Mobile Reserven: keine Lehrer zweiter Klasse
Autor: Sonny Adam
Kulmbach, Dienstag, 08. Oktober 2013
Mobile Reserven springen immer ein, wenn in einer Schule Not am Mann ist. Die Tätigkeit ist stressiger, sagt "Reservelehrer" Werner Moritz. Schulamtsleiter Jürgen Vornbrunn freut sich, dass das Kontingent in Kulmbach gestiegen ist.
Mobile Reserven sind immer dann da, wenn andere Lehrer krank sind oder aus anderen Gründen für längere Zeit ausfallen. Sie wechseln die Jahrgangsstufen, sie wechseln die Schulen, und das oft sehr kurzfristig. Und sie sorgen damit dafür, dass Unterricht nicht einfach ersatzlos gestrichen werden muss, wenn was passiert ist.
"Was mich ein bisschen ärgert, das ist, dass mobile Reserven oft als eine Art Lehrer zweiter Klasse angesehen werden", sagt Werner Moritz. Denn eigentlich seien mobile Reserven Lehrer, die flexibel und multifunktional einsetzbar sein müssten. "Sie müssen sich auf jede Klasse, auf jede Altersstufe und auf jede Anforderung einstellen können", sagt der 62-Jährige, der in diesem Jahr selbst als mobile Reserve im Einsatz ist.
Da hat er den Koffer gepackt
Dabei ist Werner Moritz ein ganz normaler Lehrer.
In Neuenmarkt springt er für eine erkrankte Lehrerin in der vierten Klasse ein und lernt 19 neue Schüler kennen. "Die haben alle Namensschilder auf dem Tisch stehen. Die Hälfte der Namen kann ich schon, innerhalb einer Woche kenne ich eigentlich alle", sagt Moritz.
Rente mit 66
Mobile Reserve wird er nur noch dieses Jahr sein. Dann bekommt er wieder ein festes Stundenkontingent in Mainleus. "Nur im letzten halben Jahr meiner Laufbahn werde ich wieder als mobile Reserve tätig sein, das ist ja klar, sonst würde ja der ganze Unterrichtsplan zusammenbrechen", berichtet Moritz, der ausgerechnet hat, dass er im Februar 2017 mit dann fast 66 Jahren in Rente geht. "Aber ich habe ja immer politisch die Rente mit 67 vertreten, ich arbeite also auch länger", stellt er fest.
Viele Proben stehen an
Im vergangenen Jahr war er in Burghaig und hatte dort ganz normal die Klassenführung für eine dritte Klasse." Jetzt ist er für mehrere Wochen in Neuenmarkt - als Viertklasslehrer. "Ich hatte ja in meinem Leben viele dritte und vierte Klassen. Ich weiß, was im Lehrplan steht, ich weiß, was kommt, und ich kenne die Bücher", sagt Moritz, der die neue Aufgabe sorglos angehen kann. Natürlich kennt er auch die Anforderungen für den Übertritt, hat er Verständnis für die Sorgen der Eltern und für den Prüfungsstress. Denn bis zum Übertritt sind 22 Proben in den Hauptfächern zu schreiben, die er vermutlich aber nicht alle begleiten wird. Was nach den vorläufigen vier Wochen in Neuenmarkt kommt, weiß er aber noch nicht.
"Man muss flexibel sein"
"Natürlich ist die Tätigkeit als mobile Reserve stressiger. Denn man weiß nicht, wie man arbeitet. Ich kann an einer Grundschule oder einer Hauptschule eingesetzt werden, weil ich noch die alte Ausbildung habe", gibt Moritz einen Einblick in die Anforderungen. Und wenn er an einer Ganztagesschule tätig ist, dann gehört für ihn auch Nachmittagsunterricht und Mittagsaufsicht zum Aufgabengebiet. Moritz gibt zusätzlich evangelische Religion - auch in anderen Jahrgangsstufen. "Man muss als mobile Reserve sehr flexibel sein, aber man darf auch seine eigene pädagogische Ausrichtungen nicht verleugnen", schildert er die Kunst, es allen recht zu machen.
Neuenmarkt bekommt demnächst eine weitere Vertretungslehrerin für den Mittelschulbereich. Die Fachlehrerin, die für Soziales, Technik und Wirtschaft zuständig ist, ist momentan nach Marktleugast entsandt und dort die Reserve.
"Nicht der Rest der Lehrer"
Schulamtsleiter Jürgen Vonbrunn weiß, was es heißt, von Schule zu Schule zu wandern. "Ich war selber fünf Jahre mobile Reserve. Das ist nicht der ,Rest' der Lehrer, die man sonst nicht einsetzen kann oder will, sondern das sind ganz flexible Leute. Diejenigen, die ihre Ausbildung bis Anfang der achtziger abgeschlossen haben, können in Grund- und Mittelschulen eingesetzt werden, die neuen eben in dem Bereich, in dem sie ihre Ausbildung gemacht haben", erläutert er. Der Schulamtsdirekto selbst hat von all seinen Einsatzorten etwas mitgenommen - neue Erkenntnisse in Sachen Organisation, im Know-how. "Für mich war jeder neue Standort eine Bereicherung."
"Gut ausgestattet"
Auch viele junge Lehrer und Lehrerinnen, die gerade ihrer Ausbildung abgeschlossen haben, sind mobile Reserve. "In diesem Jahr sind wir gut ausgestattet. Wir haben aktuell noch eine mobile Reserve im Landkreis, die zur Verfügung steht. Im letzten Jahr waren schon zum Schuljahresanfang alle verplant." Derzeit sind im Landkreis 14 mobile Reserven an Grundschulen eingesetzt und zwei an Mittelschulen. Außerdem gibt es sechs Fachlehrer. Vonbrunn: "Das sind 445 Stunden pro Woche, die von dieser Gruppe abgedeckt wird."
Nch den ersten Schulwochen hat der Landkreis noch einmal drei Vollzeitkräfte zur Verfügung gestellt bekommen. Die werden im Mittelschulbereich eingesetzt. "Die mobilen Reserven sind Leute auf dem freien Markt, die auf der Warteliste stehen oder in Elternzeit waren. Wir greifen auch auf Realschul- oder Gymnasiallehrer zurück", erläutert der Schulamtsdirektor, der weiß, dass sich die komfortable Situation, schnell wieder ändern kann. Spätestens dann, wenn die nächste Grippewelle kommt, ist wieder Not am Mann. "Aber im Laufe des Jahres bekommen wir noch einmal ein Kontingent zugewiesen."
445 Stunden
Natürlich können die Schulämter nicht schalten und walten, wie sie wollen. In Kulmbach ist ein Kontingent von 360 Stunden für die Grund- und Mittelschulen vorgesehen. Aktuell hat man über 445 Stunden - die drei neuen Lehrer noch nicht eingerechnet. "Aber der Krankheitsstand ist auch hoch", so Vonbrunn, der hofft, dass die Schulen weiter gut über die Runden kommen.
I