Messerattacke von Bad Berneck: Opfer will keine Rache

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Der angeklagte Messerstecher von Bad Berneck - hier zusammen mit seinem Verteidiger, Rechtsanwalt Jürgen Koch aus Bayreuth - zeigt sich im Prozess vor dem Landgericht Bayreuth zerknirscht und reumütig. Foto: Stephan Tiroch
Der angeklagte Messerstecher von Bad Berneck - hier zusammen mit seinem Verteidiger, Rechtsanwalt Jürgen Koch aus Bayreuth - zeigt sich im Prozess vor dem Landgericht Bayreuth zerknirscht und reumütig. Foto: Stephan Tiroch

Nach den Plädoyers will die Strafkammer am Nachmittag das Urteil verkünden. Für den Angeklagten, der im Streit mit einem anderen Autofahrer mit dem Messer zugestochen hat, geht es um sehr viel: Bewährung oder mindestens fünf Jahre Gefängnis?

Im Prozess gegen den Messerstecher von Bad Berneck vor dem Landgericht Bayreuth haben am Dienstagvormittag Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Nebenklage plädiert. Derzeit wartet der 60-Jährige Angeklagte darauf, dass das Urteil gefällt wird. Die 1. Große Strafkammer will ihren Spruch am Nachmittag verkünden. Dabei geht es für den Täter um sehr viel: Bekommt er Bewährung oder geht er für mindestens fünf Jahre ins Gefängnis?


Bisher anständiges Leben geführt

Obwohl für die Messerattacke am 11. Mai 2015 in der Bad Bernecker Eichendorffstraße neutrale Augenzeugen fehlen, steht der Tathergang weitgehend fest. Der Angeklagte hat die Vorwürfe eingeräumt. Doch viel entscheidender ist für den Mann, der bisher ein absolut anständiges Leben - keine Vorstrafen, 40 Jahre gearbeitet, verheiratet, zwei Kinder - geführt hat, die rechtliche Bewertung.

Dass sich der 60-Jährige, der jetzt in Bayreuth wohnt, einer gefährlichen Körperverletzung und des versuchten Totschlags schuldig gemacht hat, steht außer Zweifel. Aber kann man hier von einem minder schweren Fall ausgehen - mit der Möglichkeit, die Strafe zur Bewährung auszusetzen? Staatsanwalt Bernhard Böxler meint: nein.

Nach Ansicht des Anklagevertreters ist der Streit aus einem banalen, lächerlichen Anlass entstanden. Bei der Plassenburg-Kelterei stoppt der Angeklagte seinen Mercedes, weil er glaubt, an einem Linksabbieger nicht rechts vorbeifahren zu können. Der folgende Audi-Fahrer, der spätere Geschädigte, muss ebenfalls anhalten. "Beide machten Gesten, beide waren verärgert und fühlten sich beleidigt", so Böxler. Als beide Autofahrer später in die Eichendorffstraße abbiegen müssen, "nimmt das Verhängnis seinen Lauf".

Es kommt zum Showdown. Dass der Angeklagte ein Messer einsteckt, nennt der Staatsanwalt "die dümmste Idee, die man haben kann". Er geht aufgrund der DNA-Spuren und eines abgerissenen Knopfes davon aus, dass der sportliche American Footballer den schmächtigen Angeklagten am Hemdkragen gepackt hat. Im Gerangel habe der 60-Jährige dann mit großer Wucht zugestochen und sein Opfer getroffen: im linken Brustbereich, seitlich unter der Achsel. Die Klinge sei bis zu 15 Zentimeter tief eingedrungen.


Opfer hätte tot sein können

Laut Böxler kommt eine Strafmilderung nicht in Betracht: Strafrahmen also fünf bis 15 Jahre. Er hält dem Angeklagten eine Reihe von Gesichtspunkten zugute: spontane Tat, bisher straffrei gelebt, echte Reue, objektiv keine Lebensgefahr für das Opfer, keine schwerwiegenden Folgen für den Geschädigten und die Bereitschaft, 7500 Euro Schmerzensgeld zu bezahlen. Doch der Messerstich hätte für den 36-jährigen Himmelkroner schlimm ausgehen können - er hätte tot sein können. Das habe der Messerstecher in Kauf genommen.

Daher fordert der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Der Haftbefehl sei wieder in Vollzug zu setzen.


Könnte Gold wert sein

Was für den Angeklagten Gold wert sein könnte, ist die Einstellung des Opfers. Der Himmelkroner hat zwar einen Handschlag im Gerichtssaal abgelehnt, aber er sinnt nicht auf Rache. Der Nebenkläger will offenbar nicht, dass der Messerstecher ins Gefängnis wandert.

So kommt es zum seltenen Fall, dass sich Nebenklage und Verteidigung absolut einig sind. Beide plädieren auf einen minder schweren Fall - mit einem Strafrahmen von einem Jahr bis zehn Jahren. Der Beistand des Nebenklägers, Rechtsanwalt Frank Stübinger aus Kulmbach, legt vor: zwei Jahre Freiheitsstrafe mit Bewährung. Verteidiger Jürgen Koch zieht nach und stimmt dem Kollegen zu.


"So was wird er nie mehr tun"

Der Rechtsanwalt aus Bayreuth rückt von seiner Strategie ab. Kein Wort mehr von Notwehr. Dafür beschreibt er seinen Mandanten als überhaupt nicht gewaltbereiten Menschen, als "friedliebend, besonnen, ruhig". Dieser sehe sein Fehlverhalten ein. Koch: "So was wird er nie mehr tun."

In seinem letzten Wort entschuldigt sich der Angeklagte erneut beim Opfer des Messerangriffs: "Es tut mir wirklich leid. Das hätte mir nicht passieren dürfen." Bis zum Urteil bleibt dem Mann aber die Ungewissheit, wie die 1. Große Strafkammer die Straftat bewertet.