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Neuer IHK-Sprecher: "Klimapläne fordern die Wirtschaft"


Autor: Alexander Hartmann

Kulmbach, Freitag, 18. Februar 2022

Harry Weiß ist der neue Vorsitzende des Kulmbacher IHK-Gremiums. Im Interview spricht er über gewaltige Investitionen, die mit den Klimazielen der Bundesregierung auf die Unternehmen zukommen, über die Uni und den Kurs, den er einschlagen wird.
Der Weg hin zur Klimaneutralität bietet Betrieben wie dem Kasendorfer Wärmepumpenhersteller ait (Bild) Chancen, er stellt viele Betriebe aber auch vor eine große finanzielle Herausforderung, sagt der Vorsitzende des IHK-Gremiums, Harry Weiß.


Der Weg Deutschlands hin zur Klimaneutralität wird auch die heimischen Unternehmen vor gewaltige finanzielle Herausforderungen stellen. Das betont Harry Weiß, der neue Vorsitzende des IHK-Gremiums Kulmbach, der vor wenigen Tagen die Nachfolge von Michael Möschel angetreten hat. Im Interview spricht Weiß auch über die Wettbewerbsfähigkeit der Kulmbacher Wirtschaft und seine Ziele.

Herr Weiß, Ihr Vorgänger Michael Möschel hat vom "Preistreiber Staat" gesprochen, der versuche, ein weltweites Energie- und Umweltproblem über die deutschen Steuerzahler zu regeln. Sehen Sie wie er die Gefahr einer Öko-Diktatur, die für die deutsche Wirtschaft eine große Gefahr darstellt?

Harry Weiß: Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind mit der geplanten Treibhaus-Neutralität bis 2045 sehr hoch. Da ist einerseits der Wunsch der Menschen, in einer nachhaltigeren Welt zu leben. Andererseits ist der Wohlstand, den wir in Deutschland haben, vor allem aufgebaut auf der Wirtschaftsleistung der Unternehmen und Menschen. Es geht darum, einen Weg zu finden, der beides verbindet. Einerseits die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und Industrie möglichst gut zu gestalten, auch im Vergleich zum Ausland, andererseits auch einen Weg zu finden in Richtung niedrigerer Emissionswerte. Ich glaube, dass sich die aktuelle Entwicklung der starken Erhöhung von beispielsweise Rohstoffpreisen wieder ein Stück weit normalisieren wird. Trotzdem stehen die Unternehmen vor gewaltigen Investitionen, wenn das Ziel der Klima-Neutralität erreicht werden soll. Der Staat sollte hier günstige Rahmenbedingungen schaffen.

Hohe Energiekosten, Materialknappheit, Fachkräftemangel: Die Belastungen, denen Firmen ausgesetzt sind, sind gewaltig. Sehen Sie die Kulmbacher Wirtschaft für den immer härter werdenden Wettbewerb gerüstet?

Grundsätzlich sehe ich die Wirtschaft gut aufgestellt. Das ist natürlich eine sehr pauschale Aussage aufgrund der großen Heterogenität der Betriebe. Ich bin Kulmbacher und seit 40 Jahren in der Sparkasse tätig, davon seit 20 Jahren als Vorstand in Kulmbach. In dieser Zeit habe ich viele Veränderungen erlebt. Die Rahmenbedingungen haben sich gewandelt, das Kundenverhalten, das Preisgefälle zum Ausland und die Digitalisierung. Der Schlüssel für ein erfolgreiches Unternehmen liegt in meinen Augen in den Faktoren Innovationskraft, Mut zu unternehmerischen Entscheidungen und Risikobereitschaft, ständige Anpassung an Kundenbedürfnisse, aber auch Vernetzung und regionaler Austausch. Dazu kann das Industrie- und Handelsgremium sicherlich seinen Beitrag leisten.

Kulmbach hat starke Industrie- und Gewerbebetriebe, auf der anderen Seite aber auch den Handel, der mit vielen Problemen zu kämpfen hat. Wie kann das IHK -Gremium den Einzelhändlern konkret helfen?

