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Neue Umgehung: Melkendorf klagt über den Lärm


Autor: Alexander Hartmann

Melkendorf, Dienstag, 02. April 2019

Die Anlieger der neuen Umgehungsstraße sprechen von einer extremen Verkehrsbelastung. Sie haben Unterschriften gesammelt und fordern Schutzmaßnahmen sowie ein Tempolimit. Mit dem Thema befasst sich morgen der Stadtrat
Die Anwohner im Baugebiet am Siegberg müssen mit der neuen Umgehungsstraße leben. Und sie leiden, wie sie betonen. Die Lärmbelästigung sei groß. Foto: Alexander Hartmann


Als sie ihr Haus gebaut haben, war ihnen bewusst, dass die Umgehung kommt. "Dass die Straße aber ohne Lärmschutz und auf einem erhöhten Wall ausgeführt wird, das hatten wir nicht geahnt", sagt Ulrich Stoll, der wie viele Melkendorfer über die Lärmbelästigung klagt, die von der neuen Staatsstraße ausgeht.

Brief an die Stadt

In einem Brief, der auch an die Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat ging und von 90 Anwohnern unterzeichnet wurde, vor allem aus der alten Siedlung und dem Neubaugebiet am Siegberg, wird die Stadt aufgefordert, Lärmschutzmaßnahmen zu ergreifen, die unabdingbar seien. Schlafen könne man nachts nämlich nur mit geschlossenen Fenstern, betont Stoll und verweist darauf, "dass der Lärm jetzt von allen Seiten kommt", da nach wie vor auch die Ortsdurchfahrt viel befahren sei. Dass die Lebensqualität erheblich gesunken sei, stellt auch Pia Angermann fest, die im Flurweg wohnt. Sie fürchtet gesundheitliche Schäden ebenso wie einen Wertverlust der Anwesen. Der Lärm in den Gebäuden sei unzumutbar. Die Beeinträchtigungen, so befürchtet sie, werden noch größer werden, wenn in der Motorradsaison schwere Maschinen vorbeifahren. Angermann fürchtet auch das geplante Gewerbegebiet, "mit dem der Verkehr zunehmen wird".

Straße liegt zu hoch

Dass die im November freigegebene Straße nicht in der Senke, sondern höher als erwartet liegt, hat Susi Wiesel, die am Siegberg wohnt, als Hauptursache für den Lärm ausgemacht. "So wird der Schall weit getragen", sagt Wiesel, die sich wie viele Anlieger auch darüber wundert, dass nicht auf der kompletten Neubaustrecke, sondern nur zwischen der neuen Anschlussstelle Melkendorf-Ost und der Abzweigung nach Ober- und Unterzettlitz Flüsterasphalt verbaut worden ist. Große Wirkung hat der aber ohnehin nicht, wie Pia Angermann betont, deren Anwesen im Bereich des lärmmindernden Asphalts liegt: "Es ist bei uns trotzdem laut. Die Fenster müssen wir am Abend und in der Nacht schließen."

Eine Million für Schutzmaßnahme

Rund eine Million Euro müssten, so schätzt Ulrich Stoll, investiert werden, um wirksame Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Eine Summe, die man bei einer Investition von über 15 Millionen Euro für den Straßenbau aufbringen sollte, um den Bedürfnissen der Anwohner gerecht zu werden. Dass an den Lärmschutz nicht gedacht worden sei, könne er nicht verstehen: "Ich baue ja auch kein Haus ohne Dach."

Wall oder Wand?

Welche konkreten Maßnahmen sich die Melkendorfer vorstellen? Eine Lärmschutzwand oder einen Erdwall? "Das müssen die Experten entscheiden", sagt Ulrich Stoll, der hofft, dass Maßnahmen ergriffen werden, die Wirkung zeigen, den Blick ins Rotmaintal aber nicht gänzlich versperren. Was sich die Anwohner noch wünschen: eine Geschwindigkeitsreduzierung von 100 auf 70 Stundenkilometer, die zu einer Lärmminderung führen, zudem aber auch für mehr Sicherheit sorgen würde.

Thema im Stadtrat

Ein erstes Signal aus dem Rathaus werten die Melkendorfer positiv: Ihre Bitte, dass das Thema im Stadtrat behandelt werden soll, wird erfüllt. Schon am Donnerstag wird sich das Gremium damit befassen.

Oberbürgermeister Henry Schramm (CSU) hat Verständnis für die Anwohner: "Die Leute haben viel Geld investiert und haben jetzt eine viel befahrene Straße vor der Haustür. Ich kann nachvollziehen, dass sie fordern, dass was getan werden muss." Im Stadtrat werde über das weitere Vorgehen informiert, so Schramm, der auch das Gespräch mit der Obersten Baubehörde suchen will.

OB: "Ich bitte um etwas Geduld"

Der OB gibt zu bedenken, dass ein Wall sicherlich eine beträchtliche Höhe haben und die Sicht zumindest teilweise verbauen würde. Man müsse mit den Anwohnern abklären, was sie sich wünschen, gemeinsam nach einer sinnvollen Lösung suchen. Vielleicht, so Schramm, könnten verschiedene lärmmindernde Maßnahmen kombiniert werden. In die Planungen einbezogen werden müsse die Frage, ob eine Erweiterung des Baugebiets in Frage kommt. "Ich bitte daher um etwas Geduld."

