Landratsamt Kulmbach sammelt Waffen von "Reichsbürgern" ein
Autor: Stephan Tiroch
Kulmbach, Dienstag, 29. November 2016
Die Behörde geht nach dem Erlass des bayerischen Innenministers gegen potenzielle MItglieder der Szene vor.
Die Behörden sind nervös. Ein hiesiger Gerichtsvollzieher bekommt von seinem Dienstvorgesetzten keine Erlaubnis, mit der Presse zu sprechen. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass "Reichsbürger", die keine Rundfunkgebühren oder Bußgelder bezahlen wollen, auch in Kulmbach immer wieder Ärger machen. So wurden vor kurzem erst zwei Angeklagte - die nach ihren Angaben aber keine "Reichsbürger" sind - vom Amtsgericht zu mehr als 10.000 Euro Geldstrafeverurteilt,weil sie einen Gerichtsvollzieher nach Art dieser staatsfeindlichen Bewegung erpresst und bedroht hatten.
Die Polizei nennt keine Zahlen für den Raum Kulmbach, das Amtsgericht spricht von "Einzelfällen", und das Landratsamt hatte bisher "keine Probleme". Anders gesagt: Man hält sich bedeckt.
Milieu steht unter Beobachtung
Inzwischen wird das "Reichsbürger"-Milieu vom Verfassungsschutz beobachtet. Und in Bayern ordnete Innenminister Joachim Herrmann an, dass die Szene entwaffnet werden soll. Die Behörden gehen davon aus, dass 1700 "Reichsbürger" im Freistaat leben und dass 20 Prozent bewaffnet sind. Die Entscheidung des Ministers bedeutet Arbeit für die Landratsämter. Sie müssen abgleichen, wer den Staatsangehörigkeitsausweis oder "gelben Schein" beantragt hat (und als potenzieller "Reichsbürger" gilt) und gleichzeitig einen Waffenschein besitzt.
Laut Behördensprecher Lars Peetz werden im Landkreis Kulmbach 43 Personen der Szene zugeordnet, acht haben Waffen. "Sieben wurden bereits angeschrieben, und vier haben geantwortet, dass sie keine ,Reichsbürger' sind", so der Jurist des Landkreises. Die Daten bekomme nun die Polizei für weitere Nachforschungen. Das Landratsamt sei dazu nicht befugt.
Treffpunkt der fränkischen Szene
In Kulmbach sind bisher "Reichsbürger" öffentlich nicht in Erscheinung getreten. Es gibt sie, aber sie treffen sich mit Gesinnungsgenossen aus ganz Franken unter Ausschluss der Öffentlichkeit bei einem Stammtisch in einem Kulmbacher Wirtshaus.Ganz anders zum Beispiel im oberbayerischen Landkreis Rosenheim. Hier stehen 164 Namen in der "Reichsbürger"-Datei, 31 verfügen über eine waffenrechtliche Erlaubnis. In Hemhof - nicht weit von Prien am Chiemsee, wo der Ex-Kulmbacher Jürgen Seifert seit acht Jahren Bürgermeister ist - macht die gar nicht öffentlichkeitsscheue "Heimatgemeinde Chiemgau" Stimmung gegen den Staat. Man hat einen eigenen Internetauftritt, fährt mit dem Autokennzeichen MENS-CH durch die Gegend und wehrt sich gegen Polizeikontrollen.