Die Probleme, mit denen der Einzelhandel in Kulmbach wie auch in allen anderen Städten zu kämpfen hat, sind in meinen Augen grundsätzlicher Natur. Wir sehen das auch in unserer Sparkasse. Während früher jede Aktivität nur persönlich oder zumindest telefonisch erledigt werden konnte, führt die Digitalisierung dazu, dass ein Großteil aller Standardgeschäfte heute per Internet erledigt

wird. Die Corona-Krise hat diese Entwicklung verstärkt, und sie wird weiter zunehmen, da kommende Generationen ganz selbstverständlich mit den digitalen Medien umgehen. Deswegen ist es schwer, allgemeine Tipps zu geben. Ich denke, es muss gelingen, die Menschen in die Innenstadt zu locken, durch Anreize wie die direkte Ansprache oder Kundenveranstaltungen. Allerdings muss man ergänzend auch in den neuen Medien präsent sein. Aber das ist leicht gesagt, denn ein kleiner Einzelhändler hat natürlich nur begrenzte Kapazitäten. Sehr gerne wollen wir uns im Gremium auch mit diesen Themen beschäftigen.

Welche Bedeutung messen Sie dem Kaufplatz-Areal zu? Können Sie sich in der Randbebauung Handel vorstellen?

Ich halte das Kaufplatz-Areal für einen wichtigen Platz, zentral gelegen zwischen Innenstadt und "Fritz"-Gelände beziehungsweise künftig der neuen Uni. Alle Ideen, die dazu dienen, den Platz attraktiv zu gestalten, sind willkommen. Es gibt viele Trends, unter anderem die Entwicklung, mehr in den heimischen Gefilden Urlaub zu machen oder die ständig steigende Zahl der E-Bike-Nutzer. Das sind Chancen für Kulmbach und das Kaufplatz-Areal, um die Menschen in unsere Innenstadt zu locken. Für mich sollte es ein Platz der Begegnung sein, für junge Menschen, Familien und Senioren. Dazu können auch Handelsgeschäfte beitragen.

Die Uni-Fakultät wächst. Welche Bedeutung hat die universitäre Ansiedlung für Kulmbach und die Wirtschaft?

Die Ansiedlung der VII. Fakultät der Uni Bayreuth wird sich nachhaltig sehr positiv auf unsere Stadt auswirken. Die Lehrinhalte wie zum Beispiel Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit sind für die Menschheit von größter Bedeutung, wenn man sich die weltweite Bevölkerungsentwicklung anschaut. Deswegen wird in meinen Augen die siebte Fakultät auf große Akzeptanz bei Studenten stoßen. Dazu kommt, dass Kulmbach Lebensmittelstandort ist und es zwischen Betrieben und Hochschule viele Überschneidungen geben kann. Etwa in der Zusammenarbeit, in Forschungsprojekten und im Wissenstransfer. Natürlich verbinde ich das auch mit der Hoffnung, dass viele Studenten dauerhaft in Kulmbach bleiben und bei regionalen Betrieben beruflich Fuß fassen, was vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels wichtig wäre. Der zweite Aspekt ist, dass Wohnraum für die Studenten geschaffen wird. Das ist für mich ein wichtiger Punkt, weil die jungen Menschen Kulmbach beleben - mit allem was dazugehört.

Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?

Die Kulmbacher Industrie und der Handel sind sehr heterogen aufgestellt. Und es gibt viele Aufgaben, die die Betriebe angehen und auch selber meistern, wie die Digitalisierung. Die übergeordneten Interessen, die alle Mitglieder beschäftigen, wie der Fachkräftemangel, sind Themen, mit denen ich mich gerne beschäftigen möchte. Wichtig ist es, die Attraktivität des Standortes Kulmbach sichtbarer zu machen. Der Erfahrungsaustausch zwischen den Betrieben und die Diskussion mit den politischen Mandatsträgern gehören dazu. Es soll hier darum gehen, quasi als Sprachrohr der Kulmbacher Wirtschaft zu dienen. Außerdem möchte ich die Arbeit im Gremium im Sinne einer Vernetzung und eines guten Miteinanders intensivieren.

Was wollen Sie anders machen als Ihr Vorgänger?

In meinen Augen hat sich Michael Möschel über Jahrzehnte intensiv für die Kulmbacher Wirtschaft eingesetzt und sehr gute Arbeit geleistet. Das möchte ich gerne fortsetzen. Unser Wirtschaftsraum hat viele Stürme und schwierige Zeiten gut gemeistert. Ich blicke optimistisch in die Zukunft. In meinen 40 Berufsjahren habe ich gelernt, dass es immer einen Weg gibt. Rechtzeitige Anpassung an ein sich veränderndes Umfeld sowie ein ehrlicher und fairer Umgang miteinander zahlen sich langfristig aus.