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Nepalhilfe: Kulmbacher starten ins Erdbebengebiet


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Mittwoch, 03. Juni 2015

Nach dem Erdbeben in Nepal mit fast 10.000 Toten fehlt es den Menschen vielerorts am Nötigsten. Häuser sind zerstört, Trinkwasserreservoirs knapp, Ernten vernichtet. Drei Mitglieder der Nepalhilfe Kulmbach sind nun mit Spenden aus der Heimat unterwegs ins Katastrophengebiet.
Devi Maja Subedi, ein Patenkind der Nepalhilfe Kulmbach, ist durch das Erdbeben Ende April mit ihrer Schwägerin und deren Kindern obdachlos geworden. Ein Zelt bietet nur notdürftig Schutz. Den Betroffenen will die Nepalhilfe Kulmbach unter die Arme greifen. Foto: Nepalhilfe Kulmbach


Erdbeben in Nepal - war da was? Aus der öffentlichen Wahrnehmung scheint die Katastrophe vom 25. April mit fast 10.000 Toten nahezu verdrängt. In den Diskussionen dominieren mittlerweile andere Verwerfungen, politische wie sportliche: der G7-Gipfel in Elmau oder der sogenannte Fifa-Skandal.

Für Sonja Promeuschel und ihre Mitstreiter von der Nepalhilfe Kulmbach gibt es jedoch keine Pause von der humanitären Ausnahmesituation. "Der Monsun steht vor der Tür - und die Menschen in Kathmandu und vor allem auf dem Land haben nicht einmal ein Dach über dem Kopf, um bei den bevorstehenden Regenmassen halbwegs trocken zu bleiben." Sich selbst ein Bild macht die Neuenmarkterin gerade: Vom 4. bis 14. Juni ist sie gemeinsam mit dem Vereinsschriftführer Andreas Rebhan im Erdbebengebiet.

"Leid lässt sich nicht abschätzen"

Peter Pöhlmann begleitet seine Vorstandskollegen, er wird aber noch eine Woche anhängen und sich bemühen, in den Gebieten mit der größten Zerstörung zu helfen. "Das Leid, das mich dort erwartet, lässt sich jetzt noch gar nicht abschätzen", sagt er kurz vor der Abreise. Mental sei er sehr angespannt und tieftraurig. "Aber das veranlasst mich umso mehr, meinen Beitrag zu leisten, den Menschen beizustehen."

Auch für Sonja Promeuschel wird ihre 21. Reise unters Dach der Welt sicherlich die emotional schwierigste. "Ich rechne mit dem Schlimmsten." Und nach kurzer Pause schiebt sie nach: "Ich glaube aber, dass die Wirklichkeit meine Vorstellungskraft wohl leider noch übersteigen wird." Sie hat Bilder gesehen aus Nepal: von umgestürzten Tempel-Anlagen. Von Löchern, in denen ganze Häuser verschwanden und mit ihnen die Bewohner. Schutthalden türmen sich in den Straßen auf wie nach einer Bombardierung. Trümmerlandschaften, in denen Menschen versuchen aufzuräumen und verzweifelt um Essen betteln.

"Die Preise für Lebensmittel sind explodiert. Für ein Kilo Äpfel werden umgerechnet drei Euro verlangt. Das ist der Durchschnittslohn eines Arbeiters für drei Tage", berichtet sie von den unfassbaren Zuständen. An denen die nepalesische Regierung ganz und gar nicht schuldlos sei. "So etwas wie ein Krisenmanagement gibt es nicht. Da wird auch keine Vorsorge getroffen für solche Ereignisse. In der Hauptstadt Kathmandu gibt es drei Feuerwehrautos - so viele wie wir allein in Neuenmarkt und den Ortsteilen haben."

Regierung erlässt Baustopp

Erschwert wird die Lage durch einen Verbotserlass der Regierung, die einen kompletten Baustopp bis Mitte August verhängt hat. "Eines unserer Hauptanliegen bei unserem Besuch ist es ja gerade, für die Leute dort wieder halbwegs menschenwürdigen Wohnraum zu schaffen." Zusammen mit dem Architekt, der für den Verein schon die Schule in Malekhu geplant hat, wollen die Kulmbacher Unterstützer Möglichkeiten auslosen, möglichst kostengünstige Häuser zu errichten. "Stabil wären Unterkünfte mit einem Metall-Skelettgerüst, das die Einheimischen dann mit Lehm oder Zement ausmauern. Hütten aus Bambus, mit Wellblech gedeckt, tun es auch." Hauptsache Erdbeben-sicher.

