Druckartikel: Letzte Ruhe in Rabatten - Bremen erlaubt das

Letzte Ruhe in Rabatten - Bremen erlaubt das


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Dienstag, 20. Januar 2015

Bremen hat als erstes Bundesland den Friedhofszwang gelockert. Heißt: Wer seine Verstorbenen verbrennt, soll deren Asche auch zu Hause im Garten verstreuen dürfen. In Kulmbach stößt die Idee auf Ablehnung.
In Bayern herrscht Friedhofszwang, müssen Tote auf gewidmeten Flächen beerdigt werden. In Bremen hat das Stadtparlament eine Lockerung ermöglicht: Die Asche von Toten darf zu Hause verstreut werden. Foto: dpa


Eine kleine Trauergemeinde kommt hinter einer Laube zusammen. Eine Frau hält eine Urne in der Hand, darin die Überreste ihres Mannes. Neben einer Bank, auf der der Verstorbene zu Lebzeiten so gern verweilte, öffnet die Witwe den Behälter und streut die Asche neben einem einfachen Holzkreuz zu Boden - im eigenen Garten hinterm Haus...
Ein undenkbares Szenario? Nicht in Bremen: Dort hat die Bürgerschaft im Rathaus mit der rot-grünen Regierungsmehrheit den geltenden Friedhofszwang (siehe Infokasten) zum Jahresbeginn gelockert und erlaubt es nun Angehörigen, die Überreste eines Verwandten auf dem eigenen Grundstück zu beerdigen.
Ganz ohne Bürokratendeutsch geht es auch im Stadtstaat nicht.

Zu den Voraussetzungen für die veränderte Regelung heißt es: Der Tote muss in einer schriftlichen Verfügung einen "Verstreuungsort zur Ausbringung" bestimmt haben und dazu eine "Person zur Totenfürsorge". Diese Person sollte nach Ableben des zu Verstreuenden eine "Zustimmungserklärung des Grundstücks eigentümers" nachweisen und eidesstattlich versichern, dass es beim Ausbringen nicht zur "unzumutbaren Beeinträchtigung benachbarter Grundstücke" kommt. Das heißt auch: kein Verstreuen bei stärkeren Winden.

Hygienisch unbedenklich

"Das ist natürlich ein Thema, das eine große ethisch-moralische Komponente hat. Rein aus Seuchenhygiene-technischen Gründen spricht nichts gegen das Ausbringen der Asche, sie ist unbedenklich", sagt Joachim Steiß. Der Hygienekontrolleur im Kulmbacher Gesundheitsamt verweist auf das Robert-Koch-Institut, das das Verbrennen auf der offiziellen Liste der anerkannten Desinfektionsmittel führt. "Leichen müssen ja über mehrere Stunden und bei großer Hitze im Krematorium brennen, da sie noch immer viel Wasser enthalten. Die Asche selber enthält keine bedenklichen Reststoffe, zumal nicht brennbare Rückstände wie Zahnprothesen oder künstliche Gelenke ohnehin aussortiert werden und erst gar nicht in die Urne kommen."
"Eine Beerdigung nicht auf einem Friedhof - diese Form der Bestattung ist mir persönlich fremd", bekundet der katholische Dekan Hans Roppelt. Er selber gehe jedes Jahr an Allerheiligen mit seiner Mutter zu den Gräbern von Vater, Schwester und Nachbarn. "Das könnte ich nicht, wenn jeder privat beerdigt wäre. Ich aber möchte mit den Verstorbenen an ihrer Ruhestätte in Verbindung treten, das ist nun mal unsere christliche Kultur, unser Glaube an die Wiederauferstehung. Alles andere hielte ich für eine geistliche Verarmung." Zudem habe ein öffentlicher Friedhof Gemeinschaftscharakter und spiegele im Tod wider, dass der Verstorbene zu Lebzeiten ja auch Teil der Gesellschaft war.

