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Mindestlohn kein Schreckgespenst für Gastronomie im Landkreis


Autor: Jochen Nützel

Neudrossenfeld, Freitag, 03. Januar 2014

Die Sozialdemokraten haben erfolgreich einen gesetzlichen Mindestlohn im Koalitionsvertrag verankert. Für die Gastronomie im Landkreis Kulmbach offenbar kein Problem: Die meisten Betriebe zahlen ihren Angestellten ohnehin Tarifgehalt, wie eine Umfrage ergab.
Die Sozialdemokraten haben erfolgreich einen gesetzlichen Mindestlohn im Koalitionsvertrag verankert. Foto: Stephanie Pilick/dpa


Johnny Göhl? Muss man nicht kennen. Nur so viel: Göhl ist Gastwirt im sächsischen Pöhl. Und zwar einer mit einer dezidierten Meinung zum Thema Mindestlohn in der Gastronomie. Die tat er jüngst kund in der Talkshow von Anne Will. Tenor: Wenn er, wie von der Großen Koalition in Berlin besiegelt, allen Angestellten mindestens 8,50 Euro zahlen soll, müsse er Leute entlassen und im schlimmsten Fall dichtmachen, orakelte er. Und überhaupt: Zigtausenden Gastronomen bundesweit schnüre es den Hals zu bei den politischen Vorstellungen.

Wirklich? "Für mich war das nie ein Thema." Heini Schöpf, Inhaber und Maître de Cuisine im Schloss-Restaurant Neudrossenfeld, schmunzelt und wundert sich, wenn er auf die Lohndebatte angesprochen wird. Es sei für ihn selbstverständlich, seine fünf fest angestellten Kräfte sogar übertariflich zu bezahlen.

"Für 1000 Euro brutto buckelt sich heutzutage doch keiner ab, der eine abgeschlossene Ausbildung hat. Wer als Chef Qualität von seinen Mitarbeitern erwartet, die ein sauberes Auftreten an den Tag legen sollen, fleißig und natürlich kundig sein müssen, der entlohnt das doch gern."

Schöpf gibt zu bedenken, dass die Diskussion um den Mindestlohn den Fokus auch auf die Qualität der Gastronomie richten sollte. "Ein Mittagstisch für unter fünf Euro? Die Branche macht sich doch zum Teil selber das Leben schwer." Dem Gast sollte gutes Essen etwas wert sein. Das heißt für Schöpf: "Wenn ich alle meine Kosten aufsummiere - inklusive der Lohnkosten -, dann kann ich ein Schnitzel von guter Qualität eigentlich unter 11,50 Euro nicht mehr anbieten." Das zu sagen, gehöre zur Fairness in der Debatte um einen fairen Lohn dazu.

Auch für Mini-Jobber

Fairer Lohn - auch für Stephan Ertl "eine Selbstverständlichkeit". Der Kulmbacher Hotelier ist zugleich Kreisvorsitzender des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands (Bayhoga). "Jeder, der bei uns Mitglied ist, sollte auch nach Tarif bezahlen. Und diese tarifliche Bindung beinhaltet bereits eine Entlohnung jenseits der 8,50 Euro - das gilt auch für Mini-Jobber." Ertl rechnet vor: Selbst bei den 400-Euro-Kräften überschritten Gastronomen diese Mindestgrenze. Das rühre daher, dass auf den reinen Nettolohn 20 Prozent Lohnnebenkosten aufgeschlagen werden, die an die Knappschaft abzuführen sind. "Ein Tariflohn liegt also immer über dem Mindestlohn." Allerdings verhehlt Ertl nicht, dass es im Verband auch Mitglieder gebe, die keine Tarifbindung eingegangen sind.

Fachkräfte sind begehrt

Der Kulmbacher sieht in einer angemessenen Bezahlung von Mitarbeitern nicht zuletzt ein Signal gegen den drohenden Fachkräftemangel. "Es ist schon heute nicht immer einfach, geschultes Personal zu bekommen." Wenn diejenigen, die sich qualifizieren wollen, durch Hungerlöhne abgeschreckt würden, verschärfe sich der personelle Missstand noch. In der Branche seien gute Kräfte nach wie vor höchst begehrt, sagt Ertl: "Ein guter Koch beispielsweise kann sich heute seine Stelle faktisch aussuchen."

Köche beschäftigt auch das Ehepaar Opel-Ehgartner im Himmelkroner Gasthaus Opel. 15 Angestellte arbeiten für Chefin Sieglinde Opel-Ehgartner. Der Mindestlohn? Auch für die Inhaber des Rasthauses in unmittelbarer Nachbarschaft zur Autobahnkirche kein Grund zur Aufregung. "Der Bruttolohn liegt bei uns schon bei 8,90 Euro", sagt Volkmar Ehgartner. Der Gasthof liegt quasi direkt an der Autobahnausfahrt Himmelkron - und damit in einer großen Einfallschneise für potenzielle Gäste. "Ich kann mir vorstellen, dass es Betriebe in ländlichen Regionen schwerer haben, ihre Mitarbeiter entsprechend zu bezahlen", sagt Ehgartner. Er selber weiß: Service im Lokal auf der einen und die Qualität der Speisen auf der anderen Seite haben ihren Preis. "Was die Lohnentwicklung angeht, liegen wir hier in der Region und in unserer Branche sicher noch im machbaren Bereich."

Teure Currywurst?

Anders sieht es offenbar in einem kleinen Laden im Kulmbacher Land aus. Der Betreiber, der namentlich nicht genannt werden will, lässt kein gutes Haar am flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. "Ich biete nur kleine Speisen und Snacks an. Aber ich kann meine Currywurst doch nicht gleich um zwei Euro teurer machen, nur weil ich meiner Aushilfe einen Stundenlohn gewähren soll, der die momentane Bezahlung um fast ein Drittel überschreitet. Das zahlt mir hier keiner."

Eine feste Mindestgehaltsvorgabe hält der Gastronom für sehr problematisch. Es sollte noch möglich sein, ein Arbeitsverhältnis jenseits politisch starrer Regelungen einzugehen. "Es ist doch in Ordnung, wenn sich jemand was dazuverdienen will und dafür keine horrende Entlohnung verlangt, die ohnehin kein Wirt zahlen kann. Der Umkehrschluss ist nämlich: Diese Stellen werden gar nicht mehr ausgeschrieben - und Leute wie mich spült es ganz vom Markt. Und wem nutzt das dann?"


Gastronomie: Tarif statt gesetzlicher Mindestlohn


Abschluss Der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband und die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) haben sich im Herbst auf einen neuen Tarifvertrag für Bayerns Hotellerie und Gastronomie geeinigt. Demnach erhöht sich das Entgeld der Beschäftigten im bayerischen Gastgewerbe rückwirkend zum 1. April 2013 um vier Prozent bis zum 31. Juli 2014. Lehrlinge erhalten 40 Euro mehr Lohn für die Zeit vom 1. April 2013 bis 31. März 2014, eine weitere Erhöhung um nochmals 40 Euro soll es für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis 28. Februar 2015 geben. Der neue Entgelttarifvertrag umfasst eine Gesamtlaufzeit von 17 Monaten.