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Matthias Egersdörfer vor Auftritt in Bayreuth im Interview


Autor: Jochen Nützel

Bayreuth, Donnerstag, 14. November 2013

Er ist das Mensch gewordene Urschrei-Seminar: Wenn Matthias Egersdörfer seinen Furor von der Leine lässt, wütet ein Brain-Storm inmitten der Zuschauer. Zu erleben auch in seinem aktuellen Programm "Vom Ding her" am Freitagabend, 20 Uhr, im Bayreuther "Zentrum".
Vom Ding her ein schönes (Manns-)Bild: Kabarettist Matthias Egersdörfer. Er tritt am 15. November um 20 Uhr im Bayreuther "Zentrum" auf. Es gibt noch Karten an der Abendkasse. Foto: Stefan Minx


Vom Ding her ist Matthias Egersdörfer ein netter Kerl: höflich, mit angemessener Laustärke im Tonfall, freundlich und sogar gut gelaunt. Alles Eigenschaften, die offenbar in Millisekunden verschüttet werden, wenn der 44-Jährige das rote Hemd anzieht, den schwarzen Anzug überstreift und die Haare gelt, auf das die Koteletten wirken wie des Teufels Grinse gesicht. Dann ist die Verwandlung zum Bühnen-Egers vollzogen und die Übellaunigkeit hat sich eine humanoide Hülle gesucht. Jedenfalls vom Ding her.

"Vom Ding her" ist ein Programmtitel, der sicher eine eigene Geschichte hat.
Es gibt in der Tat eine kleine Geschichte dazu: Ich wurde vom Piper-Verlag auf die Reise geschickt, ein Buch über Franken zu verfassen. Ich bin zusammen mit Jürgen Roth durchs Land gefahren und habe Leute interviewt. Darunter war ein Jungbauer, der hat die Formulierung "vom Ding her" relativ oft verwendet. Da fiel mir beim Ins-Reine-Schreiben der Gespräche auf, wie oft der Mann das gesagt hat. So kam es zum Titel.

Vom Ding her könnte man sich Ihren Bühnen-Egersdörfer in allen möglichen Verwendungen vorstellen. Zum Beispiel als Kommissar für den neuen Franken-"Tatort"?
Das würde mir schon gefallen: einen übellaunigen, kettenrauchenden Kommissar zu spielen, der noch bei seiner Mutter lebt und als Hobby Enten im Stadtpark füttert.

Wie sehen Sie Ihre Figur? Sie sind ja mit Ihrem Alter ego schon ein paar Jahre verbandelt. Ist der Bühnen-Egers überhaupt ein alter ego oder doch eher eine fremde Haut?
Doch, das ist schon mein anderes Ich. Aber natürlich ist da alles übertrieben und übersteigert.

Wann kam denn diese cholerische Bühnenperformance mit Publikumsverwünschung dazu? Obwohl: Angeblich schreien Sie gar nicht mehr so viel rum im neuen Programm.
Es geht ja nicht bloß um die Lautstärke, in der man was sagt, sondern darum, was man sagt. Eine Besucherin sagte mir neulich, das neue Programm erinnere sie an meinen Erstling "Falten und Kleben" - und da wurde weiß Gott mehr rumgebrüllt. Ich brülle aber nicht, weil es die Leute erwarten.

Sie können sich über vieles aufregen, etwa wenn der Morgenkaffee nicht so schmeckt wie der vom Tag davor. Die Alltagsgeschichten scheinen bisweilen improvisiert.
Ich lerne Texte nie wirklich auswendig. Ich schreibe Sachen auf, aber das entwickelt sich. Gerade bei der Interaktion mit dem Publikum ist Vieles spontan. Aber das, was ich mache, ist natürlich keine vollständige Improvisation. Obwohl ich ja mit Impro angefangen habe in den Neunzigern. Ich war, glaube ich, auch mal fränkischer Impro-Meister.

Sie haben eine Regisseurin, Claudia Schulz, an Bord, die ja so einem Programmabend Struktur verleihen soll. Wie oft schlägt die bei der Vorstellung die Hände über dem Kopf zusammen?
Manchmal ändert sich schon was von dem, was eigentlich ausgemacht war, dann sagt sie danach schon mal was. Die Regisseurin ist ja zugleich die Carmen, die Figur, die als Prügelknabin herhalten muss.

