Musikalische Liebeserklärungen auf der Geige
Autor: Sonny Adam
Stadtsteinach, Sonntag, 15. Sept. 2013
Wenn Professor Michael Grube aus Quito in Ecuador seine berühmte Amati-Geige ansetzt, ist das ein Zeremoniell der besonderen Art: Er legt die Geige an, schließt die Augen, hält inne und verschmilzt einen Augenblick tonlos mit dem Instrument.
Entrückt und wie aus einer anderen Welt entlockt er der Violine dann Töne, die nicht von dieser Welt zu sein scheinen.
Grube zaubert hauchzarte Flageolett-Töne aus dem Instrument, er schwingt sich in unglaubliche Höhen auf dass es eine Wonne ist. Manchmal lässt er die Geige so erklingen, als ob er mindestens vier Hände hätte und zwei Bögen, dann wieder zelebriert er Harmonien in unglaublicher Brillanz.
Mit den bekannten Capricen in G- Dur und f-Moll des böhmischen Kapellmeisters und Violinisten Frantisek Benda zog er bei seinem Auftritt bei Salem in Stadtsteinach die Zuhörer, die schon gespannt auf den Weltklassegeiger waren, auf Anhieb in seinen Bann. Und von Werk zu Werk schien Grube weiter über sich hinauszuwachsen.
So hatte er das berühmte Teufelslachen - die Caprice Nr. 13 - von Niccolo Paganini im Programm.
"Bisogna forte sentire per far sentire" - "Man muss selbst stark fühlen, um auch anderen diese Gefühle vermitteln zu können" - diesen Leitspruch Niccolo Paganinis hat sich Grube für sein Konzertprogramm 2013 gegeben. Und diesen Leitspruch lebte Grube.
Der Ehefrau gewidmet
Er hatte von seinem Vater eine Komposition namens "Aria für Azucena Falconi de Grube" - für Grubes Ehefrau dabei. Eine sehr zärtliche Komposition, die viel Tiefsinn, aber auch temperamentvolle und sehr harmonische Anklänge hatte. Und auch Gerhard Tracks Fantasie "in mode classico" war Grubes Ehefrau gewidmet.
Bei Verdis "Andatino mi Azucena" übertraf sich Grube selbst und war an Zärtlichkeit und Romantik kaum zu überbieten.
Absoluter Höhepunkt des Konzertes war Johann Sebastian Bachs "Chanconne d-Moll". Bach schrieb es, nachdem seine Frau verstorben und in seiner Abwesenheit beerdigt worden war.
"Das Werk ist spannungsvoll und sehr traurig, aber trotzdem zuversichtlich. Es strahlt irgendwie Gottvertrauen aus und ist auch für den Interpreten Medizin", erklärte Grube. Grube spielte bei seiner Interpretation mit den Bach'schen Harmonien, brachte aber auch die Zerrissenheit zum Ausdruck. Fast selbstständig glitt der Bogen in atemberaubender Geschwindigkeit über die Saiten.
Raritäten dabei
Professor Michael Grube hatte natürlich auch einige musikalische Raritäten in seinem Programm. So interpretierte er "Der Schmetterling kreist ums Licht", ein Werk des südamerikanischen Komponisten Heitor Vill-Lobos. Grube ein Vortrag, der mindestens so hauchzart wie ein Schmetterlingsflug war - obendrein spielte er das Werk in unglaublicher Geschwindigkeit.
Wie immer hatte Grube außerdem ein Werk von Karl-Maria Loebl, einem Wiener Komponisten, der 1942 verstorben war und dessen Kompositionen er persönlich von einem "Herrn von der österreichischen Bundesbahn" vermacht bekommen hat, im Repertoire. "Die Fuge muss man perfekt spielen, das ist das Geheimnis", erklärte Grube selbst. Er spielte in Stadtsteinach die einzige Komposition für Solo-Violine, die Fritz Kreisler jemals verfasst hat: Das Recitativo und Scherzo-Caprice Opus 6.
Vervollständigt wurde das Programm durch Arthur Honeggers sehr romantisch-duftigem "Allegretto grazioso". "Ich habe einmal gesagt, Honegger wird mehr und mehr zu meinem Lebensinhalt. Da war mein Gegenüber sehr verzweifelt", amüsierte sich Grube selbst. Doch tatsächlich ist Arthur Honegger ein sehr bekannter französisch-schweizer Komponist. Er ist sogar auf dem 20-Franken-Schein abgebildet. Mit dem Lied ohne Worte von Felix Mendelssohn-Bartholdy - zu Ehren des Salem-Gründers Gottfried Müller - und mit einem "Guten Abend, gute Nacht" verabschiedete sich Michael Grube vom Publikum. Und das war so verblüfft über die Brillanz und Virtuosität des Auftritts, dass vielen einfach die Worte fehlten.