Neustart in einem anderen Leben
Autor: Sonny Adam
Stadtsteinach, Mittwoch, 22. April 2015
Als Mohamad Azdiun und Einas Karim Edin mit ihren Kindern von Syrien nach Deutschland gekommen sind, wollten sie nur in Sicherheit sein. Jetzt hat die Familie, die in Stadtsteinach untergebracht ist, den Flüchtlingsstatus bekommen. Deshalb steht ein Ortswechsel an, der nicht ganz einfach ist.
Vater Mohamad Azdiun ist nicht zu Hause, sondern besucht in Kulmbach einen Deutschkurs. Denn nur, wenn er sich verständigen kann, hat er eine Chance, als Dreher Arbeit zu finden. Auch der große Sohn der syrischen Familie, Azdiun-Ahmed, der die neunte Klasse der Stadtsteinacher Schule besucht, ist nicht zu Hause. Er hat bereits Freundschaften geknüpft, boxt beim ATS und will, sobald er die Schule hinter sich hat, arbeiten. "Erst Schule, dann Arbeit, dann Führerschein", hat Mama Einas Karim Edin klare Vorgaben gemacht.
Die Mutter hält unterdessen in ihrem Noch-Zuhause, dem Stadtsteinacher Benefiziatenhaus, die Stellung. Dort sind die Tage allerdings gezählt. In dem denkmalgeschützten, zweigeschossigen Walmdachbau am Kirchplatz hat die Familie nach den Schrecken des Krieges eine neue Heimat gefunden. Hier konnte sie erfahren, was es heißt, in Frieden zu leben. Auch Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft haben die Azdiuns kennen gelernt.
Töchterchen Lara ist schon in Deutschland geboren. Sie ist gerade mal vier Monate alt - für sie wurde das Asylverfahren nachbeantragt. Bajan (15) büffelt deutsch, ihr zehnjähriger Bruder Muhanad kann sich schon ziemlich gut verständigen.
Doch aktuell geht es um etwas ganz anderes: Nach ihrer Flucht aus Syrien hatte die Familie nichts. Sie fand alle Einrichtungsgegenstände im Stadtsteinacher Benefiziatenhaus vor: Möblierung, Ausstattung, Teller, Besteck, Töpfe. Als Asylbewerber hat die Familie alles bekommen, was sie zum Leben gebraucht hat, inklusive Heizung und Geld für Verpflegung. Doch jetzt hat die Familie den Flüchtlingsstatus bekommen. Das bedeutet: Sie muss aus der dezentralen Asylbewerberunterkunft, als die das Benefiziatenhaus eingestuft ist, ausziehen. Und dort natürlich alle Gegenstände zurücklassen.
"Wir wollen das Benefiziatenhaus sanieren und dann wieder Asylbewerber aufnehmen", sagt Kirchenpfleger Klaus Geier. Er kümmert sich unterdessen gemeinsam mit der Familie darum, dass der Neuanfang in Kulmbach gelingt. "Wir haben eine Wohnung gefunden", sagt Geier. "Im Gasfabrikgässchen", das weiß Einas Karim Edin schon. Die Kinder freuen sich jedenfalls, dass sie künftig mitten in der Stadt leben.
110 Quadratmeter, vier Zimmer
Die Wohnung ist 110 Quadratmeter groß, hat vier Zimmer. Schon im Mai soll der Umzug stattfinden. "Ich stehe noch mit dem Jobcenter in Kontakt und bin der Familie bei den Behördengängen behilflich", sagt Kirchenpfleger Klaus Geier. Dennoch ist der Neuanfang nicht einfach. Als Asylbewerber war die syrische Familie versorgt, jetzt muss sie sich um alles selbst kümmern.
"Bei der Wohnungssuche kann man versuchen zu helfen. Natürlich gibt es bei uns die einschlägigen Anlaufadressen, und man hört sich um, ob jemand etwas Passendes weiß", kennt Diplom-Sozialpädagoge Wolf-Dieter Essig vom Caritasverband die Probleme. Doch was ist mit der Ausstattung? "Die Erstausstattung wird normal beim Jobcenter beantragt. Die machen dann Vorgaben, wie viel Geld wofür bewilligt wird", erläutert der Sozialpädagoge.
