Nach dem Vanessa-Prozess: Das rät der Bayerische Jugendring
Autor: Alexander Hartmann
Kulmbach, Montag, 30. April 2018
Wer mit einer Kindergruppe ein Schwimmbad besucht, sollte im Vorfeld Einiges abklären, rät nach dem Vanessa-Prozess der Bayerische Jugendring.
Mit dem Prozess um den Tod der achtjährigen Vanessa, die 2014 im Himmelkroner Freibad ums Leben gekommen war, hat sich nun auch der Bayerische Jugendring (BJR) befasst. Dieser hat in einem Schreiben an ehrenamtliche Jugendbetreuer deutlich gemacht, wie man den Freizeitspaß in Bädern möglichst rechtssicher gestalten kann.
Nach dem Prozess am Kulmbacher Amtsgericht, bei dem die Betreuerin wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden ist, gibt die BJR-Rechtsabteilung Handlungstipps, denen auch der Kreisjugendring Kulmbach Beachtung schenkt, wie Kreisgeschäftsführer Jürgen Ziegler im Interview erklärt.
Herr Ziegler, der Bayerische Jugendring weist darauf hin, dass der Besuch eines Schwimmbades immer mit großen Gefahren verbunden ist, sich Jugendverbände durch das Urteil aber nicht verunsichern lassen sollen.
Jürgen Ziegler: Wir lassen uns nicht verunsichern. Der rechtliche Rat zeigt uns auf, wie man durch professionelles Handeln das Haftungsrisiko minimieren, die Aktivitäten möglichst rechtssicher gestalten kann.
Welche Empfehlung gibt der BJR? Wie soll beispielsweise die Einverständniserklärung der Eltern eingeholt werden?
Der Verband rät, dass Eltern eine vorformulierte, schriftliche Einverständniserklärung ausfüllen sollten. Darin sollten diese auch über die Schwimmfähigkeit des Kindes informieren: Kann es gar nicht schwimmen, kann es gut schwimmen, sehr gut schwimmen, welches Schwimmabzeichen besitzt das Kind? Das sind Fragen, die beantwortet werden müssten. Fehlt eine Angabe, wird dazu geraten, einen Schwimmtest durchzuführen. Es sei auf jeden Fall nicht ausreichend, sich auf die Aussage oder Selbsteinschätzung des Kindes zu verlassen. Auf die abgegebene Beurteilung der Eltern könnten die Verbände aber grundsätzlich vertrauen.
Wie sollte die Aufsicht im Bad erfolgen?
Beim Schwimmbadbesuch mit einer größeren Gruppe sollte vorab ein Bademeister informiert werden, damit sich der Betreiber beispielsweise durch die Aufstockung des Personals auf den Besuch vorbereiten kann. Der BJR verweist aber ausdrücklich darauf, dass der Bademeister keine Aufsichtspflicht übernimmt. Das ist Sache der Jugendleiter.
Auf was ist beim Betreuerstab zu achten?
Je nach Gruppengröße und Bad ist natürlich sicherzustellen, dass ausreichend Betreuer präsent sind. Bei deren Auswahl kommt es nicht zwingend darauf an, ob diese eine Rettungsschwimmkurs besucht haben, sondern vielmehr, ob sie in der Lage sind, im Notfall einzugreifen und retten zu können. Der BJR weist ausdrücklich darauf hin, dass es keine absoluten oder allgemein verbindlichen Vorgaben hinsichtlich des Besuchs von Rettungsschwimmkursen oder Betreuungsschlüsseln gibt. Auch das Erreichen des goldenen Rettungsschwimmabzeichens befreie letztlich nicht davon, auf den Einzelfall zu schauen und adäquat zu reagieren.
Wie sollte die Aufsicht am Becken ausschauen?
Hier lautet der juristische Rat, dass Kinder niemals allein ins Becken gehen dürfen. Um den Überblick zu haben, wird empfohlen, dass die Aufsicht auch am Rand stattfindet und nicht nur innerhalb des Beckens. Die Betreuer sollten die Aufgabenverteilung klar absprechen.
Welche Verhaltensregeln sollte man Kindern mit auf den Weg geben?
Klare Vorgaben, so etwa, dass das Becken nicht verlassen werden darf, ohne vorher Bescheid zu geben, oder dass sie es unterlassen sollen, andere Kinder zu tauchen. Wer bemerkt, dass ein Kind müde wird, beim Schwimmen Probleme hat oder gegen Regeln verstößt, könne eine Schwimmpause oder den Aufenthalt im Nichtschwimmerbecken anordnen.
Es sind doch viele Vorgaben, die man einhalten sollte, um auf der sicheren Seite zu sein. Ist da ein Freizeitspaß für einen Verband und seine Betreuer überhaupt noch möglich?
Ja, durchaus. Wenn wir uns unserer Verantwortung bewusst sind und dieser auch gerecht werden, dann ist der Spaß in der Jugendarbeit für Ehrenamtliche immer noch garantiert. Vereine, die sich in der Jugendarbeit engagieren und verunsichert sind, können sich übrigens gerne an den Kulmbacher Kreisjugendring wenden. Wir klären auf und geben Rat.
Mit dem Ferienpass ins Erlebnisbad?
Kann man im Ferienpass 2018 noch Fahrten in Erlebnisbäder anbieten? Eine Frage, die nach dem Urteil im Vanessa-Prozess auch beim Kreisjugendring heiß diskutiert wurde. Jetzt steht fest: Kinder und Jugendliche werden auch in diesem Sommer beispielsweise zum Besuch des "Palm Beach" in Stein bei Nürnberg eingeladen.
Notfall-Management
Der KRJ sei sich seine Verantwortung bewusst, die er für die Teilnehmer der Freizeitmaßnahmen wie auch für die ehrenamtlichen Betreuer habe, sagt Geschäftsführer Jürgen Ziegler. Der Sicherheitsaspekt stehe bei allen Aktivitäten im Vordergrund. Zugleich sei es wichtig, dass die Betreuer so geschult werden, dass sie ihrer Aufsichtspflicht nachkommen können und möglichst kein Haftungsrisiko eingehen. So würde ihnen beispielsweise eine Akte ausgehändigt, mit der sie eine Checkliste für das Notfall-Management erhielten.
Das Spielmobil
Wie Ziegler deutlich macht, geht es nicht nur um die Besuche von Bädern, sondern um vielfältige Aktivitäten. So auch um die Betreuung beim Spielmobil, das wieder durch den Landkreis toure. 50 bis 60 junge Leute seien da engagiert und würden eingehend vorbereitet.Beim KJR sei es sogar üblich, dass all die, die Autos des Kreisjugendrings steuern, ein Fahrsicherheitstraining absolvieren müssen. "Wir versuchen professionelle Sicherheit mit Spaß zu verbinden", betont Ziegler, nach dessen Worten Unfälle bis dato eine Seltenheit waren. In dem Vierteljahrhundert, in dem er nun schon dabei ist, kann er sich nur an Prellungen und Schürfwunden erinnern und an einen Fall, bei dem ein Kind gestürzt ist und sich dabei Zähne ausgeschlagen hat. "Mehr ist zum Glück noch nicht passiert", so der KJR-Geschäftsführer, der hofft, dass das so bleibt.