Muss ich das wirklich alles wissen?
Autor: Katrin Geyer
Kulmbach, Sonntag, 10. November 2013
Herr H. ist nicht am Arbeitsplatz, sondern beim Arzt. Die Bandscheibe wieder mal. Frau F. und Frau M. sind ebenfalls nicht zu erreichen. Die eine macht Urlaub in Österreich, die andere hat daheim die Handwerker.
Und Herr U. ist erst am Nachmittag wieder zu sprechen. Sein Sprößling pubertiert, und der Klassenlehrer hat Herrn U. zu einem dringenden Gespräch in die Schule bestellt. Woher ich das alles weiß? Das haben mir die Kollegen von Herrn H. und den anderen am Telefon erzählt. Ich habe nicht danach gefragt. Aber immer wieder treffe ich am Telefon auf gesprächige Menschen, die mir berichten, was ich gar nicht wissen möchte. Was mich auch nichts angeht. Die Auskunft "Herr H. ist im Moment nicht da. Probieren Sie es doch am Nachmittag noch mal" hätte genügt.
Bei kleinen Kindern, ja, da kann das drollig sein, wenn sie sagen: "Die Mama kann nicht ans Telefon, die sitzt grad auf dem Klo!". Erwachsene sollten sich selbst zu einer gewissen Diskretion verpflichten.
Manchmal freilich kann auch professionelle Zurückhaltung erheiternd sein. Neulich rief ich bei einem guten Freund im Büro an. Herr A. sei "zu Tisch" wurde mir knapp von seiner Mitarbeiterin mitgeteilt . Da musste ich lachen. Ich kenne A. gut. Ich weiß, wann seine Bandscheibe zwickt und wann er Urlaub macht. Und ich weiß : Der ist nicht "zu Tisch". Der steht an einer Bude und isst Currywurst. Zwei Stück. Im ganzen Stollen. Aber das muss ich seiner Mitarbeiterin wirklich nicht erzählen.