Die deutsche Bauweise der mit Spendengeldern finanzierten Tilingatar Secondery School in Kathmandu und der Shree Bageshwaree Schule in Malekhu im Bezirk Dhading hat sich bewährt. "Die beiden Gebäude haben zwar Risse, aber sie stehen solide, sind sicher und die Kinder können in den Unterricht", erzählt Sonja Promeuschel. Vielerorts sei das nicht möglich - die Schulgebäude, die diesen Namen bisweilen nicht verdienen, sind entweder komplett zerstört oder so schwer beschädigt, dass sie aus Sicherheitsgründen gesperrt wurden.

Für die Ausbesserungen an den beiden Kulmbacher Patenschulen werden dennoch rund 20.000 Euro aufgewendet werden müssen, schätzt die Neuenmarkterin. "Wir hoffen hier auf Unterstützung durch die BR-Sternstunden-Aktion. Allein aus Vereinsmitteln können wir das wohl nicht schultern."

Bei all dem Leid und der Tragik der Ereignisse erreichten die Nepalhilfe jüngst auch gute Nachrichten. "Es hat etwas gedauert, bis wir zu allen unseren Patenfamilien Kontakt hatten. Aber es gibt zum Glück keine Toten oder Schwerverletzten." 114 Patenfamilien werden durch die Spenden des Vereins unterstützt. Von den Geldern können vor allem Nahrung und sauberes Wasser beschafft werden.

Problem mit Trinkwasser

Vor allem an sauberes Wasser zu kommen, ist ein großes Problem, nicht nur für die Einheimischen, sondern auch die Delegation aus Kulmbach. Immerhin konnten mit Hilfe des Lions-Clubs fünf Aufbereitungsanlagen beschafft werden. "Und ich hoffe, dass die Trinkwasseranlage in der Schule noch ihren Dienst verrichtet." Trotzdem wird Sonja Promeuschel aus Gesundheitsgründen nur abgekochtes Wasser zum Trinken und Kochen verwenden. "Gerade bei den Wasserflaschen, die es dort zu kaufen gibt, wird oft Schindluder getrieben. Es wird nicht selten dreckiges Wasser in die Flaschen abgefüllt und der Schraubverschluss einfach wieder draufgesetzt, man erkennt das aber an dem unverschlossenen Stöpsel. Deswegen gilt: Flaschen vor dem Öffnen genau anschauen. Solches Wasser kann sonst zu schweren Darmerkrankungen führen."

Die hygienischen Rahmenbedingungen im Erdbebengebiet seien ohnehin verheerend, sagt Sonja Promeuschel. "Es gilt die Seuchengefahr zu bannen." Und auch eine Hungerkatastrophe droht der Bevölkerung: Nicht nur die Erträge der Bauern wurden zum Großteil vernichtet - auch das Saatgut ist vielerorts nicht mehr brauchbar. Deswegen gehört zu den Erstmaßnahmen der Helfer aus Kulmbach, den Landwirten Saatgut zur Verfügung zu stellen.

Das alles kostet freilich Geld. Mit der stolzen Summe von 8500 Euro, dem Erlös aus der Benefizgala Kulmbacher Künstler, fliegt die Vereinsspitze nach Nepal. Physiotherapeutin Sonja Promeuschel hat zusätzlich in ihrer Praxis gesammelt. "Normalerweise hat die Regierung die Finger auf den Spendengeldern, und da läuft nicht alles korrekt. Wir hingegen haben den Riesenvorteil, über die Summen selber verfügen zu können. Wir arbeiten alle ehrenamtlich und haben kaum Verwaltungskosten. So können wir unseren Unterstützern versichern, dass jeder Spenden-Euro tatsächlich eins zu eins bei den Bedürftigen ankommt."


Spendenkonto
Nepalhilfe Kulmbach e.V. , Stichwort "Erdbeben Nepal" .
Kontodaten: IBAN DE48771500000000110130 ; BIC: BYLADEM1KUB Sparkasse Kulmbach-Kronach

Foto-Blog aus Nepal
Unser Fotograf Matthias Hoch hat einen Hilfseinsatz in Nepal begleitet. Seine Eindrücke finden Sie in seinem Blogaus Kathmandu.