Erst mal Befangenheitsantrag
So kam es am Donnerstag zum Prozess vor dem Amtsgericht Kulmbach. Mit Verspätung, denn der erste Termin war geplatzt, weil die Angeklagte einen Befangenheitsantrag gegen Richterin Sieglinde Tettmann gestellt hatte. Das Verfahren landete wieder auf ihrem Tisch, nachdem dem Ablehnungsgesuch nicht stattgegeben worden war.
Richterin und Staatsanwalt versuchten herauszufinden, ob die Frau zum "Reichsbürger"-Milieu gehört. Ob sie von einem "Freundeskreis" beraten worden sei, wollte Götz wissen. Nein, sagte die Frau. Ob Formulierungen wie "Man könnte von einer unechten Urkunde ausgehen" oder "Es könnte sich um bandenmäßigen Betrug handeln" von ihr selbst stammen, fragte Tettmann. Ja, sie sei doch gelernte Bürokauffrau, so die Angeklagte, die meist ihren Anwalt reden ließ.
Warum seine Mandantin nicht mehr bezahlte? "Der Bürger informiert sich", sagte er. Das musste reichen. Wann ein Umdenken der Frau eingesetzt habe? "Als ihr der Strafbefehl auf den Tisch geflattert ist."
Schaefer bezeichnete den Rundfunkbeitrag als "Abschaffung der Gewaltenteilung", die Sache stinke zum Himmel. In Kulmbach hielt er sich, gemessen an seinen Auftritten im Internet, zurück. Doch seine Äußerungen im Netz verraten zumindest Nähe zu den "Reichsbürgern": Er zieht die Rechtmäßigkeit von Gesetzen und Gerichten in Zweifel und spricht vom "BRD-Schwindel" oder vom "Unternehmen BRD".
Kritik am Verteidiger
Schaefer plädierte auf Freispruch. Seine Mandantin, die von 733 Euro Erwerbsunfähigkeitsrente lebt, habe ihre berechtigten Interessen vertreten. Die Frau sei "durch vermeintlich tolle Tipps im Internet auf die schiefe Bahn geraten", stellte der Staatsanwalt fest und forderte eine Geldstrafe: 60 Tagessätze mal 25 Euro. Außerdem kritisierte er den Verteidiger wegen dessen Verunglimpfung der Staatsanwaltschaft.
Das Gericht kam zu einem Schuldspruch und reduzierte die Geldstrafe auf 50 Tagessätze. Sie hoffe, dass die Angeklagte ein Umdenken "nicht nur aus prozesstaktischen Gründen" eingeräumt habe, sagte Tettmann und riet: "Man sollte auch hinterfragen, was man im Internet liest."
Kulmbacher "Reichsbürger" - was sich in der Szene tut
Es gibt sie, aber man sieht und hört nichts von ihnen: Die "Reichsbürger" im Landkreis Kulmbach treten nicht öffentlich in Erscheinung. Aufgeschreckt durch die Berichterstattung bei inFranken.de, ist die Szene abgetaucht.
Harter Kern: 400 Personen
Gleichwohl wird die heterogene Gruppe der Staatsverweigerer, die die Bundesrepublik, ihre Institutionen und Gesetze ablehnt, von den Sicherheitsbehörden beobachtet. Der Verfassungsschutz geht in seinem aktuellen Halbjahresbericht von etwa 4200 "Reichsbürgern" in Bayern aus. Der harte Kern bestehe aus 400 Personen.
Alarmiert wurden Politik, Polizei und Verfassungsschutz durch den Polizistenmord von Georgensgmünd (Landkreis Roth) vor zwei Jahren. Damals wurde ein Polizeibeamter von einem Anhänger der "Reichsbürger"-Bewegung erschossen.
Unter Beobachtung der Polizei und des Verfassungsschutzes steht auch die Kulmbacher Szene. In einem hiesigen Wirtshaus trifft sich ein Stammtisch mit Gleichgesinnten aus Franken. Dessen Internetpräsenz auf den einschlägigen Seiten ist seit geraumer Zeit abgeschaltet.
Warten auf Termin am Verwaltungsgerichit
Das Landratsamt Kulmbach hat bei seinen Nachforschungen 67 Einwohner identifiziert, die dem "Reichsbürger"-Milieu zugerechnet wurden - davon neun, die Waffen hatten. Nach den polizeilichen Ermittlungen erhärtete sich der Verdacht gegen drei Personen. Das Landratsamt entzog ihnen wegen fehlender Zuverlässigkeit die waffenrechtliche Erlaubnis. Sie mussten ihre Waffen abgeben. Zwei Bescheide sind bestandskräftig, einer nicht. Der Grund: Ein "Reichsbürger" klagt vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth und will seine Waffen wiederhaben. Eine Entscheidung gibt es noch nicht - der Sportschütze wartet auf den Verhandlungstermin.
In der Zwischenzeit kassierte das Landratsamt Kulmbach noch einen Kleinen Waffenschein. Der Widerruf ist bestandkräftig.
Der Klassiker
Auch den Klassiker gab es schon in Kulmbach: Ein hiesiger Gerichtsvollzieher wurde von einem Paar, das keinen Rundfunkbeitrag mehr bezahlen wollte, massiv drangsaliert. Wegen versuchter Erpressung und Verleumdung verhängte das Amtsgericht Kulmbach vor zwei Jahren eine empfindliche Geldstrafe: jeweils 5075 Euro für beide Angeklagte.