Es ist ein Fall, der zeigt, wie gefährlich Fahndungsbeamte an der deutsch-tschechischen Grenze leben. Diese wüssten oft nicht, ob sie es mit harmlosen Touristen zu tun haben oder mit gewaltbereiten Kriminellen, sagte Bernhard Heim, der Vorsitzende der Hofer Landgerichtskammer. Heim verkündete gestern das Urteil im Prozess gegen einen 22-jährigen Kulmbacher, der im Juni 2015 einen Polizeibeamten am Marktredwitzer Bahnhof mit einem Messer schwer verletzt hat.
Versuchter Totschlag
Der junge Mann wurde wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Der schwer drogenabhängige und mehrfach vorbestrafte 22-Jährige muss aber nicht in den Knast.
Der Kulmbacher, der "innere Stimmen" hört, leidet unter einer paranoiden halluzinatorischen Schizophrenie und war zur Tatzeit vermindert schuldfähig. Die Kammer ordnete daher die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.
Drogen im Abfalleimer versteckt
Das Verbrechen hat sich am 30. Juni vergangenen Jahres ereignet. Der Verurteilte, der erst im Januar nach einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten aus der Haft entlassen worden war, war mit dem Zug von Eger in Richtung Marktredwitz unterwegs. Er hatte sich in Tschechien 5,65 Gramm Methamphetamin besorgt, die er in einem Abfalleimer außerhalb seines Abteils deponiert hatte. Zwei Schleierfahnder, die den Zug kontrollierten, entdeckten das Betäubungsmittel und hegten den Verdacht, dass es dem Kulmbacher gehört.
Sie forderten ihn auf, den Zug in Marktredwitz zu verlassen.
Polizist wurde notoperiert
Der 22-Jährige zeigte sich zunächst kooperativ, wollte dann aber die Flucht ergreifen. Als ihn ein 38-jähriger Polizeibeamter daran hindern wollte, zückte er urplötzlich ein Messer und stach zu. Die Klinge drang 15 Zentimeter tief in den Körper ein. Der Polizist wurde schwer verletzt und musste, weil die Blutung nicht aufhörte, notoperiert werden. Innere Organe wurden nicht getroffen. Nur wenige Millimeter weiter, und der Stich hätte tödlich sein können, hatte der Leiter der Erlanger Rechtsmedizin, Peter Betz, in seinem Gutachten erklärt.
Tod billigend in Kauf genommen
Der 22-Jährige habe nicht in Tötungsabsicht gehandelt, sagte Vorsitzender Richter Bernhard Heim in seinem Urteil.
Dieser habe mit dem Messerstich versucht, sich der Polizeikontrolle zu entziehen, dabei aber zumindest billigend in Kauf genommen, dass der Stich zum Tode des Beamten hätte führen können. Heim sieht in dem jungen Mann keinen "skrupellosen Drogendealer". Er sei schwer krank, seine Steuerungsfähigkeit sei bei der Tat erheblich beeinträchtigt gewesen. Aufgrund seiner chronischen Schizophrenie sei der Kulmbacher als gemeingefährlich einzustufen. Ohne eine entsprechende Behandlung wären, so der Richter, vom 22-Jährigen weitere ähnlich gelagerte Straftaten zu erwarten.
Im Hochsicherheitstrakt
Der Kulmbacher, der sich seit der Tat im Hochsicherheitstrakt der Forensischen Psychiatrie in Erlangen befindet, wird dort wohl noch viele Jahre verbringen. Dass die Therapie bei Patienten, die an einer chronischen Schizophrenie leiden, bis zu 20 Jahre dauern kann, hatte Sachverständiger Thomas Wenske in dem Prozess erklärt.