Massentierhaltung extrem: Tierretter holen 116 Katzen aus Privatwohnung
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Donnerstag, 10. Februar 2022
Die Feuerwehrleute staunen nicht schlecht: In einem Haus im Kreis Nürnberg, das ein Rohrbruch unter Wasser gesetzt hat, entdecken sie ein Knäuel aus Stubentigern. Zehn davon sind im Kulmbacher Tierheim gelandet.
Animal Hoarding: So lautet der Fachbegriff für Menschen, die sich zwar für Tierfreunde halten, denen aber ihre Lieblinge irgendwann über den Kopf wachsen, weil es im Lauf der Zeit zu viele werden und die adäquate Versorgung nicht mehr zu gewährleisten ist. Private Massentierhaltung quasi. Ein solcher Fall beschäftigt derzeit das Veterinäramt im Nürnberger Land - und das Kulmbacher Tierheim, denn: Einige der Schützlinge sind bei Leiterin Carina Wittmann und ihrem Team gelandet. Es handelt sich um zehn Katzen im Alter von zwei bis drei Jahren, die derzeit in der Quarantänestation versuchen, die Geschehnisse zu verarbeiten.
Das Ausmaß hat offenbar selbst hartgesottene Tierretter überrascht. So berichtet Petra Hluchy, die stellvertretende Leiterin des Tierheims Feucht, von einem "extremen Fall" in ihrem Landkreis. Bei den Unterstützern des Hersbrucker Tierheims heißt es sogar, die Helfer hätten den "schlimmsten Animal-Hoarding-Fall der Vereinsgeschichte" zu verarbeiten. Demnach wurden die Tierschützer am Sonntag vor einer Woche zu einem Mehrfamilienhaus in der Gemeinde Leinburg gerufen. Die Feuerwehr war wegen eines großen Wasserschadens bereits vor Ort im Einsatz - und stieß dabei zufällig in einer etwa 60 Quadratmeter großen Wohnung auf 116 Katzen, die dort auf engstem Raum lebten. Die Mieterin, eine 60-Jährige, war nicht vor Ort.
Nach Schilderung der Einsatzkräfte sei es aufgrund des Gestanks, verursacht durch Exkremente und des dadurch in der Luft wabernden Ammoniaks, nur mittels Atemschutz überhaupt möglich gewesen, die beiden Zimmer mit den Stubentigern zu betreten. Die meisten Tiere seien durchnässt und völlig verstört gewesen, schildert die Polizei.
"Sie stanken fürchterlich"
"Wie lange dieser Zustand, in dem die Katzen so qualvoll leben mussten, andauerte, wissen wir nicht", schreibt das Hersbrucker Tierheim über die Aktion. Die Rettung habe sich schwierig gestaltet, da die verängstigten Vierbeiner sich hinter Schränken und unter Möbeln versteckt hätten. "Die armen Tiere stanken fürchterlich", notiert das Tierheim Feucht. Klar war, dass die Katzen schnellstens aus dieser Situation befreit werden mussten. Doch die Tierheime in der unmittelbaren Umgebung waren mit der Aufnahmen aller 116 Tiere auf einen Streich schier überfordert.
Hier kommen die Tierschutzvereine aus Bamberg und Kulmbach ins Spiel. Sieben Katzen fanden eine kurzfristige neue Bleibe im Bamberger Tierheim Berganza. "Wir glauben aufgrund des Aussehens, Alters und wie sich uns die Sieben präsentieren nicht, dass sie eingesammelte Katzen sind", schreibt der Bamberger Tierschutzverein auf seiner Facebookseite. Die Tiere sähen nach erster Inaugenscheinnahme aus wie Verwandte, die aus einer unkontrollierten Vermehrung stammten. Das sei jedoch vorläufig eine Vermutung. Man suche dennoch nach möglichen Besitzern.
Zehn weitere Katzen fanden den Weg ins Kulmbacher Tierheim. "Wir haben eine Nachricht über die Sicherstellung der Katzen bekommen, verbunden mit der Frage, ob wir einige der Tiere aufnehmen könnten", sagt Tierheimleiterin Carina Wittmann. Die Tiere seien körperlich in einem durchaus guten Zustand. "Doch sie sind schwer traumatisiert aufgrund der wohl über Jahre vorherrschenden Situation bei ihrer Halterin." Offenbar haben die Tiere die Wohnung nie verlassen können.
Die Quarantänestation des Tierheims ist damit sozusagen auf einen Schlag gefüllt. "Unsere Kapazität gibt das aber her", sagt Carina Wittmann. Um die zusätzlichen Schützlinge kümmern sich in erster Linie ihre Stellvertreterin Angelika Enzmann sowie die ehrenamtlichen Helfer. "Das bekommen wir hin."