Aussagen, die hoffnungsfroh stimmen. "Wir sind nach den positiven Signalen, die wir erhalten haben, zuversichtlich, dass kein Schnellschuss gemacht, sondern nach einer optimalen Lösung gesucht wird", sagt Susi Wiesel. Dass das Staatliche Bauamt sich bei seiner Bewertung des Lärms auf eine Beurteilung aus dem Jahr 2002 stützt (siehe "Staatliches Bauamt: Lärmschutz beachtet"), können die Melkendorfer nicht verstehen. "Der Verkehr hat doch seitdem zugenommen", sagt Pia Angermann, die nun ihre Hoffnung auf die Stadt Kulmbach setzt. Und gespannt ist, was der Stadtrat entscheidet.

Staatliches Bauamt: Lärmschutz beachtet

Dass beim Bau der Umgehung der Lärmschutz "vollumfänglich abgehandelt wurde", stellt der Leiter des Staatlichen Bauamts in Bayreuth, Kurt Schnabel, fest. In den Planfeststellungsunterlagen vom 30. August 2002 seien die Ergebnisse schalltechnischer Untersuchungen dargelegt worden. "Hierbei hat sich gezeigt, dass die gesetzlichen Grenzwerte am Tag und in der Nacht nicht überschritten werden. Im Planfeststellungsbeschluss sind deshalb keine aktiven Lärmschutzmaßnahmen entlang der 100 Meter von der Bebauung entfernten Südumgehung in Form von Wänden oder Wällen vorgesehen."

Wie Schnabel mitteilt, ist aufgrund der Forderungen der Stadt Kulmbach im Streckenabschnitt zwischen der Einmündung nach Unterzettlitz und der Anschlussstelle Melkendorf-Ost zusätzlich zu den Festlegungen im Planfeststellungsbeschluss ein lärmmindernder Belag aufgebracht worden. "Mit dem Einbau dieses Fahrbahnbelages konnte der Lärmschutz im Zuge der Ortsumgehung Melkendorf mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand wesentlich verbessert werden."

Keine gesetzliche Verpflichtung

Für weitergehende Lärmschutzmaßnahmen in Form von Wänden oder Wällen gibt es laut Schnabel keine gesetzliche Verpflichtung. Hierzu auch ein Kommentar von Alexander Hartmann

Von einer Baustelle zur nächsten

Es klingt paradox. Da haben die Melkendorfer jahrelang über die hohe Verkehrsbelastung geklagt und sich die Umgehung erkämpft, und was machen die Melkendorfer jetzt? Sie klagen über den Verkehr. Hört sich widersprüchlich an, ist es aber nicht. Denn der Ärger hat sich in Melkendorf durch das 14 Millionen Euro teure Bauprojekt nämlich nur verlagert. Während das alte Dorf (tot?)-beruhigt, durch die Rückstufung der Ortsdurchfahrt die Sicherheit gerade für die Fußgänger erhöht wurde, bekommen den Lärm jetzt viele ab, die ihr Eigenheim im Baugebiet Am Siegberg errichtet und dort bis dato ganz ruhig am Rande des Rotmaintals gelebt haben. Dabei war den Häuslebauern schon beim Spatenstich bewusst, dass ihnen die Umgehung irgendwann vor die Nase gesetzt würde. Dass die Trasse jetzt aber in Teilen fast höhengleich zum Neubaugebiet liegt und keinerlei Lärmschutzmaßnahmen ergriffen wurden, hat sie verwundert und bringt sie auf die Barrikaden.

Wie man ihnen jetzt noch helfen, die Lärmbelästigung reduzieren kann? Vermutlich durch die Schaffung eines großen Erdwalls oder einer Bretterwand, die den Melkendorfern dann aber wohl eines versperren würden: den herrlichen Blick ins Rotmaintal. Eine Frage, die sich den Anwohnern stellt? Warum hat man die neue Staatsstraße nicht in der Senke gebaut und so auch auf einen natürlichen Lärmschutz gesetzt? Auf eine Antwort darauf warten die Melkendorfer nach wie vor.

Ihr Beispiel macht übrigens eines deutlich: Wo zig Millionen Euro in riesige Straßenbauprojekte investiert werden, gibt es nach der Verkehrsfreigabe nicht nur Gewinner, sondern gleichzeitig viele Verlierer. Das haben die Menschen Am Siegberg nun leidvoll erfahren, und das werden in naher Zukunft wohl auch die Bürger in Untersteinach und Stadtsteinach zu spüren bekommen - zwei Kommunen, in denen durch gewaltige Umgehungsstraßen eine Baustelle beseitigt, damit aber eine neue geschaffen wird.

Auch in der Stadt Weismain, die sich bald dem Schwerlastverkehr öffnet, wird künftig sicherlich so mancher Bürger fluchen. Dort donnern die Lastwagen auf der Umgehungsstraße dann nämlich mehr oder weniger direkt durch das Stadtgebiet.hn