Laiendarsteller zeigen Leidensgeschichte - zeitgemäß
Autor: Katrin Geyer
Kulmbach, Mittwoch, 22. Mai 2013
In Sömmersdorf in Unterfranken zeigen Laiendarsteller in diesem Jahr wieder die Passionsgeschichte. Einige der Hauptakteure waren einmal im Raum Kulmbach zuhause. Die Regisseurin Marion Beyer stammt ursprünglich aus Ludwigschorgast. Komponist Hans-Jürgen Beyer kommt aus Untersteinach.
So berühmt wie die Kollegen aus Oberammergau sind die Sömmersdorfer Laienschauspieler nicht. Aber so wie im oberbayerischen Festspielort ist auch in der kleinen unterfränkischen Ortschaft alles auf den Beinen, wenn es um die Passionsspiele geht: Etwa 650 Einwohner hat das Dorf. Rund 400 davon wirken auf und hinter der Bühne oder sind als Helfer im Umfeld aktiv.
An maßgeblicher Stelle mit dabei: zwei Akteure aus dem Kulmbacher Land. Marion Beyer, die als Marion Konrad in Ludwigschorgast aufgewachsen ist und heute in Coburg lebt, führt gemeinsam mit Hermann J. Vief Regie. Ihr Mann Hans-Jürgen, der aus Untersteinach stammt, hat gemeinsam mit Martin Kleiner die Musik zur aktuellen Aufführung komponiert.
Alle fünf Jahre
In dem kleinen Ort, der zur Gemeinde Euerbach im Landkreis Schweinfurt gehört, beginnt in diesen Tagen die heiße Phase der Proben. 2008 haben die Sömmersdorfer das Leiden und Leben Jesu zum letzten Mal auf der Bühne dargestellt. Gespielt wird im Fünf-Jahres-Rhythmus, die Vorbereitungen für die neue Spielzeit freilich laufen schon seit vielen Monaten. Die Darsteller wollen die Besucher - rund 1900 fasst der Theaterraum - mit hineinnehmen in die Lebenswelt des Jesus von Nazareth im damals alles andere als "heiligen" Land vor 2000 Jahren. Und sie wollen einen Bezug herstellen zur Lebenswirklichkeit der Zuschauer.
"Damals wie heute gab und gibt es Mitläufer und Querdenker, Intriganten und Sympathisanten", schreibt Frank Gre ubel, Diakon und Vorstandsmitglied der Fränkischen Passionsspiele Sömmersdorf, in seinen Anmerkungen zu den Spielen 2013. "Wir wollen die Zuschauer mitnehmen in den Zorn der aufgebrachten Volksmassen, und wir wollen sie fragen, ob sie sich auch der breiten Masse anschließen oder ob sie sich ihre eigene Meinung bilden und - vielleicht - gegen den Strom schwimmen."
Spannendes Projekt
Ein spannendes Projekt ist diese Neuinszenierung, meint Marion Beyer, die das Angebot der Sömmersdorfer, als Regisseurin aktiv zu werden, gerne angenommen hat. Die 49-Jährige hat schon vor Jahren das Theater zu ihrem Beruf gemacht. Nachdem sie mit ihrem Mann mehrere Jahre lang in Namibia gelebt hatte, arbeitete sie unter anderem mit Hermann J. Vief, ihrem jetzigen Regie-Partner, in einem Kulturprojekt und ist mit ihm im Institut für Jugendarbeit in Gauting als Theaterpädagogin aktiv.
Der Kontakt zu Sömmersdorf kam während eines Workshops zustande: Sowohl Vief als auch Marion Beyer sie als Referenten beim Bund Deutscher Amateurtheater. Schon beim Theaterprojekt "Don Camillo und seine Herde" im Jahr 2011 haben beide in Sömmersdorf zusammen gearbeitet. Nun inszenieren sie das große Passionsspiel - mit einerAufführungsdauer von dreieinhalbStunden ein Kraftakt für die Laiendarsteller, die sich, sofern sie vor fünf Jahren schon auf der Bühne standen, nun in neuen Rollen bewähren müssen.