Die Fotos zum neuen Programm sind - sagen wir mal: gewagt. Sie sind unter anderem zu sehen im hautengen Spiderman-Kostüm auf der Suche nach Putzmitteln im Supermarkt. Der Mut zur eigenen Körperlichkeit ist durchaus ausgeprägt. Es gibt dieses Foto, das sie mit Ihrer Musiker-Gruppe "Fast zu Fürth zeigt": alles Herren in weißem Feinripp und in einer Wasseranlage stehend.
Das ist ein schrecklicher Ententeich in Fürth gewesen. An dieses Fotoshooting habe ich keine guten Erinnerungen. Wir standen da bis zu den Knöcheln in jahrhundertelang angereicherter Entengrütze. Früh um halb fünf, des Lichts wegen, meinte der Fotograf. Der verhärmte Gesichtsausdruck der Kollegen und meinerseits ist gar nicht gewollt, sondern der Tatsache geschuldet, dass wir im Morgengrauen in schwimmender Scheiße stehen. Ich hatte damals zusätzlich noch eine offene Stelle am Fuß. Ich dachte mir, die bakteriellen Folgen dieser Aufnahme überlebe ich sowieso nicht.

Üben Sie Ihre Kautschuk-Mimik, damit der Grantler so in Millsekunden aufs Gesicht wandert? Auch die Hautfarbe kommt ja wie aus der Farbpistole geschossen.
Ich versuche immer, auf Fotos entspannt zu schauen. In der Schule haben sich manche Lehrer bei meiner Mutter beschwert, ich würde immer so bitterbös gucken. Dabei habe ich eigentlich nur versucht mich zu konzentrieren. Ich schau eigentlich immer so.

Stimmt es, dass Ihre Mutter entsetzt war, weil Sie auf der Bühne so rumbrüllen?
Nee. Meine Eltern waren eher verwundert, dass ich über zwei Stunden am Stück reden kann. Das kannten Sie nicht von mir. Ich bin eher ein stiller Mensch. Sie haben sich gefreut, dass ihr Junge damit auf seine alten Tage mal eigenes Geld verdient. Der Bridge-Club, in dem meine Mutter spielte, hat immer mal angerufen und sich beschwert, wenn ich mal wieder schlimme Ausdrücke verwendet habe.

Apropos Kritik: In ihren Gästebuch hat jemand geschrieben, Ihre Vorträge seien eine Schande für Franken. Haben Sie drauf reagiert?
Nö, die Leute dürfen reinschreiben, wonach ihnen ist. Ich habe aber mal versucht rauszufinden, wer das ist. Ich hab den Herrn gegoogelt. Im ersten Moment erschrickt man natürlich und muss das erst verdauen, als eine Schande für einen ganzen Landstrich hingestellt zu werden...

Kann man in Ihrer Branche aber auch als Ritterschlag verstehen.
Ja, vielleicht das auch. Mir ist klar, dass ich mir mit meiner Art nicht nur Freunde mache.

Angeblich sind Ihre Wutausbrüche darauf zurückzuführen, dass Sie sich als Jugendlicher gegen ihre zänkische Mutter und Schwester dezibelmäßig haben durchsetzen wollen. Dafür seien sie dann immer auf den Schrank gehockt worden - und wegen ihrer Höhenansgt hätten Sie sich dort oben beruhigt. Schon was gegen die Panik getan?
Ich werde zwar seltener real auf Schränke platziert, wohl auch wegen meines Gewichts, aber die Höhenangst ist durchaus real. Georg Koeniger, der Kraxelpapst von TBC, wollte das mit mir zusammen mal angehen. Der wollte mich mal an so einer Kletterwand trainieren, aber es kam noch nicht dazu.

Werfen Sie für uns einen Blick auf die Kabarett-Szenerie im Fernsehen, wo Sie ja nicht mehr ganz regelmäßiger Gast sind. "Ottis Schlachthof" weg oder umgekrempelt; die "Anstalt" im ZDF weg oder ungekrempelt...
Bei der Probe zur neuen "Anstalt" war ich als Gast beteiligt. Da wurden ja im Vorfeld zwei Teams ins Rennen geschickt. Ich war bei Max Uthoff und Claus von Wagner dabei, die beiden haben mit ihrem Konzept auch den Zuschlag bekommen. Das, was die machen, scheint mir ganz frisch und neu zu werden, jedenfalls das, was ich in den Proben sah. Da gibt es viele gemeinsame Auftritte, keine bloße Mixed-Show, wo einer nach dem anderen sein Solo spielt und dann abtritt. Das ist ein schöner Ansatz, ich hoffe mal, sie können das hinüberretten ins fertige Format. In der ersten Sendung im Februar bin ich dabei. Ob es regelmäßiger wird, weiß ich noch nicht.

Vor die "Anstalt" kommt das "Zentrum" in Bayreuth, wo sich das Wagner-Jubiläumsjahr dem Ende neigt.
Im "Zentrum" habe ich schon einmal gespielt. Und ich hatte auch schon die Ehre, mir einige Wagner-Opern in Bayreuth live zu geben. Die Besuche auf dem grünen Hügel gingen nicht spurlos an mir vorbei. In diesem Sommer habe ich zusammen mit dem Ensemble Kontraste den "Tannhäuser" in Nürnberg gegeben.

Wäre das nicht eine Zugabenummer wert?
Ist zu überlegen.