Minutengenau veräppelt
Autor: Katrin Geyer
Kulmbach, Freitag, 08. April 2016
Klappern gehört zum Handwerk. Das heißt: Werbung in eigener Sache muss sein. Das wissen auch die Radiosender.
Erst waren es die Privatsender, die den Öffentlich-Rechtlichen das Leben schwer machten. Heutzutage ist es die "Playlist" auf dem Smartphone, die manchem Sender die Hörer abspenstig macht, bedient er oder sie sich hier doch nach eigenem Geschmack - ohne von dem eines Rundfunkmenschen abhängig zu sein. Auch Verkehrshinweise - vor Jahrzehnten noch die alleinige Domäne von Bayern 3 und Antenne Bayern - gibt es längst nicht mehr nur aus dem Radio, sondern per App wunschgenau für die eigene Region.
Findige Radiomacher mussten sich also etwas Neues einfallen lassen, um die Hörer an sich zu binden. Seitdem gibt es die - O-Ton eines großen bayerischen Radiosender - " minutengenaue Stauzeitmessung". Der autofahrende Radiohörer erfährt nicht nur, wo er gleich im Stau stehen wird - sondern auch, wie lange. 17 Minuten Wartezeit, 16 Minuten Verspätung...
"Minutengenau". Klingt gut, oder? Warum komme ich mir dennoch ein bisschen veräppelt vor? Vielleicht, weil jeder vernünftige Mensch weiß, dass sich eine Fahrtstrecke, die länger als zwei, drei Kilometer ist, nicht minutengenau planen lässt. Zwei rote Ampeln hintereinander, zwei Laster beim Elefantenrennen oder ein Pulk von Fahrradfahrern, die unbedingt nebeneinander fahren wollen: Schon dauert's ein paar Minuten länger.
Deshalb käme ich nie auf die Idee, zu meinen Freunden im Nürnberger Land zu sagen: "Ich fahre jetzt los und bin in einer Stunde und 17 Minuten bei Euch." - "Eineinhalb Stunden, so ungefähr", sage ich, und die wissen bescheid.
"Minutengenau"? Nein - ernst nehmen kann ich das wirklich nicht.