Kulmbachs Bauern wollen in die Blüh- statt in die Buhmann-Ecke
Autor: Jochen Nützel
Mainleus, Sonntag, 20. Januar 2019
In Teilen der Landwirtschaft sieht man das von der ödp angestoßene Volksbegehren "Rettet die Bienen" skeptisch.
Die Vergleiche sind beeindruckend: So groß wie 14 Fußballfelder ist das Areal; der Bierstadel würde 33 Mal darauf Platz finden. Gemeint sind zusammengenommen all jene Flächen, die Kulmbachs Landwirte im vergangenen Sommer um ihre Maisfelder und Weizenäcker herum in blühende Landschaften verwandelt haben. 40 Betriebe haben sich daran beteiligt und auf zehn Hektar Ringelblume, Dill, Sonnenblume und Kresse ausgesät. Gegen das Insektensterben und für die Artenvielfalt.
Einer davon ist Harald Peetz, Bauer und Zweiter Bürgermeister in Himmelkron und stellvertretender Kreisobmann des Bauernverbands. In seinem Betrieb entfielen auf insgesamt 15 Hektar Maisfläche rund 1,3 Hektar für Blühstreifen. "Die Blühstreifen kommen gut in der Bevölkerung an. Ich werde oft darauf angesprochen."
Für heuer ist eine Fortsetzung geplant. "Kulmbach ist dabei ein Schwerpunktlandkreis", sagt Christian Schneider. Der 38-Jährige ist Saatgut- und Pflanzenschutzberater der Firma Syngenta, die das Saatgut mit einjährigen Blühpflanzen über Vertriebspartner Harald Hühnlein von der gleichnamigen Sämerei in Mangersreuth kostenlos zur Verfügung stellt. Doch Schneider ist seit 20 Jahren auch Landwirt im Nebenerwerb. Und so fühlt er sich "persönlich getroffen, wie wir als Sündenbock für vieles herhalten müssen".
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Volksbegehrens "Artenvielfalt - Rettet die Bienen", das die ödp federführend mit anderen Parteien und Organisationen am 31. Januar startet, sei es an der Zeit, die Bauern aus der Ecke des Buhmanns zu befreien. "Die Blühstreifenaktion soll zeigen, dass es unserer Branche ernst ist mit dem Artenschutz", sagt der Mainleuser.
Kein wirtschaftlicher Zugewinn
Er selber bewirtschaftet einen Ackerbaubetrieb, baut Getreide, Mais und Raps an. Auch um seine Felder blühte es im vergangenen Sommer. "Ein wirtschaftlicher Zugewinn ist das nicht für uns, wir bekommen dafür keinerlei Ausgleich. Wir investieren das aber gern in dieses freiwillige Projekt und nehmen dafür sogar Nachteile in Kauf wie etwa vermehrtes Unkrautwachstum. Denn auf den Blühstreifen setzen wir natürlich keine Herbizide ein. Das gute Ziel heiligt die Mittel."
Die Pflanzen, die Schneider auf seinen Äckern ansät, sind Selbstbestäuber und kommen ohne Insekten aus. Was deren Rückgang angeht, so erwartet er sich vor allem eins: Klarheit, nicht zuletzt seitens der Wissenschaft. "Wir sitzen alle in einem Boot. Die Landwirtschaft trägt natürlich ihr Scherflein dazu bei, und dass im Netzwerk Natur nicht alles zum Besten bestellt ist, wissen wir. Jetzt kommt das ,Aber': Wir tappen nach meinem Dafürhalten noch zu sehr im Dunkeln. Es ist zunächst einmal eine subjektive Wahrnehmung, dass die Insekten weniger werden. Ich nenne es das Windschutzscheiben-Gefühl, wonach an Autoscheiben deutlich weniger Insekten haften als früher. Ein Gefühl aber ersetzt keine validen Daten. Ich habe gelesen, dass rund 70 Prozent unserer heimischen Arten überhaupt nicht in ihrer Bestandsentwicklung erfasst sind. Hier müsste mehr getan werden für die nötige Grundlagenforschung. Das ist auch eine unserer Forderungen an die Politik herauszufinden: Woran liegt es?"
Schneider stellt diverse Fragen in den Raum. Welchen Einfluss etwa hat das stark gestiegene Verkehrsaufkommen? Was ist zurückzuführen auf den Klimawandel mit seinen wechselfeuchten Wintern, die Gift sind für Insekten? Was bedeutet die Lichtverschmutzung für die Populationen von Fliege, Falter & Co.? Was ist mit der Flächenversiegelung? Was bewirken Östrogene aus Humanarzneimitteln, die in die Gewässer gelangen und womöglich bei diversen Arten zu Unfruchtbarkeit führen? Dann kommen für Schneider nicht zuletzt die Privatleute ins Spiel. Welcher Gartenbesitzer gräbt den Rasen um und bereitet den Boden für Wildwuchs?