Nach Pauls Tod: Eltern fordern Konsequenzen
Autor: Alexander Hartmann
Ludwigschorgast, Freitag, 06. Mai 2022
Wie konnte Paul im Juli 2021 unbemerkt aus dem Ludwischorgaster Kindergarten gelangen? Eine Frage, die die Eltern des Zweijährigen, der auf einem Nachbargrundstück ertrunken ist, quält. Anna und Patrick Walther fordern Antworten - und strafrechtliche Konsequenzen.
Die richtigen Fragen zu finden, das ist schwergefallen. Welche Worte wählt man, wenn man einem Mann gegenübersitzt, der mit seiner Ehefrau einen Schicksalsschlag verkraften muss, vor dem sich alle Eltern fürchten. Anna und Patrick Walther (29 und 33) haben ihr einziges Kind verloren - nicht durch eine Krankheit, sondern durch ein tragisches, auch heute noch unerklärliches Unglück: Ihr Sohn Paul (2) ist am 20. Juli 2021 unbemerkt aus dem Ludwigschorgaster Kindergarten gelangt und auf dem Nachbargrundstück in einem aus einem großen Fass gefertigten Wasserbecken ertrunken.
Kein Loch im Zaun
Wie er das Freigelände der Tagesstätte verlassen konnte, warum von den Erzieherinnen niemand Paul beobachtet und aufgehalten hat? Fragen, die auch neun Monate nach dem tragischen Ereignis nicht beantwortet sind und die vermutlich unbeantwortet bleiben. Bei den polizeilichen Ermittlungen wurde kein Loch im Zaun gefunden, durch das sich Paul hätte hindurchzwängen können. Es gibt auch keine Spuren, die darauf hindeuten, dass der Zweijährige über den Zaun gestiegen ist, der, das hat die Polizei festgestellt, an einer Stelle gegenüber den geltenden Vorschriften zehn Zentimeter zu niedrig war.
"Als wäre es gestern gewesen"
Es ist die Ungewissheit, die den Eltern zusetzt, für die der Todestag allgegenwärtig ist. "Es ist, als wäre es gestern gewesen", sagt der Vater, dem es etwas leichter fällt als seiner Frau, über den großen Verlust zu sprechen. Patrick Walther trifft sich mit uns in der Kanzlei seines Kulmbacher Anwalts Andreas Piel, denn Pauls Tod ist nach wie vor auch ein Rechtsfall. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die drei Erzieherinnen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Wie der Fall ausgeht? Ob ein Strafverfahren eingeleitet wird? Die Entscheidung darüber ist auch im Mai 2022 noch nicht gefallen.
Familie wartet auf Antworten
Um das Unglück verstehen zu können, bräuchte es für die Familie Antworten. Auf die wartet das Ehepaar seit Monaten. "Ich schaue jeden Tag in den Briefkasten, ob Post von unserem Anwalt drin ist. Post, in der das Ermittlungsergebnis steht", sagt Patrick Walther. Dass die Staatsanwaltschaft noch zu keinem Ergebnis gekommen ist, ist für Pauls Vater nicht nachvollziehbar. "Wir hoffen, dass der Fall nicht zu den Akten gelegt wird. Für uns steht fest, dass es einen Schuldigen gibt", erklärt der 33-Jährige und führt an: "Paul hätte niemals aus dem Freigelände gelangen dürfen. Er ist raus gekommen, weil jemand nicht aufgepasst hat. Jemand hat einen Fehler begangen. Und das muss Konsequenzen haben."
Das sagt die Staatsanwaltschaft
Wann die Anklagebehörde ihre Ergebnisse präsentiert? Wie Leitender Oberstaatsanwalt Martin Dippold auf Anfrage mitteilt, wartet man noch auf Stellungnahmen. In drei bis vier Wochen werde verkündet, ob ein Strafverfahren eingeleitet wird oder nicht.
Hat der Träger Fehler begangen?
Andreas Piel sieht die Garanten- und Vorsorgepflicht verletzt. Für den Rechtsanwalt, der die Familie in der Nebenklage vertritt, kommt neben einer fahrlässigen Tötung auch Totschlag durch Unterlassung in Betracht. Der Jurist fordert auch Ermittlungen gegen den Träger. Er sieht drei Verstöße. Der Maschendrahtzaun sei nicht mit der geforderten Bodenbefestigung gesichert gewesen. Eigentlich, so Piel, sei zudem ein engmaschiger Zaun mit Stäben zwingend. Und drittens dürfe es nicht sein, dass die erforderliche Mindesthöhe unterschritten wird. Wie Leitender Oberstaatsanwalt Martin Dippold mitteilt, werden auch solche bautechnischen Maßnahmen überprüft.