Mit "Mercury" fing alles an
Autor: Stephan Stöckel
Mainroth, Mittwoch, 04. November 2015
Der Untergang der Band "Mercury", die in den 70er-Jahren ihre Fans mit Mönchskutten verstörte, war der Anfang der Gruppe "Saitenwynd". Die gibt es seit 33 Jahren. Zum Schnapszahl-Jubiläum spielen Kurt Schleicher & Co. am Samstag in der Burgkunstadter Kneipe Rösla auf - mit vielen Erinnerungen.
In den Gläsern von Richard Schmitt aus Altenkunstadt und Kurt Schleicher aus Mainroth von der Gruppe "Saitenwynd", die es sich in der Altenkunstadter Kleinkunstkneipe "Nepomuk" gemütlich gemacht haben, schäumt das Guiness. Vor den Irland-Liebhabern liegt die Bandchronik und ein alter vergilbter Zeitungsausschnitt. "Endlich mal wieder a gscheits Konzert" heißt es in der Rezension der Bayerischen Rundschau über den ersten größeren Auftritt der Gruppe im Kulmbacher Vereinshaus im Februar 1984. Während aus den Boxen aktuelle Hits ertönen, schweifen die Gedanken der Musiker zurück in die 70er- und 80er-Jahre.
Nicht ohne Grund: Die Formation feiert in diesem Jahr ein Schnapszahl-Jubiläum - ihren 33. Geburtstag. Eng mit der Geschichte der Lichtenfelser-Kulmbacher Gruppe verbunden ist ein Gebäude am Burgkunstadter Marktplatz, in dem sich einst die Kleinkunstkneipe "Nepomuk" und heute das "Rösla" befindet. Dort fanden die ersten musikalischen Gehversuche außerhalb des Geburtsorts Mainroth statt, und hier geben die Musiker nach zehn Jahren Abstinenz am Samstag um 20.30 Uhr ein Konzert.
Im Gespräch fällt jedoch zunächst der Name einer ganz anderen Band, über die es in der Chronik heißt: "Die spätere Existenz von "Saitenwynd" hängt nicht zuletzt mit dem Untergang von "Mercury" zusammen." Wie ist das zu verstehen?
"Wir waren zwar keine unmittelbare Nachfolgegruppe, aber unsere musikalischen Wurzeln lagen in dieser Kapelle", klärt Kurt Schleicher auf.
Als Gottschalk noch DJ war
Es war die Zeit als Thomas Gottschalk am Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasium in Kulmbach noch die Schulbank gedrückt und als DJ und Ansager den Grundstock für seine spätere Karriere gelegte hatte. Damals hatten sich am MGF Schülerbands wie "Black Rose" und "Imago" die Klinke in die Hand gegeben. Auferstanden aus den Ruinen dieser Combos war die Formation "Mercury". "Wir gehörten damals Mitte der 70er-Jahre neben Schlagzeuger Hansi Höppel, Keyboarder Peter Müller sowie Sänger, Gitarrist und Bassist Paul Pock, die damals alle in Mainroth wohnten, zur Stammbesetzung der Gruppe", erzählt Schleicher.
Trockeneis und Totenglocke
Beim Gedanken an einen ganz speziellen Auftritt in der Burgkunstadter Stadthalle können sich die beiden ein Lachen und ein Kopfschütteln nicht verkneifen. "Jahrzehnte vor dem gregorianischen Song-Boom wollten wir - in Mönchskutten gehüllt - die die Frau des früheren Burgkunstadter Bürgermeisters Georg Dora, Dorothea, geschneidert hatte - beim Black-Sabbath-Song ,Sabbath, Bloody Sabbath' blutgefrierenden Nervenkitzel erzeugen, unterstützt von Schwarzlicht, Trockeneisnebel und Totenglocke."Das Ergebnis war ernüchternd: In Ermangelung einer Maschine pusteten die Helfer in die mit Trockeneis gefüllten Eimer, was ihre Lungen hergaben. Den von Paul Pock gemalten Totenkopf beschreibt Schleicher wie den "spinatgrünen Kopf vom Popeye, dem Seemann, der debil ins Publikum grinst".
