Ohne Angst Gassi gehen
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Freitag, 27. August 2021
Hundehalter sind alarmiert, wenn Giftköderfunde gemeldet werden. Doch man kann seinen Liebling schützen. Trainerin Jasmin Ohnemüller erklärt, wie sich mit konsequentem Üben verhindern lässt, dass der Vierbeiner unterwegs alles frisst, was ihm vor die Schnauze kommt.
Die Meldung ging vor dreieinhalb Jahren bundesweit durch die Presse, sogar die Tierschutzrechtsorganisation Peta setzte eine Belohnung von 500 Euro aus. Was war passiert? Ein Unbekannter hatte auf dem Radweg zwischen Kulmbach und Mainleus einen mit Schneckenkorn präparierten Köder ausgelegt. Ein Hund nahm den Giftcocktail auf und verendete daran qualvoll (am Dienstag wurde ein ähnlicher Fund in Weismain gemeldet).
Damit dieses Schicksal anderen Vierbeinern und deren Haltern erspart bleibt, gibt die zertifizierte Hundetrainerin Jasmin Ohnemüller aus Kulmbach spezielle Anti-Giftköder-Übungseinheiten. Die 35-Jährige weiß, dass unter Hunden wahre "Staubsauger" weilen, die alles inhalieren, was sich auf ihrem Weg befindet - und damit leider auch unkontrolliert mit Gift oder Rasierklingen präparierte "Leckerli". Daher lautet das oberste Trainingsprinzip, dieses Fressverhalten nachhaltig zu ändern. "Es ist bei einem Welpen oder Junghund natürlich leichter, ein solches Verhalten von Beginn an konsequent zu unterbinden. Je älter der Hund ist, desto schwieriger wird es, weil sich bestimmte Muster bereits stark verfestigt haben können."
Pfoten weg vom Speck!
Kimba ist so ein Fall, Border-Collie-Deutscher-Pinscher-Mix, elf Jahre alt. Sobald Jasmin Ohnemüller leckere Speckwürfel auslegt, dominiert beim Fellknäuel nur noch ein Gedanke: Meins, will haben! Genau das aber soll er eben nicht denken. - Menno, dabei riecht das doch so verlockend... Die Nase rückt immer näher an den Speck. "Kimba, nein!" Das Kommando der Trainerin lässt keine Alternative zu. Geschickt dirigiert sie den Mischling um die Versuchung herum. Ein kurzer sehnsuchtsvoller Blick auf den entgangenen Happen, dann tänzelt die Hundedame weiter auf dem Weg. Geschafft.
"Fein gemacht!" Die Trainerin tätschelt Kimbas Kopf, dann gibt es eine dicke Kaustange. "Wichtig ist, dass der Hund das Nicht-Fressen als etwas absolut Positives erlebt, was dann vom Halter unbedingt belohnt werden muss." Diese Belohnung sollte das vermeintlich unschlagbare Leckerchen am Boden übertreffen. "Man muss dem Hund also buchstäblich schmackhaft machen, dass der Verzicht auf den schnellen Bissen für ihn die lohnendere Alternative darstellt. Es ist eine Art von Tauschgeschäft mit der Gewissheit für das Tier: Es kommt garantiert was Besseres nach. Das geht aber nur mit absoluter Konsequenz, und daran scheitert es oft."
Eine echte Geduldsprobe
Die höchste Weihe des Trainings ist erreicht, wenn der Vierbeiner seinem Herrchen oder Frauchen von sich aus anzeigt: Achtung, da liegt etwas am Boden, schau mal! Keine Sorge, ich nehm' nix davon. "Bis ein Hund so weit ist, können Wochen und Monate ins Land ziehen. Das kann zum echten Geduldsspiel werden, eine Sisyphusarbeit, die sich aber lohnt, denn die gewonnene Sicherheit beim Spaziergang oder Spielen im Freien wiegt das alles auf."
Und wenn der Hund noch nicht so gefestigt ist? Jasmin Ohnemüller rät zu einer gewissen Eigensicherung. Heißt im Zweifel: anleinen. "Dann ist der Aktionsradius schon mal deutlich verringert, der Gassigeher hat unmittelbarere Kontrolle und könnte im Notfall das gefährliche Stück Fleisch oder Brot noch rechtzeitig aus dem Maul holen." Wer einen Hund hat, der alles frisst, was rumliegt, sollte überlegen, mit Maulkorb nach draußen zu gehen. "Das sind aber schon die Härtemaßnahmen", sagt die Trainerin.
Übrigens: Wer als Hundehalter über einen solchen Köder stolpert, sollte ihn vorsichtig (etwa mit dem Hundekotbeutel) einsammeln und den Fund umgehend bei der Polizei melden, aber auch das Veterinäramt und den Tierschutz informieren. Es gibt zudem Apps wie "Giftköder-Radar"; auch hier sollte man den Fund kundtun, um andere zu warnen.