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Messerstecher von Bad Berneck muss ins Gefängnis


Autor: Stephan Tiroch

Himmelkron, Dienstag, 19. Januar 2016

Der Himmelkroner, der beim Autofahrer-Streit in Bad Berneck schwer verletzt worden ist, will keine Rache. Trotzdem verhängt das Landgericht eine Haftstrafe ohne Bewährung. Dafür hat die Strafkammer ihre Gründe.
Der angeklagte Messerstecher von Bad Berneck - hier zusammen mit seinem Verteidiger, Rechtsanwalt Jürgen Koch aus Bayreuth - zeigt sich im Prozess vor dem Landgericht Bayreuth zerknirscht und reumütig. Die Strafkammer verurteilt ihn zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Foto: Stephan Tiroch


"Es tut mir wirklich leid. Das hätte mir nicht passieren dürfen." Mit zittriger Stimme wiederholt der Messerstecher, der als Angeklagter das Schlusswort hat, seine Entschuldigung. Das Opfer des Autofahrer-Streits in Bad Berneck nickt.

Der Himmelkroner, der am 11. Mai 2015 schwer verletzt worden ist und im Prozess vor dem Landgericht Bayreuth als Nebenkläger auftritt, hat zwar einen Handschlag im Gerichtssaal abgelehnt. Aber der Nebenkläger will keine Rache. Dessen Beistand, Rechtsanwalt Frank Stübinger aus Kulmbach, spricht sich in seinem Plädoyer für eine Bewährungsstrafe aus. Trotzdem schickt die 1. Große Strafkammer den 60-jährigen Angeklagten für zwei Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Und hat dafür, wie Vorsitzender Richter Michael Eckstein gestern erläutert, ihre Gründe.


Anständiges Leben geführt

Obwohl für die Messerattacke neutrale Augenzeugen fehlen, ist der Tathergang weitgehend geklärt. Der Angeklagte hat die Vorwürfe eingeräumt. Doch viel entscheidender ist für den Mann, der bisher ein absolut anständiges Leben - keine Vorstrafen, 40 Jahre gearbeitet, verheiratet, zwei Kinder - geführt hat, die rechtliche Bewertung.

Für Staatsanwalt Bernhard Böxler steht fest, dass sich der 60-Jährige, der jetzt in Bayreuth lebt, einer gefährlichen Körperverletzung und des versuchten Totschlags schuldig gemacht hat. Von einem minder schweren Fall könne man nicht ausgehen.

Nach Ansicht des Anklagevertreters ist der Streit aus einem banalen, lächerlichen Anlass entstanden. Bei der Plassenburg-Kelterei stoppt der Angeklagte seinen Mercedes, weil er glaubt, an einem Linksabbieger nicht rechts vorbeifahren zu können. Der folgende Audi-Fahrer, der spätere Geschädigte, muss ebenfalls anhalten. "Beide machten Gesten, beide waren verärgert und fühlten sich beleidigt", so Böxler.

Im Ortsteil Blumenau kommt es zum Showdown. Dass der Angeklagte aus dem Auto aussteigt und ein Messer einsteckt, nennt der Staatsanwalt "die dümmste Idee, die man haben kann". Er geht aufgrund der DNA-Spuren und eines abgerissenen Knopfes davon aus, dass der sportliche Himmelkroner, ein American Footballer, den schmächtigen Angeklagten am Hemdkragen gepackt hat. Im Gerangel habe der 60-Jährige dann mit großer Wucht zugestochen und sein Opfer getroffen: im linken Brustbereich, seitlich unter der Achsel. Die Klinge sei bis zu 15 Zentimeter tief eingedrungen.


Opfer hätte tot sein können

Laut Böxler kommt eine Strafmilderung nicht in Betracht: Strafrahmen also fünf bis 15 Jahre. Er hält dem Angeklagten eine Reihe von Gesichtspunkten zugute: spontane Tat, bisher straffrei gelebt, echte Reue, objektiv keine Lebensgefahr für das Opfer, keine schwerwiegenden Folgen für den Geschädigten und die Bereitschaft, 7500 Euro Schmerzensgeld zu bezahlen. Doch der Messerstich hätte für den 36-jährigen Himmelkroner schlimm ausgehen können - er hätte tot sein können. Daher fordert der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten.

Was selten vorkommt - die Verteidigung stimmt dem Plädoyer der Nebenklage voll zu. Auch Rechtsanwalt Jürgen Koch, Bayreuth, spricht von einem minder schweren Fall. Er hält zwei Jahre Freiheitsstrafe mit Bewährung für angemessen. Der Verteidiger beschreibt seinen Mandanten als nicht gewaltbereiten Menschen, "besonnen, ruhig, friedliebend". Koch: "So was wird er nie mehr tun."

Trotzdem muss er ins Gefängnis - allerdings nur wegen gefährlicher Körperverletzung. Für den versuchten Totschlag, so Eckstein, seien die Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt.


Tatgeschehen zu schwerwiegend

Der 60-Jährige verfolgt die Urteilsbegründung mit gesenktem Kopf und hört, dass Bewährung nicht in Betracht kommt. "Dafür ist das Tatgeschehen zu schwerwiegend", sagt der Richter. Er verweist auf die massive Vorgehensweise und erinnert daran, dass der Täter keine Hilfe geholt hat. Dazu kämen die schweren Folgen für das Opfer: "Wenn man in diesem Bereich zusticht, dann ist es dem Schicksal oder guten Mächten überlassen, wie es sich auswirkt." Andererseits habe man dem Angeklagten den Täter-Opfer-Ausgleich und weitere positive Aspekte angerechnet.

Nach Ansicht der Kammer hat der Angeklagte an jenem Tag mehrere verhängnisvolle Entscheidung getroffen - unter anderem, das Messer mitzunehmen. "Dafür konnten wir von ihm keine Erklärung bekommen", so Eckstein, nach dessen Worten eine Freiheitsstrafe über zwei Jahren nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Verteidigung und Staatsanwaltschaft haben es offengelassen, ob sie in Revision gehen.