"Nach dieser peinlichen Show, die ein ebenso belustigtes wie verstörtes Publikum zurückgelassen hatte, waren wir gebrannte Kinder. Von solchen Shows hatten wir die Nase voll. Das mag ein Grund sein, weshalb ,Saitenwynd' ohne großes Brimborium daherkommt."
Schleicher gräbt noch eine weitere Anekdote aus seligen Mercury-Zeiten aus. Als sich Hansi Höppel und Peter Müller in Freundschaft von ihren Bandkollegen getrennt hatten, traten die beiden Mainleuser Manfred Gareis und Günther Stenglein, heute Obermeister der Zimmererinnung Kulmbach und Mainleuser Bürgermeisterkandidat, in deren Fußstapfen.
"Sauwächela" als Mitgift
Nicht nur Stenglein mit seinem handwerklichen Geschick, sondern auch Gareis brachte eine Mitgift in die Band: den Firmenlastwagen seines Vaters, der sich auf den Vertrieb von Därmen für Metzgereien spezialisiert hatte. Damit transportierte man die musikalische Ausrüstung. "Das war unser Sauwächela. Wenn wir damals mit unserem Bandbus an einem Auftrittsort aufkreuzten und die Rampe zum Entladen öffneten, setzten wir bereits vor dem Auftritt eine Duftmarke."An eine Wiederauferstehung der Gruppe "Mercury", die von "Black Sabbath" bis "Pink Floyd" alle großen Bands der 70er-Jahre interpretiert hatte, verschwenden Schleicher und Schmitt keine Gedanken. Ihre Liebe gilt inzwischen Stücken mit eigener Handschrift. Wer kennt sie nicht die fränkischen Gassenhauer zum Lachen, Mitsingen und Nachdenken, wie "Fei", "Hopperla Du Depperla" oder "Marua", die das Ensemble "Saitenwynd" zum fränkischen Kulturgut werden ließen?
Am Anfang ihrer Karriere hatte die Band überwiegend Songs in englischer Sprache zum Besten gegeben. "Mit der Zeit merkte ich, dass ich meine Botschaften im Dialekt authentischer rüberbringen kann, dass ich mich wohler fühle, wenn ich auf Fränkisch singe. Die Liebe zur irischen Musik ist aber dennoch geblieben", so Schleicher.
Norbert Freitag aus Kulmbach hatte Mitte der 80er-Jahre auf dem Marktplatz in Burgkunstadt die Kleinkunstkneipe "Nepomuk" eröffnet, und Saitenwynd sollte seine erste Hausband werden. Berüchtigt waren die Drei-Königsfrühschoppen, die oftmals von 10 bis 17 Uhr dauerten. "Das war für uns ein gutes Trainingslager für Auftritte wie dem Nürnberger Bardentreffen, bei dem das Lampenfieber etwas höher ist wie sonst." Im Anschluss an den Frühschoppen kam es oft noch zu spontanen Jam-Sessions, an denen auch der heutige Wirt des "Rösla", Stephan Herold, teilgenommen hatte.
Auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin spielen die Musiker am kommenden Samstag - an der Stätte alter Triumphe. Für die Kneipe hat Schleicher 1988 eine Liebeserklärung verfasst. Darin heißt es in breitestem Fränkisch: "Nepomuk, du bist die Krönung, taubstummer Gauner wieder flücht" ich zu Dir. Und in zwei Stunden hob ich mei Drönung."
Bild 1984_02_Saitenwynd_01: Ihren ersten Das Foto zeigt (von links) die damaligen Mainrother Hansi Höppel, Richard Schmitt und Kurt Schleicher. Foto: privat.
Bild 1984_12: Legendär waren die Frühschoppen im ehemaligen "Nepomuk" am Marktplatz, der sich heute in Altenkunstadt befindet. Richard Schmitt (links) und Kurt Schleicher spielten damals von morgens bis abends durch. Das Bild entstand 1984 im "Nepomuk". Foto: privat.
Besetzung Mercury Hans Höppel, Sa./Sonntag 25./26. Februar 1984 BR als Vorgruppe von "Geisha" stellt sich morgen Abend... siehe Foto.