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Kulmbacher Polizist neun Monate im Wüstencamp


Autor: Stephan Tiroch

Kulmbach, Dienstag, 20. Mai 2014

Hauptkommissar Jörg Braun hilft mit beim Aufbau der afghanischen Polizei. Im Norden des gefährlichen Landes trifft er auch ein bisschen Heimat an.
Seine Lebensversicherung: Polizeihauptkommissar Jörg Braun und sein gepanzerter Jeep, der auch einem Sprengstoffanschlag widerstehen soll. Fotos: privat


Man fährt nicht jeden Tag nach Afghanistan, einfach so. Es gibt nur wenige, die freiwillig in das kriegszerstörte Land am Hindukusch gehen, wo es lebensgefährlich oder gar tödlich ist, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Selbstmordattentate mit Toten sind an der Tagesordnung. Auch der Kulmbacher Polizist Jörg Braun erlebt es, dass ein Camp in der Hauptstadt Kabul, wo er sich bei seiner Ankunft aufgehalten hat, ein paar Wochen später durch einen Bombenanschlag zerstört worden ist. Seine Mission: Er und seine Kollegen helfen mit beim Aufbau der afghanischen Polizei. Sie sollen - im Auftrag der deutschen Bundesregierung - für Stabilität im Norden des Landes sorgen. Nach neun Monaten ist der 47-Jährige jetzt wohlbehalten wieder zurückgekehrt.

Nein, brenzlige Situationen hat er in einem der gefährlichsten Länder selbst nicht erlebt, sagt Braun. Aber davon gehört - und immer gewusst, dass etwas passieren könnte. "Man muss selbst damit rechnen, von den afghanischen Kollegen angegriffen zu werden." Darauf ist er schon beim Auswahlverfahren und beim Intensivtraining für den Auslandseinsatz vorbereitet worden. "Von den afghanischen Polizeischülern, deren Ausbildung drei Monate dauert, hat aus Sicherheitsgründen deshalb noch keiner eine Waffe. Man traut den Leuten nicht. Aber so was ist der Extremfall."

Vom Krieg weit entfernt

Vom Krieg sind Braun, der einen einheimischen Polizei-Colonel neun Monate lang berät und begleitet, und seine Kollegen in Masar-e Scharif weit entfernt. "Wir haben in einem großen internationalen Militärcamp unter Federführung der Bundeswehr gewohnt, und auch die einen Kilometer entfernte Polizeikaserne ist ein Hochsichertheitstrakt", berichtet der 47-Jährige.

Den Bau der Kaserne für 1200 afghanische Polizeirekruten hat Deutschland finanziert. Und die Bundesregierung kümmert sich auch um den Aufbau der Organisationsstruktur. Dazu werden Beamte wie Jörg Braun in das Land am Hindukusch geschickt. "Ich bin mit meinem Colonel viel herumgekommen, auch außerhalb der Kaserne", so der Kulmbacher, "wir haben aber nicht in die operative Tätigkeit der Polizei eingegriffen."

Das ist bei Brauns vorherigen Auslandseinsätzen im Kosovo anders gewesen. 2001/2002 leitet er unter UN-Mandat eine Kriminalabteilung: "Da haben wir alles bearbeitet - vom Mord bis zum Einbruch." Bei einer EU-Mission 2008/2009 in der Hauptstadt Pristina bekämpft er Terroristen.

Die Lebensversicherung

Abenteuerlust und die Suche nach einer Herausforderung führen den Kulmbacher nach Afghanistan. Es habe ihn nicht geschreckt, in ein Kriegsgebiet zu gehen, so Braun. "Ich habe mich genau über die Bedingungen informiert und über die Tätigkeit, die auf mich zukommt. Die Gegend um Masar-e Scharif ist sicher, allein schon wegen der Militärpräsenz. Wir haben die Bewaffnung der Bundeswehr bekommen und vollgepanzerte Fahrzeuge. Davon hängt im Einsatz unser Leben ab."

Während der neun Monate richtet sich der Kulmbacher Polizeihauptkommissar, der alle sechs bis acht Wochen für zehn Tage nach Hause fliegen darf, in seinem Wohncontainer häuslich ein: umgeben von Wüste und Bergen, ein paar Quadratmeter Privatheit mit Frankenfahne, eigener Dusche und WC, Fern seher und Internetanschluss.
Internet und Handy ("Die Verbindung nach Deutschland ist sehr gut") sind für den Fußballabteilungsleiter des ATS Kulmbach besonders wichtig. So hält sich Braun über die Erfolge seiner Mannschaft, die Meister wird und in die Bezirksliga aufsteigt, auf dem Laufenden und greift aus der Ferne auch ins Tagesgeschäft ein.

Ein Kulmbacher Stammtisch

In der Freizeit ("Man hat es uns so angenehm wie möglich gemacht") spielen Sportmöglichkeiten und die gute Verpflegung die Hauptrolle. Und es gibt am Hindukusch sogar einen Kulmbacher Stammtisch. Überraschend trifft Braun im Camp noch zwei Kulmbacher: den Polizeioberkommissar Matthias Lauterbach und den Oberstleutnant der Reserve Michael Hübner. "Das war unser Truppe, die sich abends oft getroffen hat." Weihnachten lassen sie sich einen Christstollen aus der Heimat schmecken.

Braun glaubt, dass die Polizei abteilung in Masar-e Scharif auch nach Abzug der Deutschen im Juni funktionieren wird. "Von der Führung bis zu den Ausbildern sind alle motiviert", sagt er und meint, "dass ich im Kleinen etwas bewegen konnte. Aber ich traue mich nicht, eine Prognose fürs ganze Land abzugeben, dazu ist es viel zu unterschiedlich. Ich kann nur für Masar-e Scharif sprechen, das ist eine westlich orientierte, relativ friedliche Stadt. Die jungen Leute sehen, dass es ihnen jetzt wesentlich besser geht. Am wichtigsten ist Bildung für die Menschen. Denn wer nicht lesen und schreiben kann, ist empfänglicher für extremistische Thesen."

Der 47-Jährige will nicht ausschließen, nach der obligatorischen Fünf-Jahres-Sperre noch einmal ins Ausland zu gehen. "Aber jetzt liegt der Fokus auf der Heimat", betont Braun, der eine Versetzung von seinem derzeitigen Dienstort Schwabach nach Kulmbach oder Oberfranken anstrebt. "Ja, darum bemühe ich mich."