Lerchenfeld und die zweite Chance
Autor: Stephan Tiroch
Kulmbach, Mittwoch, 19. Dezember 2012
Der Kulmbacher Abgeordnete wird nach dem Debakel in Bischofsgrün nicht als Direktkandidat für die CSU ins Rennen gehen. Der Baron aus dem Frankenwald hat aber ein Angebot bekommen, das er auch annehmen will.
Nein, vorzeitig oder gar verärgert habe er den Saal nicht verlassen, sagt Ludwig von Lerchenfeld. "Ich bin gegangen, als die Wahlen vorbei waren. Und wie sollte ich verärgert sein? Ich habe als Demokrat das Ergebnis akzeptiert."
Was er am Dienstagabend im Bischofsgrüner Kurhaus schlucken musste, ging weit über eine normale Wahlniederlage hinaus. Es war für den CSU-Landtagsabgeordneten aus dem Pressecker Ortsteil Heinersreuth ein Debakel. Bei der CSU-Nominierungsversammlung im neuen Stimmkreis Wunsiedel-Kulmbach, dem ungeliebten "Hundeknochen", gaben ihm lediglich 30 von den 120 Delegierten ihre Stimmen. Sein Wunsiedler Konkurrent Martin Schöffel, ebenfalls MdL, kam auf 88.
Was dabei so erschwerend ins Gewicht fiel: Kulmbach verfügte über 57 Delegierte (52 aus Wunsiedel, 11 aus den fünf Bayreuther Fichtelgebirgsgemeinden). Also wählte gerade mal die Hälfte der Kulmbacher "ihren" Abgeordneten.
"Ein flammendes Plädoyer"
Das legt die Frage nahe, wieso dem Baron aus dem Frankenwald der Rückhalt in "seinem" CSU-Kreisverband fehlte. Hat er die Situation falsch eingeschätzt? "Nein, das habe ich nicht", ist sich der 55-Jährige sicher. Aber er habe sich im Laufe des Abends auf das sich anbahnende Ergebnis einstellen können. "Es war mir klar, dass alle an einem Strang ziehen müssen. Ich habe gemerkt, dass der Wunsiedler CSU-Kreisvorsitzende Wolfgang Kreil sich sehr liebevoll und herzlich eingesetzt hat für die Stärken und Aktivitäten seines Kandidaten, die er sehr positiv und prägnant dargestellt hat. Er hat in aller Kürze ein flammendes Plädoyer für seinen Kandidaten gehalten. Und aufgrund dieser Fürsprache konnte sich Martin Schöffel der Unterstützung seiner Wunsiedler zu 100 Prozent sicher sein."
Zu den Gründen, warum die Kulmbacher nicht an einem Strang gezogen habe, will er sich nicht äußeren. Auch nicht dazu, ob er vielleicht Parteifreunde, die ihm ihre Stimme zugesagt und dann versagt haben, falsch eingeschätzt hat. "Diesbezüglich eine Aussage zu treffen, würde mir schaden."
Enttäuschung, Frust oder Wut freien Lauf zu lassen, ist nicht das Ding des Barons. Ebenso nicht, dreckige Wäsche zu waschen. Er bewies schon am Abend der persönlichen Niederlage Haltung - und schließt, nachdem er eine Nacht drüber schlafen konnte, Konsequenzen aus, was sein Engagement in der CSU angeht. Im Gegenteil. Er habe, so Lerchenfeld, Zuspruch aus ganz Oberfranken verspürt: "Ich soll weiterkämpfen, und das werde ich auch tun."
Resignation hört sich anders an, und es gibt schon jetzt ein konkretes Ziel für den Pressecker Politiker: ein prominenter Platz auf der oberfränkischen Wahlkreisliste bei der Landtagswahl. "Mir wurde eine Listenkandidatur sehr nachhaltig anempfohlen, und mir wurde zugesichert, dass ich auf einem sehr guten Platz, wahrscheinlich dem besten, nominiert werde", verrät Lerchenfeld.
Schramm: Delegierte sind frei
An eine zweite Chance für den Landtagsabgeordneten Lerchen feld glaubt auch CSU-Kreisvorsitzender Henry Schramm: "Wir werden uns mit Nachdruck dafür einsetzen, dass MdL Ludwig von Lerchenfeld auf der oberfränkischen CSU-Liste einen der vordersten Plätze erhält, damit wir auch künftig stark in München vertreten sind." Er bedauert es, "dass unser Kandidat die Mehrheit der Stimmen nicht auf sich vereinigen konnte". Das "überdeutliche" Ergebnis für Schöffel sei nicht vorherzusehen gewesen. Beide Kandidaten hätten sich "gut" vorgestellt. Aber jeder Delegierte sei unabhängig und habe frei in der Wahlkabine entscheiden können.
Wichtig ist Schramm zufolge, dass kein Keil zwischen Wunsiedel und Kulmbach hineingetrieben wird, dass Schöffel "unser aller Kandidat" ist. "Es war eine demokratische Wahl, deren Ausgang wir akzeptieren müssen."
"Nicht im Traum daran gedacht"
Mehrere - zufällig ausgewählte - Kulmbacher Delegierte sind am Tag danach noch konsterniert vom Verlauf der Nominierungsversammlung. "Dass das Ergebnis so ausfällt, daran hätte ich nicht im Traum gedacht", erklärt der Pressecker Bürgermeister Siegfried Beyer. "So ein Ergebnis ist nicht in Ordnung. Der Baron hat in seiner kurzen Zeit als Landtagsabgeordneter schon einiges auf den Weg gebracht und sich für die Region und für das Oberland eingesetzt." Er kritisiert die Lerchenfeld-Gegner. Sie hätten gleich nach der einstimmigen Nominierung im Kreisvorstand ehrlich ihre Meinung sagen sollen. Beyer: "Wir müssen nun versuchen, dass er über die Liste reinkommt."
"Er hat mir rechtschaffen leidgetan", bekennt Kreistagskollege Wolfgang Protzner aus Kulmbach. Er glaubt, dass sich in den letzten Wochen die Stimmung gegen Lerchenfeld hochgeschaukelt hat. Gründe dafür? "Da kommt mehr zusammen."
"Mag sein, dass Schöffel volksnäher wirkt", vermutet Dieter Heckel. Der langjährige Kulmbacher Landtagsabgeordnete hatte "eine Ahnung, dass es für den Baron nicht reichen wird, aber nicht so".
Für Wolfgang Hörath aus Neuenmarkt "war das Ergebnis in dieser Form absolut überraschend". Er wünscht dem Baron, "dass er auf der Bezirksliste einen Platz kriegt, dass er den Sprung ins Parlament schafft".
Vorteil für Inge Aures?
Der Wonseeser Bürgermeister Günther Pfändner war "von den Socken, das hat der Baron nicht verdient". Pfändner kann sich vorstellen, dass nun andere Kandidaten Vorteile haben: "Mancher wird vielleicht Inge Aures, weil sie aus Kulmbach ist, seine Stimme geben, bevor er einen aus Wunsiedel wählt."
Bei unseren Delegierten handelt es sich offenbar nicht um Lerchenfeld-Gegner. Aber es müssen mindestens 27 Kulmbacher gewesen sein, die den Baron nicht gewählt haben.