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Ochsentour wegen einer Infusionskur


Autor: Jochen Nützel

Stadtsteinach, Freitag, 22. April 2016

Ein Stadtsteinacher Borreliose-Patient benötigt eine Dauerbehandlung - auch am Wochenende. Dann ist sein Hausarzt aber nicht da. Was tun?
Wie weit muss ein Patient am Wochenende fahren, wenn er den ärztlichen Bereitschaftsdienst benötigt? Ein Stadtsteinacher hat nun wegen Infusionen den Weg nach Bayreuth antreten müssen. Symbolfoto: Benjamin Ulmer/dpa


Dem Zeckenbiss maß Roman Wagner (*Name geändert) zunächst keine Bedeutung bei. Tat nicht weh, die Einstichstelle war auch nicht gerötet. Dass sich der Stadtsteinacher in diesem Moment mit Borrelien infizierte, ergab erst ein Bluttest einige Wochen nach dem Vorfall. An den Folgen laboriert der 60-Jährige bis heute. Er braucht immer wieder Infusionskuren, damit sich die Symptome der Erkrankung bessern.
Die Dauer der Anwendung aber hat für den Patienten eine ungeahnte Nebenwirkung: Am Wochenende findet er keinen Arzt in seiner Nähe, der ihm die Infusion legt. Roman Wagner muss deshalb nach Bayreuth ins dortige DOK-Haus fahren, wie er sagt. Eine Tour über mehr als 50 Kilometer, für ihn nicht eben einfach zu bewältigen.

Dazu kommt: Seine Krankenkasse will für die Fahrtkosten nicht aufkommen.


Problem: Samstag und Sonntag

Roman Wagner fragt sich, warum es im Kreis Kulmbach offenbar nicht möglich sei, Menschen wie ihn auch an Samstagen und Sonntagen und wohnortnah zu behandeln. "Der Facharzt hat mir empfohlen, die über drei Wochen angeordneten Infusionen von meinem Hausarzt durchführen zu lassen. Der sagte mir: Das ist kein Problem - bis auf die Wochenenden. Dann sollte ich mit der Fachklinik in Stadtsteinach Kontakt aufnehmen." Dort bekam der Patient, wie er berichtet, die Auskunft: Die Klinik könne solche Behandlungen nicht übernehmen, weil man ansonsten zu den niedergelassenen Ärzten in Konkurrenz trete. In diesem Fall geht es auch darum, dass eine stationäre Einrichtung eine solche ambulante Untersuchung mit der Krankenversicherung nicht abrechnen kann.
So landete Roman Wagner schließlich in Bayreuth in der Spinnereistraße. Dort steht das sogenannte DOK-Haus: eine Notfallpraxis von Bayreuther Allgemeinärzten (siehe Infokasten). "Ich konnte erfahren, dass dorthin Patienten auch aus dem Raum Kulmbach und Kronach kommen." Hier stellt sich dann die Frage der Fahrtkosten sowie deren (wie erwähnt: abgelehnte) Erstattung.
Und Roman Wagner gibt noch etwas zu bedenken: "Es ist auch schon vorgekommen, dass für Patienten aus Stadtsteinach der am Wochenende zuständige Arzt im Oberland sitzt. Wenn dann Medikamente verordnet werden und die Dienst habende Apotheke in Kulmbach Bereitschaft hat, kommen schon mal weitere 50 Kilometer Fahrtstrecke zusammen." Wagner fragt sich: Wenn Ärzteverbände und Krankenkassen miteinander nicht zurechtkommen - sollte und müsste doch die Politik eingreifen, oder?