Die beiden Theatermacher haben viele neue Ideen mit nach Sömmersdorf gebracht. Mit allen Sinnen, so wünschen sie es sich, sollen die Zuschauer das Geschehen aufnehmen. Und weil das nun einmal ursprünglich im Nahen Osten angesiedelt ist, weht bei den Aufführungen wohl auch ein Hauch von Orient durch den unterfränkischen Wald - zum Beispiel in den Spielpausen, wenn es statt bodenständiger Hausmannskost orientalische Spezialitäten gibt. Von den Sömmersdorfer Laiendarstellern ist Marion Beyer bereits jetzt angetan: "Sie sind sehr offen für Neues und arbeiten sehr diszipliniert."
Für die Regisseurin ist das Engagement in Sömmersdorf ein Vollzeit-Job. Eine Ferienwohnung im Ort ist ihr vorübergehendes Domizil, denn geprobt wird umso intensiver, je näher die Premiere am 23. Juni rückt.
Physiker mit Faible für Musik
Ihr Mann, der Komponist, muss nicht ganz so präsent sein. Der 52-jährige Physiker arbeitet im Hauptberuf als Lehrer in Coburg. Die Musik ist sein Hobby - eines freilich, dem er sich mit großer Leidenschaft widmet. Er spielt in Bands in Bamberg und Coburg, ist auf dem Gebiet der klassischen Musik bewandert - und zeichnet nun gemeinsam mit Martin Kleiner für die Musikstücke verantwortlich, die bei den Aufführungen eingespielt werden. Auch Beyer und Kleiner greifen hier das Motiv des Orients auf. Und so wird neben modernen Instrumenten auch ein so genanntes Duduk, ein uraltes armenisches Blasinstrument, zum Einsatz.
Wenn am 23. Juni die Premiere vorüber ist, werden Marion und Hans-Jürgen Beyer wissen, ob das neue Konzept mit den vielen neuen Elementen aufgegangen ist. Am Erfolg wird dann ein weiteres Familienmitglied seinen Anteil haben: Tochter Helena, 19 Jahre alt und Studentin, wird gemeinsam mit Franziska Fasel aus Sömmersdorf als Sängerin auf der Bühne agieren.
Die wurde für diese Spielzeit komplett neu gestaltet. Und wie das aussieht, erfahren Neugierige schon vor der Premiere: Am kommenden Sonntag um 9.30 Uhr sendet das ZDF seinen Fernsehgottesdienst live von der Sömmersdorfer Passionspiel-Bühne.
Anfänge Erste Aufführung am 21. Mai 1933 - im so genannten Heiligen Jahr zur Erinnerung an das Leiden und Sterben Jesu vor 1900 Jahren. Die Initiative ging zurück auf die Aktivitäten des örtlichen Männergesangvereins unter der Leitung von Volksschullehrer Guido Halbig. Die Aufführungen konnten ab 1935 zunächst nicht weitergeführt werden, da die Reichstheaterkammer keine Genehmigung erteilte.
Nachkriegszeit Nach dem Zweiten Weltkrieg begannen 1950 wieder örtliche Vereinsaktivitäten, so dass 1957 und 1958 wieder Passionsaufführungen mit insgesamt 40.000 Besuchern stattfinden konnten. Weitere Passionsspiele wurden in den Jahren 1961, 1967 und 1968 aufgeführt. Seither gilt für die Aufführungen ein regelmäßiger Rhythmus von fünf Jahren.
Bühne und Dorf Freilichtbühne im Wald mit 1900 Zuschauer-Plätzen. Passionsgarten mit Ausstellung zur Geschichte der Spiele im Dorf. Passions-Galerie im alten Schulhaus. Passionswege rund um Sömmersdorf.
Mitwirkende Mehr als 400 Kinder, Frauen und Männer - das sind rund zwei Drittel der Dorfbevölkerung - sind an den Aufführungen beteiligt und wirken auf und hinter der Bühne sowie als Helfer im Umfeld.
Spielzeit 2013 Vom 23. Juni bis 18. August. Insgesamt sind 18 Aufführungen geplant, Eintrittspreise 15 bis 25 Euro (Ermäßigungen möglich).
Infos und Reservierung unter Telefon 09726/2626, Fax 09726/909066 und im Internet unter www.passionsspiele-soemmersdorf.de