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Mordsgeschichten in Endlosschleife


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Donnerstag, 10. Dezember 2015

Jetzt ziehe ich mir mal den Unmut der (gefühlten) Mehrheit zu und bekenne: Ich halte die Reihe "Tatort" für eine der am meisten überschätzten "Kulturleistungen", die deutsche Hirne je ersannen.
Auch das noch: "Dirty Harry" Harald Schmidt wird zum krangensteifen TV-Kriminaler! Foto: Arne Dedert/dpa


Auch ich habe Menschen im Bekanntenkreis, die es als Sakrileg empfinden, wenn sie am Sonntagabend behelligt werden. Da darf es absolut nichts Wichtigeres geben...
Absolutheitsanspruch, soso. Nichts Wichtigeres, aha. Beispiel gefällig? In den "Diskussionsforen" zu einem Fall mit Sabine Postel als Kommissarin Irgendwas und Oliver Mommsen als Hauptkommkissar Soundso wurde debat tiert, als es um Kindsmissbrauch ging: Kann eine Siebenjährige an Silikon ersticken? Oder muss es Bauschaum gewesen sein? - Ich habe nur noch auf die Anleitung gewartet.
Ich weiß: Neun Millionen Zuschauer können nicht irren. So werden die angeschlossenen Funkhäuser nicht müde, alle 3000 Serienfolgen zu wiederholen, am besten hintereinander in einer Woche. Reanimiert werden Uralt-Schinken mit Paul-Stoever-Darsteller Manfred Krug (der als Telekom-Werber selber Morddrohungen bekam) und der unausweichlichen Maria Furtwängler alias Charlotte Lindholm.

Nicht zu vergessen
Nuschel-Til Schweiger, der Keinfunkentalent-Hase in der Schnüffler-Riege. Der Franken-"Dadord" preschte in die Phalanx - und nun verunlustiert sich "Dirty Harry" Harald Schmidt. Das laute Gewieher ums neue Pferd im ARD-Mörder-Stadl: Ist es
angesichts von Klimawandel, Flüchtlingskrise und Altersarmut nicht in etwa so essenziell wie die Entscheidung, den rechten vor dem linken Schuh anzuziehen? Oder um es mit Kabarettist Matthias Tretter zu sagen: "Es ist, als würde man im dritten Stock eines lichterloh brennenden Hochhauses mit dem Hamster schimpfen, weil der die Tapete angenagt hat."