"Auf Vertragsärzte verteilen"

Diese Frage hat der Stadtsteinacher auch der CSU-Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner gestellt und ihr seinen Fall geschildert. Die Parlamentarierin, die in Berlin im Gesundheitsausschuss sitzt, antwortete Wagner nun in einem Schreiben: "In vielen Bundesländern wird der Bereitschaftsdienst derzeit auf neue Füße gestellt. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) begann bereits 2013 mit einer umfassenden Reform. Diese hat zum Ziel, flächendeckend in ganz Bayern eine ambulante medizinische Versorgung auch an Wochenenden und Feiertagen zu gewährleisten und zugleich die Dienstbelastung möglichst gleichmäßig auf die niedergelassenen Vertragsärzte zu verteilen.
Im Zuge dieser Reform wurden, so Zeulner, mehrere Pilotregionen eingerichtet, in denen Fahrzeuge mit Fahrern durch die KVB bereitgestellt werden, sowie ein System von sogenannten Pool-Ärzten aufgebaut, die bei Bedarf Dienste übernehmen können. Ein weiterer Bestandteil der Reform sei der Aufbau von Bereitschaftsdienstpraxen an Krankenhäusern. Zeulner weiter: "Das neue System des Bereitschaftsdienstes mit seinen einzelnen Bausteinen hat sich in den Pilot-Regionen bereits bewährt und soll bis Ende nächsten Jahres in ganz Bayern eingeführt werden."
Künftig werden Patienten außerhalb der üblichen Sprechzeiten und an den Feiertagen in allen Stadt- und Landkreisen eine Bereitschaftspraxis als zentrale Anlaufstelle haben. Die Praxen sollen von Patienten innerhalb von 30 Minuten erreicht werden können, der Versorgungsbereich der einzelnen Bereitschaftsdienstpraxen soll bei 25 Kilometern liegen. Mit dem neuen Krankenhaus-Strukturgesetz, das Ende 2015 im Bundestag beschlossen wurde, würden solche oder ähnliche Konzepte der Kooperation zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern in die Fläche getragen, wie Zeulner schreibt.
Was die Versorgung mit notwendigen Arzneimitteln über die Apotheken betrifft, verweist die CSU-Politikerin auf eine Gesetzesvorgabe, wonach die Kassenärztlichen Vereinigungen in einen Informationsaustausch mit den Landesapothekerkammern treten.


Hotline informiert

In Bayern finde ein solcher Informationsaustausch bereits statt: Zum einen würden die Patienten über die bundeseinheitliche Bereitschaftsdienst-Hotline der Kassenärztlichen Vereinigungen (116 117) über die jeweils diensthabende Apotheke informiert, zum anderen fänden Ärzte diese Information in ihren Computersystemen.
Trotz der angestoßenen Maßnahmen teile Zeulner die Ansicht, "dass die Versorgung mit Arzneimitteln im Bereitschaftsdienst weiter verbessert werden könnte. Gerade für Patienten im ländlichen Raum führt die derzeitige Situation unter Umständen zu langen Fahrtwegen."


Das Dok-Haus - ein Modell auch für Kulmbach?

Konzept Das DOK-Haus in der Spinnereistraße in Bayreuth ist eine Notfall-Praxis zusammengeschlossener Hausärzte aus der Wagnerstadt sowie der Region. Das Konzept sieht vor, dass die beteiligten Ärzte reihum Zusatzdienste in der Notfallpraxis versehen. Sie behandeln Erkrankungen, wenn der betreffende Hausarzt nicht erreichbar ist.

Behandlung: Zu den Behandlungsfeldern zählen die Ärzte auf der Homepage www.dokhaus.de unter anderem: Infekte, Wunden, Zecken, Schmerzen, Herz-Kreislauf-Störungen, fiebernde Kinder, Tinnitus/ Hörsturz, Allergien sowie Kontrollen im Rahmen einer Gerinnungs- oder Chemotherapie. Zur Praxisausstattung gehören EKG, Ultraschall, Infusionsplätze sowie eine Notfallausrüstung.

Öffnungszeiten: Geöffnet hat das DOK-Haus in Bayreuth wie folgt: Montag bis Freitag von 19 bis 21 Uhr; Samstag, Sonntag sowie an Feiertagen von 9 bis 12 und 18 bis 21 Uhr. Zu erreichen sind die Ärzte im DOK-Haus unter der Telefonnummer 0921/1500019. red