Dekan Zinck : "Unappetitlich"

Der evangelische Dekan Jürgen Zinck ist ebenfalls skeptisch gegenüber einer, wie er es nennt, "kompletten Privatisierung der Beisetzung". "In der Bibel gibt es keine Stelle, aus der sich die einzig wahre Form der Bestattung ableiten ließe. Und natürlich verändert sich die Bestattungskultur in unserem Land, das merken wir in der Kirche deutlich und dem müssen wir auch Rechnung tragen. Aber ich kann es nicht befürworten, wenn die letzte Ruhestätte eines Menschen nicht mehr öffentlich zugänglich ist."
Ein Garten sei eben kein Friedhof, betont Zinck; diese Form der Abschottung nehme Freunden oder Bekannten die wichtige Chance, am Grab Abschied zu nehmen und Zwiesprache zu halten. "Persönlich empfinde ich es ehrlich gesagt auch als unappetitlich, wenn ich die Asche hinterm Haus habe." Er fragt sich auch: Was passiert, wenn das Haus verkauft wird und im Garten mehrere Familienangehörige ruhen: Müssen die sterblichen Reste mit umziehen? Muss sie der Käufer quasi übernehmen? "Da scheinen mir auch ganz praktische Erwägungen dagegen zu sprechen."
Diese Probleme haben übrigens auch die Bremer Politiker noch nicht gelöst. Und auch nicht die Frage, wer letztlich die Kontrolle übernimmt, dass die Asche/Urne tatsächlich ausgestreut/vergraben wird und nicht doch auf dem Kaminsims landet.

Kein "Aschetourismus"

Wer in Bayern die Friedhofspflicht umgehen will, kann dies übrigens auf eine etwas komplizierte Weise tun: Er lässt den toten Angehörigen im Ausland verbrennen - die Asche kommt dann später mit der Post nach Hause.
Das Ansinnen, sich künftig als Oberfranke in Bremen einäschern zu lassen, funktioniert hingegen nicht: Um einen "Aschetourismus" aus Bundesländern mit strenger Reglementierung zu verhindern, hat der Stadtstaat den Riegel vorgeschoben - die Lockerung gilt nur für Menschen mit letztem Hauptwohnsitz in Bremen.


Das Gesetz regelt, wo wir unsere letzte Ruhe finden

Friedhofszwang In Deutschland regeln die Bestattungs gesetze der Bundesländer, was mit Verstorbenen passiert. Zentraler Bestandteil ist dabei der Friedhofszwang: Dieser wurde einst aus Gründen der Hygiene in Preußen verordnet und verbietet eine Beerdigung außerhalb eines Friedhofs. Friedhofszwang besteht in Deutschland für die Erdbestattung und seit 1934 zwingend für die Asche von Toten. Ausnahmen bilden hierbei lediglich die Seebestattung sowie die letzte Ruhestätte in einem gewidmeten "Friedwald".

Vorschrift Den Angehörigen von Verstorbenen ist es nach geltendem Recht bislang nicht möglich, selbst zu bestimmen, wo die sterblichen Überreste verbleiben sollen. Daran ändert auch ein zu Lebzeiten geäußerter Wunsch des Toten nichts. Die rot-grüne Landesregierung in Bremen ist die erste, die diese strenge Vorgabe lockert. In Nordrhein-Westfalen sollen Bürger bald die Asche auf entsprechend freigegebenen Flächen verstreuen dürfen.

Ausland In vielen europäischen Staaten, so in den Niederlanden, der Schweiz und Tschechien, ist der Friedhofszwang regional oder landesweit zumindest für die Asche nach einer Feuerbestattung aufgehoben. Stattdessen gilt der Grundsatz der "Asche zur freien Verfügung". So kann nach der Feuerbestattung die Asche zu Hause aufbewahrt oder beliebig beigesetzt oder verstreut werden.

Bestattung kurios US-Bürger können seit einigen Jahren verfügen, dass ihre Asche an Bord einer Rakete ins Weltall geschossen wird. Dabei wird ein Gramm in einer kleinen Metallkapsel deponiert. Australien erlaubt eine besondere Seebestattung, und zwar im "Memorial Reef": Im Begräbnis-Riff ruht die Asche von rund 125 000 Menschen.