Kulmbachs höchste Baustelle
Autor: Stephan Tiroch
Kulmbach, Freitag, 10. März 2017
Zimmerleute reparieren die massiven Schäden am Dach des Kommandantenbaus. Sie haben es mit einem Spezialfall zu tun und brauchen viel Feingefühl.
Es bröselt immer mal von der Stuckdecke, im Winter war es bitterkalt, und der Baulärm begleitet Brigitta Lewerenz täglich - außer am Wochenende. Doch die Witwe des bekannten Kulmbacher Künstlers Hans Lewerenz († 2006), die seit Jahrzehnten im Kommandantenbau der Plassenburg zu Hause ist, erträgt die Baustelle mit großer Gelassenheit. "Sie ist sehr verständnisvoll und kooperativ", sagt Zimmermann Matthias Arndt, der mit seinen Kollegen auf Kulmbachs höchster Baustelle arbeitet.
Seit August steigen die Mitarbeiter der Zimmerei Stenglein, Schmeilsdorf, der Plassenburg aufs Dach. Am Kommandantenbau müssen sie massive Schäden reparieren. "Jahrzehntelang einwirkende Feuchtigkeit, Fäulnis und tierische Schädlinge haben dem Holz zugesetzt", erklärt Zimmerermeister Günther Stenglein. Er schätzt, dass 30 bis 40 Prozent des Dachstuhls erneuert werden müssen.
Notdach hält Sturm aus
Um in luftiger Höhe arbeiten zu können, haben die Zimmerer ein provisorisches Dach gebaut. Die Ziegel sind abgedeckt, alles ist offen. Ohne Regenschutz geht es nicht. Und dort oben - 22 Meter über dem Boden - pfeift der Wind so kalt durchs Gebälk. "Aber unsere Notdach hat sogar beim Sturmtief Thomas gehalten", sagt Matthias Arndt.Mit Wind und Wetter kennen sich die Zimmerleute aus. Auch mit den Anforderungen des Denkmalschutzes: Es muss so viel Substanz vom historischen Gebälk wie möglich erhalten werden. Doch diesmal haben sie es mit einem Spezialfall zu tun: Denn im "großen, heiteren Saal", wie die Künstlerwitwe ihren Wohnraum nennt (siehe unten) hat sich der über neun Meter lange Unterzug verformt: zwölf Zentimeter durchgebogen. Auch die Deckenbalken müssen fast alle raus. Dabei darf nichts beschädigt werden. Ein Kunststück, das hier verlangt wird.
Zwei Stahlanker
Arndt und seine Leute gehen mit dem nötigen Feingefühl ans Werk. Im Vorfeld kontrollieren sie selbst die Aufhängung der Bilder und Gemälde: "Alles stabil!" Dann wird gebohrt: zwei Löcher. Da durch werden 2,6 Meter lange und fast drei Zentimeter starke Schrauben geschoben. Sie bringen den Unterzug wieder in Position: gehalten von zwei Stahlankern, die im Dachstuhl an einer massiven Holzkonstruktion hängen. Die Operation am offenen Herzen ist gelungen. "Der Stuck an der Decke blieb komplett heil", berichtet Matthias Arndt.
Dann kommt Flohgrabenseite dran
Die Reparaturarbeiten sind nicht ganz billig. Der zuständige Sachgebietsleiter Jens Böhme vom Staatlichen Bauamt Bayreuth beziffert die Kosten auf 350.000 Euro. Als nächstes Projekt steht laut Böhme die Dach- und Fassadensanierung der Kaserne auf der Flohgrabenseite an. Dazu werde ein Riesengerüst benötigt. Der Baubeginn hänge aber davon ab, wann die Mittel zur Verfügung gestellt werden.Die Zimmerer auf dem Dach kümmern sich aktuell besonders um den Bereich über der "Burgschänke". Das Gerüst auf der Terrasse soll rechtzeitig vor der Biergartensaison abgebaut werden. "Wir sind mit sechs Mann da, wir halten den Zeitplan ein", versichert Günther Stenglein. Ein Etappenziel. Danach geht es nahtlos weiter - die Baustelle wird die Zimmerleute noch bis zum Herbst beschäftigen.
Hier speiste schon der König
Der Kommandantenbau und das äußere Tor der Plassenburg, das so genannte Ritterstor, sind knapp 500 Jahre alt. Kastellan Harald Stark datiert die Bauzeit auf "nach 1530". Die jetzige Form der Gebäude entstand 1745 - in der Regierungszeit des Markgrafen Friedrich III., der mit der preußischen Königstochter Wilhelmine verheiratet war.Zur Erfüllung repräsentativer Aufgaben, so der Burgfachmann, stand dem Festungskommandanten der 9 x 9 Meter große Raum zur Verfügung, der keinen besonderen Namen hat. Jetzt zur Wohnung Lewerenz gehörig, war der Saal im Dritten Reich Teil der Privaträume von Fritz Todt. Dessen Organisation (OT) unterhielt auf der Burg eine Reichsschule der deutschen Technik.
Ein großes Volksfest
Ein knappes Jahrhundert vorher hielt sich im wohl schönsten Wohnraum der Burg mit der unvergleichlichen Aussicht königlicher Besuch auf. Es war ein großes Volksfest, als der bayerische König Max II. und seine Frau Marie, eine preußische Prinzessin, am 3. Juli 1851 Kulmbach besuchten. Zur Erinnerung wurden im Buchwald - 500 Meter östlich der Burg - die Königseichen gepflanzt. Dort steht heute noch ein Gedenkstein.Doch zuvor hatten die Kulmbacher Honoratioren die Ehre, mit dem Königspaar speisen zu dürfen. Der Historiker Ulrich Wirz zitiert den Chronisten Eck: "Sodann begaben sich Ihre Majestäten zu Wagen nach der ebenfalls sehr prachtvoll geschmückten Plassenburg. Dortselbst fand im Saal des ehemaligen Kommandantenhauses ein von der Stadt Kulmbach veranstaltetes glänzendes Festmahl statt, das in der heitersten Stimmung verlief. Der Gemahlin des damaligen Bürgermeisters Maurer wurde die hohe Ehre zuteil, zwischen Ihren Majestäten sitzen zu dürfen."