Kulmbacher Rotes Kreuz kapituliert im Preiskrieg
Autor: Christian Schuberth
Kulmbach, Freitag, 10. Juli 2020
Das Rote Kreuz in Kulmbach hat den Patienten-Fahrtdienst nach 25 Jahren aufgegeben - zur großen Enttäuschung der Kunden.
Uli Weber ist sauer. Denn das Bayerische Rote Kreuz (BRK) Kulmbach hat Ende Juni seinen ambulant betreuten Fahrdienst eingestellt. Für den 52-Jährigen, der nach einem schweren Autounfall vor 21 Jahren querschnittsgelähmt ist, eine Hiobsbotschaft. "Ich war zehn Jahre mit dem BRK-Fahrdienst unterwegs und sehr zufrieden. Dass er nun eingestellt wird, ist enttäuschend", sagt Weber. Den Fahrdienst haben vor allem Menschen mit oder ohne Behinderung für Fahrten zum Arzt, zur Therapie, Dialyse, Tagespflege, Reha oder vom oder zum Klinikum genutzt.
BRK-Kreisgeschäftsführer Jürgen Dippold erklärt: "Es ging einfach aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr, die Verluste waren nicht mehr auszugleichen." So musste der Fahrdienst nach 25 Jahren beendet werden. Das Aus habe der Kreisvorstand schon 2019 einstimmig beschlossen. "Die Entscheidung ist uns aber nicht leichte gefallen", beteuert Dippold.
Mit der Corona-Krise habe das nichts zu tun. Eher damit, dass das BRK mit seinen hohen Lohnkosten (Dippold: "Wir zahlen Tarif") dem Wettbewerb nicht mehr gewachsen ist. "Die Konkurrenz kann einfach billiger anbieten", weiß Dippold.
Kein Wohlfahrtsverband mehr?
Für Uli Weber stellt sich die Frage, ob denn das BRK kein Wohlfahrtsverband mehr sei, "der sich um alte Menschen, Behinderte und Schwache der Gesellschaft kümmert". Dem entgegnet Jürgen Dippold: "Das BRK ist nicht gewinnorientiert. Wir müssen aber wenigstens kostendeckend arbeiten."
Das BRK Bayern habe in zentralen Verhandlungen mit den Kassen für eine höhere Kostenerstattung gekämpft - vergeblich. So habe das BRK Kulmbach mit diesem Geschäftsbereich seit zehn Jahren Verluste eingefahren. "Wir konnten bisher immer querfinanzieren, aber das geht jetzt nicht mehr. Und die Defizite dürfen wir rechtlich nicht durch Spenden ausgleichen", erklärt Dippold. Auch die Halbierung des Angebots von einst 500 Fahrten im Monat auf 250 konnte das Aus nicht mehr abwenden.
Malteser bieten noch an
Mit den Maltesern gibt es nun nur noch einen Wohlfahrtsverband im Landkreis, der Fahrten für Patienten durchführt. Ferner bieten auch private Anbieter Patientenfahrten an, unter anderem gibt es auch ein Rollstuhltaxi. "Wir kommen finanziell momentan noch hin", sagt der Kulmbacher Malteser-Chef, Reinhold Müller. Das liege vor allem daran, dass man keine so hohen Personalkosten wie das BRK habe. "Bei uns sind nur zwei Fahrer, der Fahrdienstleiter und eine Sekretärin hauptamtlich angestellt." Dazu kämen vier 450-Euro-Kräfte. "Aber natürlich alles ausgebildete Ersthelfer", erklärt Müller. Die sechs in Kulmbach stationierten Fahrzeuge seien gut gebucht, das Angebot soll um Liegendtransporte erweitert werden, und Fahrer würden dauernd gesucht. Doch auch Reinhold Müller weiß nicht, ob man auf Dauer mit privaten Anbietern konkurrieren kann. "Wenn die Kassen die Kosten weiter drücken, dann sehen auch wir alt aus."
Das sagt die AOK
Wer einen Fahrdienst benötigt und eine Kostenerstattung (ein geringer Eigenanteil bleibt) will, muss sich in der Regel vorher eine Genehmigung bei seiner Krankenkasse einholen. "Die Kasse verweist in der Regel an die billigsten Anbieter. Das ist die Folge, weil in diesem Bereich Wettbewerb gewollt ist", sagt Jürgen Dippold. "Der Patient kann grundsätzlich unter allen Fahrdienstanbietern, die einen Vertrag mit uns haben, frei wählen", erklärt AOK-Sprecher Marko Ahrens. Seine Kasse habe bayernweit mit rund 250 Transportunternehmen Verträge für den ambulanten Patienten-Fahrdienst geschlossen.