Liefern Kulmbacher Stadtwerke echten Ökostrom?
Autor: Alexander Hartmann
Kulmbach, Donnerstag, 27. Februar 2020
Liefern die Kulmbacher Stadtwerke, die auf Wasserkraft aus dem europäischen Ausland setzen, nachhaltige Energie? Ja, sagt deren Leiter Stephan Pröschold. Nein, sagt der Grüne Jürgen Öhrlein, der von einem Etikettenschwindel spricht.
Liefern alle Ökostrom-Anbieter Ökostrom? Nein, sagt Jürgen Öhrlein aus Rothwind, der von einem Etikettenschwindel vieler Energielieferanten spricht und diesen auch den Kulmbacher Stadtwerken vorwirft.
Die haben, so teilen die Stadtwerke mit, ihre Haushaltskunden 2019 mit Strom aus norwegischer Wasserkraft versorgt, liefern 2020 Ökostrom aus europäischen Wasserkraftanlagen, unter anderem aus Frankreich. "Wir garantieren: Unser Strom ist zu 100 Prozent zertifizierter Ökostrom, erzeugt aus regenerativen Quellen", heißt es auf deren Homepage.
"Normaler Strommix"
Jürgen Öhrlein ist sich jedoch sicher, dass es sich um "den normalen Strommix" wie etwa den der Bayernwerke handelt. "Der Begriff ,Ökostrom' ist nicht geschützt. Das nutzen viele Anbieter aus", stellt der frühere Grünen-Kreisrat fest. Diese würden günstigen Kohle- und Atomstrom kaufen, einen Herkunftsnachweis für Ökostrom daran heften und diesen dann auch als Ökostrom verkaufen. Was ihn in seinem gegenüber den Kulmbacher Stadtwerken geäußerten Verdacht bestärkt: Zwischen Norwegen und Deutschland gebe es noch keine einzige Stromleitung, erklärt er.
Bilanzielle Bewertungen
Was die Kulmbacher Stadtwerke zu den Vorwürfen sagen? Unstrittig ist, so deren Leiter Stephan Pröschold, dass Strom, der in einer Erneuerbaren-Energien-Anlage produziert wird, selten die Steckdose des Kunden erreicht. Unterschiedliche Kraftwerke würden elektrische Energie einspeisen. "Im Netz lässt sich eine Zuordnung zu einzelnen Erzeugungsanlagen dann nicht mehr treffen. Hier sind bilanzielle Bewertungen erforderlich, die über das Herkunftsnachweisregister sichergestellt sind."
Etikettenschwindel?
Von einem Etikettenschwindel bei den Stadtwerken könne keine Rede sein. Ziel des Emissionsrechtehandels sei die Reduktion von Treibhausgasen, allen voran der Kohlenstoffdioxid-Emissionen, so Pröschold. Da nicht überall Wasserkraftwerke, PV- oder Windanlagen errichtet werden könnten, bestehe die Möglichkeit, Herkunftsnachweise zu verwenden, die im Herkunftsnachweisregister des Umweltbundesamts gelistet seien und dort auch entwertet werden könnten. Die Zertifikate fördern seinen Worten zufolge die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen, die nicht über das EEG gefördert werden.
In Deutschland werde der Ausbau der erneuerbaren Energien gesetzlich über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert - und von den Stromkunden bezahlt. Daher gebe es deutsche Herkunftsnachweise nur im verhältnismäßig geringen Umfang. Pröschold: "Aus diesem Grunde stammen viele der Zertifikate für den deutschen Ökostrom aus dem europäischen Ausland" - wie es auch bei den Stadtwerken der Fall sei. "Fakt ist, dass wir 100 Prozent Ökostrom an Haushaltskunden verkaufen."