Mit der Postkartenidylle ist es vorbei
Autor: Siegfried Sesselmann
Stadtsteinach, Mittwoch, 05. Juli 2017
Der Marktplatz in Stadtsteinach ist bereit für die große Feier. Von Heimeligkeit konnte hier auch früher nicht die Rede sein.
Wenn man an einem lauen Sommerabend so zwischen den geschätzt 30 geparkten Autos im Freien bei der Mali, beim Reuther, bei der Bäckerei Will oder beim Döner bei einem kühlen Getränk, einem Kaffee oder bei einem Imbiss sitzt, so wünscht man sich die beiden engen Stadttore zurück. Bereits im Jahre 1820 wurde das Kulmbacher Tor zwischen dem Sammet-Haus (Heimatmuseum) und dem 1982 abgerissenen Haus Hauptstraße 10 beseitigt. 1859 wurde auch das Kronacher Tor bei der heutigen Polizei wegen einer Straßenverbreiterung abgerissen.
Mit den beiden Toren hätten die vielen Laster, oft bis 40 Tonnen schwer, keine Chance, den Marktplatz empor und hinab zu kriechen. Oder, wenn noch die beiden Pflasterzoll-Stellen zum Marktplatz existieren würden, so könnte eine Unmenge an Maut in den Säckel der Stadt fließen. Diese Einnahmequelle schien schon weit vor 1800 zu sprudeln.
Früher zwei Zollstellen
Der Pflasterzoll wurde seit "undenklichen Zeiten" in Stadtsteinach zur Unterhaltung und Erneuerung des Stadtpflasters erhoben. Es bestanden damals zu diesem Zweck zwei Zollstellen, die eine an der Kronacher Straße gegen Zaubach und die andere an der Kulmbacher Straße gegen Untersteinach. Leider wurde diese Geldquelle 1939 abgeschafft, um "den Verkehr und den Handel nicht negativ zu beeinflussen."Als man 1911 die Hausnummern in der Stadt ad acta legte und Straßennamen einführte, erhielten die Gebäude am Marktplatz die Bezeichnung Marktplatz 1 bis 17, beginnend vom "Brigitte´s Hairlounge" mit der Nummer 1 bis zur ehemaligen Post Marktplatz 17. Auf den Ansichtskarten aus dieser Zeit erkennt man nicht nur die schmucken Häuser am Marktplatz, sondern auch eine gewisse Idylle. Der Platz erscheint geräumiger, weiter und einladender als heute.
Sicherlich könnte der heilige Christophorus, von einem Stadtsteinacher Bildhauer namens Matthäus Müller geschaffen, mehr berichten, zumal er schon seit 1711 das Leben im Herzen der Stadt beobachtet. Er könnte erzählen von den Märkten, die hier abgehalten wurden. Alle vier Wochen strömten die Bauern aus dem Umland herbei, um ihre Waren und Tiere feil zu halten.
Hier verdiente der Name Marktplatz seine wahre Bedeutung als Platz, an dem Markt abgehalten wurde. Und die vielen Feste im Jahreskreis in der Stadt, sie fanden hier statt. Zuvor mussten alle Anwohner ihre Gespanne und Wägen durch die großen Tore, die fast jedes Haus hatte, im Hinterhof verschwinden lassen.
Der 30-jährige Krieg hinterließ in Stadtsteinach tiefes Leid und Verwüstung. 1631 fielen die Schweden in Stadtsteinach ein, 1632 zog Wallenstein durch unser Gebiet, 1634 schlugen die katholischen Kaiserlichen ihr Lager hier auf, bevor sie Kulmbach plünderten und 1640 rückten die protestantischen Schweden an, während die Kaiserlichen hier lagerten, und der ganze Ort wurde niedergebrannt.
So mussten die Stadtsteinacher ihre zerstörten Holzhäuser wieder aufbauen, aber diesmal mit Steinen, die vom Bergfeld geholt wurden und so sah der Marktplatz nach 1640 wie eine einzige Baustelle aus. Mit großer Wahrscheinlichkeit entstanden Fachwerkhäuser, jedoch nur einstöckig.
Rundum Gasthäuser
Die westliche Häuserreihe des Marktplatzes brannte 1797 vom Forstamt bis zum heutigen Haus Ploner völlig ab und man entschloss sich, die Häuser nun zweistöckig mit Mansardenwohnungen in den Dachstühlen zu errichten. Ein besonders schöner Türabschlussstein am Haus Marktplatz 12 erinnert an den Wiederaufbau. "ICW 1798" verrät den Erbauer, den Gastwirt Johann Caspar Wilhelm. Die Häuser auf der östlichen Seite des Marktplatzes brannten 1864 allesamt ab, ein Großfeuer reichte vom Bezirksamt bis zum Schulhaus, das an der Staffel verdeckt stand. In den Folgejahren musste diese Reihe ebenfalls neu errichtet werden und man entschied sich nun für zweistöckige Gebäude, massiv und leider ohne Fachwerk, wie sie vor dem Brand waren.
Der Marktplatz war eh und je der Mittelpunkt der Stadt. Zuweilen waren fünf Gasthäuser hier geöffnet. Hümmer seit 1907, Reuther seit 1856, Schott (Mali) seit 1837, Bauerschmidt (Schwalbs Michl) seit 1902 und Mathes seit 1737 (ehemalige Post). In unmittelbarer Nähe des Marktplatzes konnte man die Gasthäuser Mattes (seit 1902), Hebentanz (seit 1897) und Hohner (seit 1879) besuchen.
Erwähnenswert ist auch die Apotheke der Stadt im Haus Marktplatz 3, die nachweislich von 1806 bis 2008 Salben, Heilkräuter und Medikamente verkaufte. Eine lange Tradition hatte auch die Bäckerei Schneider (Hausname Och), die seit 1767 dieses Handwerk in dem Haus Marktplatz 5 ausübte.
Das stattliche Haus Marktplatz 8, das heutige Rathaus, wurde 1876 von der damaligen Stadtgemeinde als Wohnung für den Kantor und Mesner gekauft. Im Jahre 1968 wurde es unter Verwendung alter Bauteile wieder neu aufgebaut und 1969 zog die Stadtverwaltung ein, die zuvor im Haus Kulmbacher Straße 1 eingerichtet war.
Wenn nun am Sonntag, 9. Juli, Stadtfest gefeiert wird und der Marktplatz autofreie Zone ist, können sich Besucher zurück versetzen in ein Stadtsteinach in früherer Zeit.