.