Auch Kirchenpfleger Geier hilft der Familie: "Wir haben jetzt eine Wohnzimmergarnitur. Aber wir brauchen noch eine günstige Küche." Bei der Integra in Kulmbach ist die Flüchtlingsfamilie nicht fündig geworden. "Aber es kommt dauernd was rein. Wir haben Tische und Stühle, Schreibtische, auch Couchgarnituren, die gut erhalten sind", sagt Marianne Stricker, derzufolge die Integra zurzeit sogar Teppiche oder kleine Schränkchen zu bieten hat. "Seit dem Tag der offenen Tür haben wir unheimlich viele Kleinteile, auch Geschirr."
Notwendig sind zudem Matratzen, Bettwäsche und ein Wohnzimmerschrank. Klaus Geier hofft darauf, dass es spendable Bürger gibt, die persönlich helfen wollen. Denn der Scheideweg und der Übergang in das neue Leben ist für die Azdiuns nicht einfach zu meistern. Die Familie kann sich aber glücklich schätzen, dass sie mit dem Kirchenpfleger einen rührigen und geduldigen Unterstützer an ihrer Seite hat.
Flüchtlinge und Asylbewerber - wo ist der Unterschied?
Was ist der Unterschied zwischen Flüchtlingen und Asylbewerbern? In Unkenntnis der Sachlage werden diese Begriffe oft als Synonym benutzt. Doch es gibt kleine, aber wichtige Unterschiede - rechtlich gesehen sogar verschiedene Arten von Flüchtlingen.
Flüchtlinge sind Menschen, die politisch verfolgt werden, aber auch Menschen, denen aufgrund ihrer Rasse, Religion oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe in ihrem Heimatland Gefahr droht. Dabei muss die Gefahr nicht unbedingt vom Staat ausgehen (so wäre das bei Asylberechtigten), sondern kann auch von Parteien oder Organisationen ausgehen. Flüchtlinge dürfen arbeiten.
Kontingentflüchtlinge sind Menschen aus Krisenregionen, die im Rahmen von humanitären Hilfsorganisationen in Deutschland aufgenommen werden. Das Innenministerium ordnet die Aufnahme von Kontingentflüchtlingen an. Sie haben ein Visum, sie dürfen arbeiten und bekommen sofort nach ihrer Registrierung eine Aufenthaltserlaubnis.
Asylbewerber sind alle Menschen, die nach Deutschland kommen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge prüft dann, ob der Asylantrag berechtigt ist oder nicht. Wenn ja, erhält der Asylbewerber den Flüchtlingsstatus.
Asylbewerber leben in Unterkünften und dürfen während der ersten drei Monate nicht arbeiten, danach muss die Arbeitsagentur über eine Erlaubnis entscheiden. Allerdings haben "bevorrechtigte Arbeitnehmer" - also deutsche Staatsbürger und EU-Ausländer sowie anerkannte Flüchtlinge - das Vorrecht auf Arbeit.
Im Jahr 2013 wurden 38,5 Prozent der Asylanträge abgelehnt. Die Residenzbeschränkung für Asylbewerber ist seit Anfang des Jahres weggefallen.
Asylberechtigte sind Menschen, die aufgrund politischer Repressalien Recht auf Asyl nach Paragraph 16a des Grundgesetzes haben. Wirtschaftliche Not, Armut, Bürgerkrieg oder die allgemeine Situation in einem anderen Land führen nicht zu einer Asylberechtigung. Wenn die Asylbewerber über sichere Drittländer (Italien, Polen usw.) nach Deutschland einreisen, ist es ausgeschlossen, dass sie eine Asylberechtigung bekommen. In den vergangenen zehn Jahren haben nur zwei Prozent der Asylbewerber eine Berechtigung nach Paragraph 16a des Grundrechtes bekommen.
Asylbewerber mit Duldung sind solche Bewerber, denen kein Asyl eingeräumt wird, die aber aufgrund von Krankheit, wegen fehlendem Pass oder aus ähnlichen Gründen auch aktuell nicht abgeschoben werden können. Sie bekommen dann eine Duldung.
Nach einem Jahr Wartezeit können von der Bundesrepublik geduldete Asylbewerber einer Arbeit nachgehen. Eine Duldung kann jahrelang immer wieder verlängert werden. Aktuell leben rund 86 000 Geduldete in Deutschland.