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Missbrauchsprozess Bayreuth: Verteidiger hat Zoff mit Zeugen


Autor: Stephan Tiroch

Kulmbach, Mittwoch, 13. Januar 2016

In dem Mammutverfahren werden Anwalt Schwenn und ein Weißer-Ring-Mitarbeiter keine Freunde mehr. Aber nun ist bekannt, dass wegen des Vorfalls mit dem roten Kleid auch ermittelt wird und ein neuer Zeuge aufgetaucht ist.
Im Missbrauchsprozess am Landgericht Bayreuth verhandelt die 1. Große Strafkammer in neuer Besetzung - von rechts: Ergänzungsrichter Reinhard Schwarz, der die Beisitzerin Susanne Vonbrunn ersetzt, Vorsitzender Richter Michael Eckstein und Beisitzer Yves Döll. Vorne Diplom-Psychologin Gabriele Drexler-Meyer aus Nürnberg, die mit der Erstellung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens beauftragt ist. Foto: Stephan Tiroch


Dieser Zeuge und Rechtsanwalt Johann Schwenn werden keine Freunde mehr. Der Verteidiger im Bayreuther Missbrauchsprozess sieht schon rot, sobald er den Namen Weißer Ring hört. Wenn der Chef der Opferschutzorganisation im Bereich Kulmbach/Kronach/Lichtenfels vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts aussagen muss, ist Zoff angesagt.


Darf man "Opfer" sagen?

Am Mittwoch stört sich Schwenn ("Können Sie das mal lassen?") am Begriff "Opfer". So bezeichnet der 70-jährige Ex-Polizist stets die vier Hauptbelastungszeuginnen, die den 71-jährigen Angeklagten der Vergewaltigung und des sexuellen Missbrauchs bezichtigen. Nach Ansicht des Anwalts handelt es sich dabei um ein Komplott der Tochter, der Ex-Frau und der zwei Enkelinnen gegen den Familienpatriarchen. Die Vorwürfe seien erfunden. Daher seien es angebliche Opfer.

In die Verschwörung eingebunden ist nach Schwenns Ansicht der Weiße-Ring-Mitarbeiter, der im Prozess "durch dauernde von Selbstüberschätzung getragene Störungen des Verfahrens" von sich reden mache. Mit der Bezeichnung "Opfer" muss der Hamburger Staranwalt allerdings leben. Denn die Kammer entscheidet: Das darf der Zeuge sagen.


Nachrüstungsbeschluss

Schwenn möchte das Motiv wissen, warum die Tochter des Angeklagten den Anwalt gewechselt hat ("eine Art Nachrüstungsbeschluss") und warum der Ex-Polizist die Hauptbelastungszeugin bei Besprechungen mit ihrem neuen Anwalt Frank K. Peter in Worms wie ein "Personenschützer" begleitet. Solche Fragen gehen dem Beistand der Nebenklägerin zu weit. "Gehört nicht zur Sache", beanstandet er. Dies sieht Vorsitzender Richter Michael Eckstein anders. Er spricht von "Umständen, die für das Verfahren von Bedeutung sein können". Und der Verteidiger feixt. Man gehe halt das Risiko ein, dass etwas erfragt wird, wenn an der vertraulichen Besprechung mit der Mandantin jemand teilnehmen darf, der kein Zeugnisverweigerungsrecht hat.

Das Motiv des Anwaltswechsels kenne er nicht, erklärt der Weiße-Ring-Mitarbeiter. Mitgefahren sei er auf Wunsch des "Opfers", denn die Tochter des Angeklagten fühle sich bedroht und verfolgt. Ihr sei aber, so der Zeuge weiter, noch ein wichtiges Detail eingefallen: Die Hauptbelastungszeugin habe sich am 2. Dezember 2010 - damals soll eine Vergewaltigung stattgefunden haben - auf der Fahrt nach Westdeutschland mit ihrem ersten Freund in einer Autobahn-Raststätte getroffen.


Was weiß der Jugendfreund?

Möglicherweise ein wichtiger Zeuge, der etwas darüber sagen kann, wie das Verhältnis der Tochter in jungen Jahren zu ihrem Vater gewesen ist. Deshalb habe er, so der Mann vom Weißen Ring, das "Opfer" dabei unterstützt, die Telefonnummer des Jugendfreunds herauszubekommen.

"Da sind Sie wieder als Privatermittler tätig gewesen", schimpft Schwenn. Als Rechtsanwalt Peter die Kontaktdaten dem Gericht übergibt, kündigt der Vorsitzende an, den Zeugen möglichst bald zu hören.

Der Verlauf der Verhandlung veranlasst Rechtsanwalt Wolfram Schädler aus Wiesbaden, der die große Enkelin vertritt, zu grundsätzlichen Anmerkungen. An der Ermittlungstätigkeit des Ex-Polizisten gebe es nichts zu beanstanden. "Das darf er doch tun, wenn dem Gericht Fakten genannt werden, um der Wahrheit näherzukommen", betont Schädler.

Die Einvernahme des neuen Zeugen scheue die Verteidigung keineswegs, versichert Schwenn. Aber er frage sich, ob es die Aufklärungspflicht gebietet, "nachdem sein Mandant schon umfassend entlastet ist".


Noch eine Anzeige

Was den Angeklagten aber nicht davor bewahrt hat, dass in einem weiteren Fall gegen ihn ermittelt wird. Laut Verteidiger liegt eine Anzeige einer Freundin der Hauptbelastungszeugin vor. Die 54-Jährige hat vor Gericht ausgesagt, dass sie bei einer Kommunionfeier vom Angeklagten an der Brust begrapscht worden sei. Sie könne sich genau erinnern, weil sie seinerzeit ein rotes Etuikleid getragen hat.
Der Prozess wird heute fortgesetzt.