Neuenmarkter Bürger fragt: War dieser Kahlschlag an der Bahnstrecke nötig?
Autor: Jochen Nützel
Neuenmarkt, Freitag, 22. Februar 2019
Martin Ammersdörfer ist fassungslos, spricht angesichts der Abholzungen entlang der "Schiefen Ebene" von Wahnsinn. Die Bahn verweist auf Sicherheitsaspekte.
Artenvielfalt - der in den vergangenen Wochen angesichts des Volksbegehrens zum Insektenschutz strapazierte Begriff klingt in den Ohren von Martin Ammersdörfer derzeit wie Hohn. Wenn der Neuenmarkter sein Grundstück verlässt, nach wenigen Metern eine kleine Anhöhe passiert und dann von der Steinernen Brücke links der Bahngleise auf die Überbleibsel von Birken, Eichen und Weiden schaut, bleibt ihm nur noch Kopfschütteln. "Einerseits diskutiert ganz Bayern über eine intakte Natur für Insekten und Vögel - und dann muss man sich das hier anschauen."
Sein Blick wandert am ausgestreckten Arm entlang und bleibt an einem Turm aufgeschichteter Stämme hängen. "Da liegt der Scheiterhaufen, also das, was übrig blieb von einer einst stolzen Baumreihe", sagt er. Und angesichts der noch stehenden Gehölze, die - ihrer Krone beraubt - in drei bis fünf Metern Höhe gekappt wurden, findet er nur ein Wort: "Marterpfähle, mehr sind das für mich nicht mehr."
Eine Frage der Sicherheit
Die Sicherheit der Strecke mache das nötig, lässt die Deutsche Bahn auf Anfrage wissen. Die Maßnahme sei rechtzeitig mit allen Beteiligten - Gemeinde und auch Unterer Naturschutzbehörde - abgesprochen worden, heißt es. "Für die Sicherheit der Zugfahrten und damit der Reisenden muss die DB nicht nur ihre Züge regelmäßig warten, sondern auch Gleise und Gleisanlagen. Dazu gehört auch, regelmäßig Pflanzen zu entfernen, damit diese mit ihren Wurzeln nicht den Schotterunterbau beeinträchtigen, ins Gleis fallen oder die Sicht auf Signale und Bahnübergänge versperren."
Im sogenannten Vegetationsmanagement der Bahn steht: Von der Gleismitte ausgehend, soll links und rechts des Bahndammes auf 6,80 Meter eine Vegetation erhalten werden, die jedoch den sicheren Betrieb nicht gefährdet. Das bedeute nicht, dass alles Grüne entfernt werden müsse; es solle sich ein stufenweiser Aufbau ergeben - von der niedrigen Brombeerhecke über den halbhohen Haselnussstrauch his hin zu Gehölzen wie Ahorn und Birke, die 15 Meter und mehr Wuchshöhe erreichen können - aber eben nicht ins Gleisbett fallen dürfen.
Irreparabler Eingriff
Martin Ammersdörfer streitet in keiner Weise ab, dass eine Bahnstrecke sicher zu sein hat - auch vor möglicherweise umstürzenden Nadel- und Laubträgern. "Es steht doch außer Frage, dass kranke Bäume, die für die Bahn eine Gefährdung darstellen würden, entfernt werden müssen. Aber dieser Eingriff geht für mich weit darüber hinaus und er lässt Spuren zurück, die nicht wieder gutzumachen sind. Bis auf die Weiden, die nachtreiben, sind alle anderen betroffenen Bäume Totholz."
Bahn hat bis 28. Februar Zeit
Zweiter Bürgermeister Alexander Wunderlich (CSU) nimmt die Sorgen der Anwohner ernst. "Ich komme selber regelmäßig hier entlang und war zunächst auch überrascht vom Anblick, der sich bietet. Ob das alles, wie vonseiten der Bahn geäußert, in wenigen Monaten wieder überwächst, kann ich mir zwar nicht vorstellen, aber mir wurde bestätigt, dass die DB im Zuge der Verkehrssicherungspflicht auf ihren Flächen entsprechend handeln kann. Und: Sie hat dafür nur bis 28. Februar Zeit. "
Diesen Zeitkorridor werde die Bahn nutzen, teilt man der BR mit. Zunächst wurde gemunkelt, dass aufgrund der Bürgerproteste ein Stopp eingelegt werde. Davon könne laut Bahnsprecher keine Rede sein; in der kommenden Woche werde die Maßnahme fortgeführt. Dass am Donnerstag und Freitag die Arbeiten ruhten, liege an einem anderen Auftrag, den die von der DB beauftragte Firma vorrangig abarbeite.