Nach der Flucht: Ein Stück Heimat in der "Villa Zuflucht"
Autor: Alexander Hartmann
Stadtsteinach, Montag, 11. April 2022
Die Stadtsteinacherin Susanne Werner hat in ihrem Privathaus 28 Ukrainer aufgenommen - vor allem Frauen mit Kindern. Der Verein Opferhilfe kümmert sich um die Flüchtlinge, deren Sorgen groß sind.
Es nennt sich "Villa Zuflucht", das imposante Privathaus in der Stadtsteinacher Rossbachleite, das zur Herberge vieler ukrainischer Flüchtlinge geworden ist. Zehn Frauen, 14 Kinder und drei Großmütter haben dort Zuflucht gefunden. Ihnen vermittelte nicht nur die blau-gelbe Nationalflagge, die an der Garage gehisst ist, ein Stück Heimatgefühl. Es ist nicht das Stück Stoff, sondern das Miteinander der Familien, die alle das gleiche Schicksal teilen und nun als Fremde unter einem Dach leben, das Frauen wie der 44-jährigen Oksana Halt gibt.
"Wir telefonieren fast täglich"
Oksana ist aus dem umkämpften Charkiw nach Deutschland geflüchtet. Mit Schwiegermutter Julija sowie den Kindern Nika (21) und Miroslaw (14). Ehemann Eugen ist in der Ukraine geblieben, hat wie viele Zivilisten, die an der Seite der Soldaten stehen, den Kampf gegen die russische Armee aufgenommen. "Ich mache mir große Sorgen. Ich telefoniere fast täglich mit Eugen, der noch nicht an der Front ist, weil die Munition fehlt", sagt die 44-Jährige, der es wie ihren Mitbewohnerinnen geht: Die Angst, dass die Männer ums Leben kommen, ist riesengroß.
Bayreuther Fußballer hilft
Wie Oksana nach Stadtsteinach gekommen ist? Der Bayreuther Regionalligaspieler Anton Makarenko, selbst Ukrainer, ist mit ihrem Mann befreundet. Nach der abenteuerlichen Flucht mit Auto und Bahn hat Makarenko die Familie am 17. März am Lichtenfelser Bahnhof abgeholt und nach Stadtsteinach gebracht. "Es waren die Ersten, die bei uns angekommen sind", sagt Susanne Werner, die nicht nur ihr Privathaus als "Villa Zuflucht" zur Verfügung stellt, sondern auch Schriftführerin des Vereins Opferhilfe Oberfranken ist, der sich mit vielen Ehrenamtlichen um die ukrainischen Familien kümmert.
Halt und Perspektive
"Wir wollen den Geflüchteten Halt geben, ihnen eine Perspektive und die Chance bieten, trotz aller Tragik ein möglichst normales Leben zu führen", sagt Vorsitzender Alfons Hrubesch, der deutlich macht, dass der Verein auch die Kinder im Blick hat. Zwei Psychotherapeuten kümmern sich um die oft traumatisierten Jungen und Mädchen, die in ihrer Heimat den Bombenhagel erlebt haben.
Wer glaubt, aufgrund aller seelischer Wunden herrscht nur Trauer in der "Villa Zuflucht", der irrt. Es wird getratscht und gelacht, die schrecklichen Erlebnisse werden so wohl auch verdrängt. Das Miteinander gibt den Flüchtlingen Kraft. Sie leben in einer Gemeinschaft, die der einer Kommune gleicht, in der zumindest ein Stück weit Alltag herrscht. Alle sind in die Hausarbeit eingebunden. Oksana steht mit Olena und Julija an der Kochinsel. Sie bereiten den ukrainischen Eintopf Borschtsch und Maultaschen zu.