Nix an Büchern auszusetzen
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Dienstag, 24. Februar 2015
Was machen Sie 2015 anders? Ich möchte nicht wieder die falschen Bücher lesen. Der bibliophile Wunsch brach sich Bahn bei der Verkündigung der frohen Botschaft aus Stockholm: Man schlägt die Zeitung auf und liest "Literatur-Nobelpreis für Orhan Pamuk".
Orhan wer? Ist's jener, berühmt geworden durch sein semiautobiografisches Werk "Als der Feigenbaum Birnen trug"?
Gerade in Zeiten, in denen die Türkei mit einem Viertel ihres Halbmonds zur EU-Beitrittstür hereinscheint, ist es die Nation am Bosporus wert, dass man sich für ihre Geistesgrößen interessiert und nicht bloß ihre Geistesgrößenwahnsinnigen. Mit dem "Literarischen Quartett" wäre mir das früher nicht durchgerutscht. Aber eine Elke Heidenreich-Ranicki gibt es ja nicht mehr. Da rächt sich jetzt leider auch der juristisch erstrittene Ausstieg aus dem Buchclub.
Vielleicht versuche ich es mit einem dieser Lesezirkel, wo sie über Goethes "Faust" brüten und zu Mephistos Freveln leichtes Salzgebäck reichen. In manchen Seniorenwohnheimen wird zu Lecithin rezitiert, gibt es nachmittags zu Kaffee und Kuchen eine Dichterlesung. Ein 85-Jähriger berichtete, dass ihm seine Vorliebe für Herrentorte 17 Mal Anette von Droste-Hülshoff eingebrockt hat.
Dann lieber in Kontakt mit Büchern treten, ohne mit Menschen in Berührung zu kommen. Zauberwort "Book crossing". Da werden Bücher ausgewildert: raus aus dem Regal, wo sie ungelesen ihre Rücken krumm machen, rein in die literarische Diaspora. Die liegt in Kulmbach am Holzmarkt. Ein Schrank als Behältnis, Poesie und Belletristik in den Alltag zu integrieren. Ob da ein Orhan Pamuk lagert? Ich fürchte, bei uns haben noch zu Wenige an dieser Art von Literatur was auszusetzen.